Wir sind gekommen, Sie zu ströppen

Was meine Großtante erzählte

Kathrin Pinn (14 Jahre), Gerolstein-Roth

Schleifen bei der Hochzeit von Rudi Seifert und Marga Pinn in Schüller

Das „Schleifen"

Beim letzten Besuch meiner Großtante Marga in Frankfurt erzählte sie mir von ihrer Hochzeit mit Onkel Rudi in Schüller. Damals, vor über 50 Jahren, hatte der schöne Brauch des „Schleifens" größere Tradition als heute. Das Schleifen geschah vor dem Hochzeitstag. Alle Junggesellen rückten mit dem hinteren Teil eines Leiterwagens an. Der bestand aus Holzrädern mit Eisenbändern. Dieser wurde aufgebockt, damit die Räder nicht mehr den Boden berührten. Mit einer Kette drehten dann zwei kräftige Burschen die Räder ganz schnell. Andere junge Männer hielten dann Sensen oder Spaten an die Räder. Das erzeugte riesigen Lärm. Das nannte man dann „schleifen". Hatte der Lärm den Höhepunkt erreicht, erschien das Brautpaar. Sofort beendete man das Schleifen, huldigte dem Paar mit passenden Gratulationsgesängen und Sprüchen. Der Braut überreichte man einen schönen Blumenstrauß aus dem eigenen Garten.

Der Bräutigam bedankte sich bei den Burschen mit einem entsprechenden Geldbetrag. Die Braut spendierte mehrere Runden Schnaps oder Likör. Die Stimmung stieg und löste viel Freude und Spaß aus. Oft gab man den Burschen noch eine gute Wegzehrung mit auf den Rückweg zum Wirtshaus, meist in Form einer „Huchzeitstaart". Das war nämlich damals noch etwas ganz Besonderes und nichts Alltägliches.

Das „Ströppen"

Kam ein Bursche aus einem „fremden Dorf" in unser Dorf zu einem Mädchen, dann wurde er möglichst bald „jeströppt". Das ging so: Sobald der „Freier" im Haus des Mädchens war, versammelten die Dorfburschen sich im Wirtshaus und zogen mit dem „Quetscheböggel" (Zieharmonika) singend zum Haus des Mädchens. Dort ergriff einer das Wort und sagte: „Wir haben vernommen, Sie sind gekommen, um die schönste Rose aus unserem Rosengarten zu pflücken! Darum sind wir gekommen, um Sie zu „ströppen" oder gesetzlich zu verhaften!"

Darauf gab der „Freier" einen Geldbetrag, womit er sich freigekauft und sein Mädchen nunmehr „rechtmäßig erworben" hatte. Die Burschen setzten die zukünftige Braut feierlich auf den Schoß des Zukünftigen. Nach etlichen Liedern und Spaßgesängen und einem Prosit auf das Paar zogen alle zurück ins Wirtshaus. Dort feierte man zusammen mit dem Paar solange, bis der letzte Pfennig vom „Ströppen" weg war. Gab der „Freier" danach noch eine Runde für alle aus, war er direkt beliebt bei der Dorfjugend und galt fortan als einer von ihnen. Seine „Freigiebigkeit" hatte ihm die Anerkennung des Dorfes eingebracht!