Dorfkirmes früher und heute

Matthias Thömmes, Philippsheim

Früher war die Dorfkirmes der Höhepunkt des Jahres. Meist gab es zwei Anlässe für dieses Fest: die Kirchweihe - daher der Name - und der Tag des Schutzpatrons der Kirche. Schon 1323 erklärte der Trierer Erzbischof Balduin die Kirmes zum „örtlichen Festtag mit Arbeitsruhe und Verpflichtung zum Besuch der hl. Messe".1 Jedes Eifeldorf hat seinen Schutzpatron und feiert meistens auch an diesem Tag seine Kirmes. Das geht reihum durch das Kirchenjahr, beginnt mit Ostern und endet am Nikolaustag. Die meisten Kirmessen wurden früher im Herbst um St. Martin gefeiert, einmal, weil es im Eifel-gebiet viele Martinskirchen gibt, zum anderen, weil Anfang November die bäuerlichen Feldarbeiten beendet waren, der Bauer Bilanz zog und man nach einem arbeitsreichen Jahr Zeit und Lust zum Feiern hatte. In der Regel wurde vorher noch geschlachtet, damit man nur ja genug Fleisch auf den Tisch bringen konnte, denn Essen und Trinken standen an der Kirmes im Mittelpunkt.

Schon Tage vorher wurde geputzt, gefegt, alles auf Hochglanz gebracht und gebacken. Traditionskuchen war der Hefefladen, selbst im Backofen gebacken und mit allerlei Obst, Pudding und Streusel belegt. Besonders beliebt war der Fladen mit „Birrebunnes", ein aus gedörrten Birnen gemachtes Mus. Butter- oder Sahnecremetorten gab es seltener. Diese kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf.2 An den Kirmestagen, die in der Regel sonntags und montags gefeiert wurden, kamen die Verwandten aus Nah und Fern meist schon zum Mittagessen und blieben dann oft bis montags oder sogar dienstags. Am Sonntagvormittag besuchte man festlich gekleidet das vom Kirchenchor feierlich mitgestaltete Kirmeshochamt, das oft mit drei Pastoren „dreispännig" abgehalten wurde. Nach dem Gottesdienst trafen sich die Männer zu einem zünftigen Frühschoppen und zum Kartenspiel in der Dorfwirtschaft, bis es Zeit zum Mittagessen war. Das traditionelle Kirmesessen bestand aus Nudelsuppe, Schweinebraten oder Rindfleisch

mit Kartoffeln, Gemüse und Sauerkraut, alles aus eigener Erzeugung. Nach dem Mittagessen saß man mit den Kirmesgästen gemütlich beisammen, unterhielt sich und erzählte Geschichten und Erlebnisse. Unterdessen besuchten die Kinder den Kirmesplatz, fuhren Karussell und Schiffschaukel und kauften sich von dem Geld, das sie von Eltern, Paten und Verwandten bekommen hatten, an den vielen Ständen Süßigkeiten und Spielsachen. Es gab Waren- und Getränkestände, Spiel- und Losbuden und an manchen Orten sogar Kram- und Viehmärkte. Nachmittags besuchte man um 14.00 Uhr die Kirmesvesper, die in der Kirche ebenfalls feierlich gestaltet wurde und traf sich anschließend zum Kaffee, an dem dann der selbstgebackene Hefekuchen gegessen wurde. Für viele Familien war die Kirmes der einzige Tag im Jahr, an dem es Bohnenkaffee zu trinken gab. Um 16.00 Uhr begann dann bereits die Tanzmusik im Gasthaus, ein Ereignis, das vor allem von der Jugend weidlich bis tief in die Nacht hinein wahrgenommen wurde, denn auch Tanz war selten und fand höchstens drei- oder viermal jährlich statt. Als Kapelle spielten oft nur wenige Musiker mit Akkordeon, Schlagzeug, Geige, Saxophon oder Trompete. Verstärker und Lautsprecher gab es nicht. Im Kreis Daun waren es im 19. und Anfang des 20. Jahrhundert vornehmlich die Kapellen Jaquemod aus Waldkönigen und Schlömer aus Kirchweiler, die durch die ganze Vulkaneifel und darüber hinaus zogen und zum Kirmestanz aufspielten. Man amüsierte sich köstlich und tanzte die traditionellen Tänze wie Rheinländer, Schottisch, Polka und Walzer. Als Obolus für die Spielleute wurde bei jedem Tanz ein so genannter Tanzgroschen erhoben, der in der „Halbzeit" eingesammelt wurde. Montags war auch noch Feiertag mit Hochamt und Festtagsessen. Wie Joachim Schröder in seinem Buch schreibt, war der Kirmesmontag ursprünglich der Jugend vorbehalten, an dem es eine Jugend- und Jungegesellenmesse gab, in der ein Opfergang abgehalten wurde. Im Laufe der Zeit trat an die Stelle der Jugendmesse ein Gottesdienst für die Verstorbenen der Pfarrei mit anschließendem Gang zum Friedhof. Nach dem Kaffee verabschiedeten sich dann die meisten Gäste, denn einige waren zu Fuß von weit her gekommen und hatten einen langen Rückweg.

An vielen Orten wurde nach den fröhlichen Tagen die Kirmes begraben. Das geschah auf verschiedene Weise. In einigen Dörfern fertigte die Jugend eine Strohpuppe an, um diese dann unter Weinen und Wehklagen mit Hacke und Schaufel vor der Ortschaft zu begraben. In anderen war es üblich, einen abgenagten Knochen in die Erde zu legen. Im nächsten Jahr wurde dann die Kirmes mit großem Hallotria wieder ausgegraben und mit Musik durch den Ort getragen. In einigen Orten des Vulkaneifelkreises hat sich dieser Brauch bis heute erhalten.

Heute hat sich vieles geändert. In vielen Orten gibt es überhaupt keine Warenstände und keine Fahrgeschäfte mehr. Der Verwandtenbesuch hat ebenfalls nachgelassen oder findet gar nicht mehr statt. Der Tanzabend ist fast ausschließlich der Jugend vorbehalten, die sich bei moderner Rock- und Popmusik amüsiert. Der Kirmesmontag ist ganz weggefallen und wurde zum normalen Werktag degradiert.

Zünftig Kirmes gefeiert wird heute fast nur noch in den größeren Orten. Überregional bekannt sind die Laurentiuskirmes in Daun und die St. Annakirmes in Gerolstein. Hier treffen sich die Menschen der näheren und weiteren Umgebung an mehreren Tagen. Sowohl die Hauptstraßen als auch der Kirmesplatz sind dann mit Ständen und Fahrgeschäften aller Art voll besetzt. Es gibt Schieß- und Losbuden, Ess- und Getränkestände, Stände mit Spielwaren, Süßigkeiten und Textilien. Auf dem Kirmesplatz befinden sich neben der traditionellen Schiffschaukel und dem Karussell die modernsten Geräte, mit denen man halsbrecherische Fahrten unternehmen kann. Höhepunkt der Laurentiuskirmes ist der Mittwoch, mit dem dann das Fest ausklingt.

Anmerkungen:
1 Joachim Schröder: Brauchtumslandschaft Eifel Band I - Helios-Verlag 1996 S. 55
2 ebda, S. 56
3 ebda. S. 58