Der weiße Weiße Sonntag 1965!

Uli Diederichs, Daun

Tatsächlich, der Weiße Sonntag 1965 war ein weißer Sonntag. Denn nachts hatte es noch kräftig gefroren, und morgens waren Wiesen, Bäume und Sträucher mit Raureif überzogen. So manche Knospe und Blüte hatte darunter sehr zu leiden. Und wir Kommunionkinder! Denn der damalige Dauner Pastor, Dechant Feld, hatte es zum allerersten Mal erlaubt, dass die Jungen eine kurze Hose (mit Kniestrümpfen) nachmittags bei der Andacht hätten tragen dürfen. Diese Gelegenheit sahen wir morgens allerdings schwinden. Wohl völlig umsonst hatten unsere Eltern die Kommunionanzüge mit langer und kurzer Hose nähen lassen; bei Martin Lenzenhuber, Nico Becker oder Schneider Willems. Denn den Anzug „von der Stange" gab es in diesen Jahren noch nicht.

Obwohl der kirchliche Akt erst um 10.00 Uhr begann, war es noch dunkel, als meine Mutter mich weckte. Sie war sehr früh aufgestanden, weil sie den Badeofen bereits befeuert hatte. Denn ich sollte noch mal baden, obwohl ich tags zuvor - damals war der Sonnabend üblicherweise Badetag - schon gebadet hatte. Sicherlich, damit ich auch äußerlich rein genug war, um das Allerheiligste empfangen zu können.

Überhaupt war in meinem Elternhaus schon ganz früh eine große Geschäftigkeit zu spüren.

Die Verwandten aus Köln, Wuppertal und Wengerohr trafen nach und nach ein, sowie ein Freund meines Vaters, der einen Mercedes 220 S besaß und uns zur Kirche fahren sollte. Und die Frau, die das Festmahl kochen sollte, kam mit ihrer Gehilfin. Denn alle Gäste sollten bei mir zuhause vorzüglich beköstigt werden. Ich wäre zwar viel lieber ins Hotel Fries-Porz zum Feiern gegangen - wie vier meiner Klassenkameraden. Aber mein Vater war strikt dagegen. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil er nicht wollte, dass die eine Kommunionsgesellschaft von anderen sieht, was diese „Besseres" auf dem Teller hat, und dadurch irgendein Neid aufkommt. Um Viertel vor Zehn ging es dann im „Benz" von daheim aus los. Meine elegant gekleideten Eltern und ich wurden zum alten Krankenhaus chauffiert, denn dort war Treffpunkt der Kommunionkinder. Von unseren Klassenlehrern wurden wir in Reihen aufgestellt: die Mädchen links, die Jungen rechts. Und der Größe nach: vorn vorne nach hinten aufsteigend. Weil jeder möglichst weit hinten gehen wollte, machte man sich lang (und hob die Absätze auch schon mal etwas vom Boden ab). Als wir damit fertig waren, kam die versammelte Geistlichkeit, um uns abzuholen und zur St. Nikolaus-Kirche zu geleiten. Dechant Feld an der Spitze, begleitet von Dechant a.D. Drees (dem damaligen Seelsorger im Krankenhaus), Kaplan Lorang und Rektor Föhr (dem Internatsgeistlichen des damaligen Aufbaugymnasiums). Assistiert wurde von den Herren des Kirchenvorstands, allesamt in schwarzen Anzügen mit weißen Handschuhen. Unter den Klängen des Dauner Musikvereins unter Leitung von Hans Stark - dessen jüngste Tochter ebenfalls Kommunionkind war - ging es dann durch die Maria-Hilf-Straße vom Krankenhaus zur Kirche. Bei mittlerweile herrlichstem Sonnenschein!

Was ich wegen meiner großen inneren Aufregung vom Festgottesdienst nur noch behalten habe, war, dass er unendlich lang dauerte. Von Halb elf bis Vierteil nach zwölf! Und weil wir zum ersten Mal den Leib Christi empfangen sollten, mussten wir nüchtern zu Messe kommen, d.h., ohne vorher etwas zu essen oder zu trinken. Die Folge war, dass drei von den Mädchen im Gottesdienst zusammen brachen. Die wurden dann von einem Erwachsenen oder von Follmanns Alois, dem Kirchenschweizer (eine Art Aufseher in der Kirche) raus an die frische Luft getragen. Als sie jeweils nach kurzer Zeit wieder zurück in die Messe kamen, waren alle noch so weiß im Gesicht wie ihre Kommunionkleider (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch ein Junge ohnmächtig geworden war).

Nach dem Festmahl - wie damals üblich: klare Suppe mit Eierstich, zweierlei Fleisch, Kartoffeln mit Soße, Erbsen und Möhren sowie grüne Bohnen und eine Eissplittertorte als Nachtisch, und zum Trinken 1959er Minhei-mer Spätlese - reichte die Zeit kaum noch, um die Kommunionkarten zu lesen und die Geschenke auszupacken. Denn um Halb drei war bereits Dankandacht, für die Dechant Feld die Losung ausgegeben hatte, dass keine Geschenke sondern nur die Tütchen mit unserem (finanziellen) Messopfer mitgebracht werden dürfen. Trotzdem hatten wir alle heimlich unsere ersten eigenen Uhren - die Kommunionsuhren - mitgebracht und durch die Bänke gehen lassen.

Nach der Andacht gab es Kaffee („echten" Bohnenkaffee!) und Kuchen und schon kurz danach 'Kalte Platten' zum Abendessen, weil die meisten Gäste von auswärts frühzeitig die Heimreise antreten wollten. Dechant Feld kam auch. Dem Vernehmen nach war er zuvor schon bei etlichen anderen Kommunionskaffees. Und der Besuch bei mir zum Abendessen war auch nicht sein erster - auch nicht der letzte. Die Erwachsenen saßen noch lange beisammen. Ich fiel allerdings wie erschossen in die Federn - umringt von meinen Kommuniongeschenken.

Der Montag war erster Schultag nach den Osterferien. Für alle - außer den Kommunionkindern. Deren erster offizieller Termin war der Dankgottesdienst um 10.00 Uhr, der viel unspektakulärer ablief als die Kommunionfeier tags zuvor. Im Anschluss an den Gottesdienst ging dann alles fürs Kommunionfoto zum Fotografen: in die Drogerie/Fotohaus Hoffmann ('Schinken Hannes') oder zu Foto Schäfer (Irmchen und Friedchen). Nach dem ungefähr wieder normalen Mittagessen (Reste vom Vortag) wartete ich dann auf die Nachbarschaft und Freunde meiner Familie, die ich zum Kaffee eingeladen hatte. Zunächst kamen nur die Frauen. Nach Feierabend - so gegen 6 Uhr abends - nach und nach auch deren Männer. Und dann ging's in feucht-fröhlicher Runde kräftig zur Sache! Bis spät in den Abend, wovon ich allerdings nichts mehr mitbekommen habe. Mitgenommen habe ich jedoch bis heute die schönen Erinnerungen an dieses Fest.