Dorfkirmes - Ende der 40er Jahre

von Tamara Retterath, Lirstal

Mein Vater berichtete mir:

Auf die Dorfkirmes des Nachbarortes freuten wir Kinder uns schon Wochen zuvor. Da unser Dorf mit ca. 15 Häusern sehr klein war, kamen zu dem Weihfest unserer Kapelle am Josefstag natürlich keine Kirmeswagen und es war nicht viel los. Deshalb war die Kirmes des 2 km entfernten Nachbardorfes, zu deren Pfarrgemeinde wir gehörten, auch unsere Kirmes. Am Bartholomäustag im August war es jedes Jahr soweit.

Selbst die Ankunft der Kirmeswagen, die zu dieser Zeit bereits mit Traktoren gezogen wurden, war etwas Spannendes. Die Schausteller kamen bereits Mitte der Woche, doch der Aufbau ging erst am Samstag so richtig los. Da der Kirmesplatz auch unser Schulhof war, konnten wir die ersten Aktivitäten schon in der Pause beobachten und bestaunen. Nachmittags liefen dann die meisten Kinder des Ortes dort zusammen, um alles mit anzusehen. Auch ich wollte dabei zusehen. So bettelte ich und setzte mich durch, dass ich meine Arbeitspflicht, unsere 4 Milchkühe zu hüten, auf einer Weide an der Grenze zum besagten Nachbarort durchführen konnte. Unsere Wiesen „Im Ausschlinck" und „In der Senswiese" lagen dort. Die Kühe wurden an 4 - 5 Meter langen Ketten angebunden, die an einem Holzpfahl befestigt waren, der in den Boden eingeklopft wurde. Das Vieh konnte so in einem Kreis weiden, denn Elektrozäune gab es zu dieser Zeit noch nicht. Und für normale Zäune war, wie bei fast allen Leuten der damaligen Zeit, kein Geld da. Damit hatte ich dann die Gelegenheit zwischendurch zum Kirmesort zu gehen und dem Treiben des Aufbaus zuzugucken. Hier gab es einen riesengroßen Auflauf an Kindern. Jeder wollte mitbekommen, wie das Aufstellen vonstatten ging. Man hatte ja als Landkind der damaligen Zeit kaum etwas gesehen, außer Schule am Morgen und Arbeit am Nachmittag. Wenn man den Schaustellern bei ihrer Tätigkeit etwas zur Hand ging und man Glück hatte, sagten sie, man solle sonntags zu ihnen kommen. Dann schenkten sie einem eine Kleinigkeit wie ein Lakritz. Vor lauter Spannung und Attraktion vergaß ich natürlich die Uhrzeit. Zudem besaß ich noch gar keine Armbanduhr. Die Kühe sollten eigentlich zwei Mal mit ihrer Kette auf einen anderen Platz gepfählt werden, denn in ihrem Areal hatten die Tiere ja kreisrund alles kahl gefressen. Doch weil ich die Zeit vergessen hatte, war ich froh, überhaupt noch pünktlich mit dem Vieh nach Hause zum Melken zu kommen. Das Problem war nur: Man sah den Kühen an, dass sie nicht ganz satt waren, denn ihre Bäuche waren ein wenig dünner als sonst. Das hätte zuhause Ärger gegeben. Was tun? Ich bin dann wie üblich mit den Tieren zur Viehtränke in unser Dorf gegangen. Hier konnten sich die Kühe nun satt trinken, so dass ihre Bäuche schlussendlich noch rund wurden und daheim keiner etwas merkte. Kirmesgäste kamen bereits am Samstag in jedes Haus. Es waren in anderen Ortschaften wohnende Geschwister der Eltern, also Onkel und Tante, die Großeltern oder weiter entfernte Verwandte wie Großonkel und Großtante oder Freunde der Eltern. Manche Kirmesgäste kamen von weit her. Die Gäste blieben drei Nächte bei uns.

Sonntagmorgens begann die Kirmes endlich so richtig. Die ganze Familie ging dann mit den Kirmesgästen in die 2 km entfernte Pfarrkirche ins Hochamt, um die Kirchweih kirchlich zu zelebrieren. Anschließend spazierten wir wieder nach Hause zurück. Dort gab es ein festliches Mittagessen. Die Feier mitsamt den Kirmesgästen war etwas Fantastisches. Es war ein Treffen, wie wenn sich die Verwandten 100 Jahre nicht gesehen hätten. Angeregt wurde sich unterhalten und man bekam viele interessante Neuigkeiten mitgeteilt. Es wurde gefeiert, gegessen und getrunken. Da wurde aufgetischt, als ob es morgen nichts mehr geben würde. Das Essen war mehrgängig und vom Feinsten. Man aß früher an Fleisch meist nur Eingekochtes oder Geräuchertes. Aber an Kirmes gönnte man sich alles frisch vom Metzger. Von A bis Z war alles delikat. Auch an den Getränken wurde nicht gespart. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in meiner Kindheit an gewöhnlichen Tagen einmal Limonade, Mineralwasser oder Bier im Keller gelagert hatten. Das gab es nur zu solch einem hohen Fest, um die Gäste gut bewirten zu können. Schon alleine das Erlebnis, wenn man sich Sprudelwasser ins Glas eingoss! Trank man nun einen Schluck, war die Kohlensäure so stark, dass sie einem richtig in der Nase kitzelte. Deshalb wurde dieses Wasser auch von verschiedenen Kindern „Kitzelwasser" genannt. Wein boten wir unseren erwachsenen Gästen natürlich auch an. Den hatten wir immer im Keller gelagert, weil wir Verwandte an der Mosel hatten. Bier gab es damals noch nicht im Geschäft zu kaufen. Hatten die Männer außerhalb der Kirmes, bei der man auch Bier für die Gäste anbot, einmal Durst auf dieses gebraute Getränk, gingen sie sonntags nach dem Hochamt zum Frühschoppen in die Wirtschaft. Jeder Kirmesgast gab den Kindern der Gastgeber dann Kirmesgeld, das war so üblich. Auch von den Eltern bekamen wir Kirmesgeld. Erhielt man von jedem 50 Pfennige, so war man glücklich und fühlte sich reich. Am frühen Nachmittag fand eine Andacht statt, an der wir teilnahmen. Nach der Andacht war es Brauch, dass Kinder den Patenonkel besuchten, wenn er im gleichen Dorf oder Kirmesort wohnte. So ging ich zu meinem Patenonkel, der mir ebenfalls Kirmesgeld schenkte. Als ich noch ganz klein war, hatte ich meinen Eltern, die abends zur Kirmes gingen, gesagt, wenn sie so ein kleines Bärchen an der Schießbude sehen, sollen sie es mir bitte mitbringen. Ich war als kleines Kind von diesem Plüschtierchen sehr entzückt, war aber noch zu jung, um selbst etwas zu schießen. Mein Vater konnte zwar nicht gut schießen, aber er zahlte die Schüsse und bat seinen Schwager den kleinen Bären herunterzuschießen. Das gelang auch und so brachten mir meine Eltern dieses heiß ersehnte Bärchen von der Kirmes mit. Das Stofftierchen hatte ich dann überall hin mitgenommen, z. B. auch mit zum Kühehüten, bei dem man sich gemeinsam mit anderen Kindern, die auch mit dieser Tätigkeit beauftragt waren, traf. Ich hatte mein Bärchen mit dem kleinen Plastikfläschchen und die Mädchen brachten ihre Puppen mit. So spielten wir vergnügt und ausgiebig.

Auf der Kirmes trieben sich die Kinder gerne an der Spielwarenbude herum, kauften dort selbst etwas ein oder guckten, was andere erwarben.

Einmal gab ich mein ganzes Kirmesgeld für ein Fahrtenmesser mit Lederscheide aus. Ich war „stolz wie Oskar", hatte etwas zum Anfassen fürs Geld. Ich wusste, dass die Pfadfinder solche Messer am Gürtel trugen und wollte ihnen nacheifern. Doch meine Eltern waren ganz und gar nicht damit einverstanden. Es war ein regelrechtes „Komede" daheim (heftige Diskussion). Die Eltern schimpften, denn sie hatten die Befürchtung, dass ich mich damit verletzen könnte. Trotz dieses ersten Dämpfers hatte ich doch noch meine Freude an dem Pfadfindermesser.

Eines Tages gab mir mein Patenonkel kein Kirmesgeld, sondern ging mit mir zur Kirmesbude und sagte: „Dann kaufen wir dir mal was!" Das war mir sogar noch lieber, denn ich wusste gleich, dass er mir etwas noch Tolleres kaufen würde, als er mir an Geld gegeben hätte. Diesmal hatten die Budenbesitzer einen Stopfenrevolver im Angebot. So ein Spielzeug hatte ich vorher noch nie gesehen. Es war ein kleiner Revolver in der Größe von ca. 20 Zentimetern. Vorne in den Lauf der Pistole wurde ein Knallstopfen hineingedrückt. Durch Betätigen des Abzugs schoss ein Nagel im Inneren des Revolvers hervor, der durch den Lauf führte und den Stopfen vorne am Lauf traf. Dadurch wurde ein Knalleffekt hervorgerufen und es hörte sich so an, als ob scharf geschossen würde. Die Knallstopfen, die als Munition dienten, musste man separat erwerben. Es befanden sich 15 oder 20 Knallstopfen in einem kleinen Pappkarton, die in Sägespänen lagen und am Karton angeklebt waren, damit sie nicht in Berührung miteinander kamen und somit nichts passierte. Die Munition bestand aus einem hohlen Korken, der mit Pulver befüllt war und oben mit einem Papierchen beklebt war. Man konnte die Munition später in jedem Spielwarenladen nachkaufen. So eine Kinder-Pistole hätten mir meine Eltern niemals erlaubt. Sie hätten nicht einmal zugelassen, dass ich mir diese selbst gekauft hätte, nicht einmal von meinem eigenen Kirmesgeld. Doch jetzt hatte ich die freie Auswahl, weil mir mein Patenonkel etwas kaufen wollte. Mein Patenonkel fragte mich: „Watt willste denn haben? Dann gucken mer mal, batt et hei so jett. Watt haben mer dann hei? Dann gucken mer mal. Guck dich nur um!" (= „Was möchtest du denn haben? Dann schauen wir einmal, was es hier so gibt. Was haben wir denn hier? Dann gucken wir einmal. Schau dich nur um!") Ich wusste ja schon was ich wollte, denn ich hatte mir insgeheim bereits die Stopfenpistole ausgesucht. „Meinste datt wär datt Richtige?" (= „Meinst du das wäre das Richtige?"), fragte mein Patenonkel mich. „Ja, da würde ich mich drüber freuen", antworte ich voller Hoffnung. Dann hat er mir diese Pistole mitsamt Munition gekauft. So etwas vergisst man sein Leben lang nicht. Ich ging froh und glücklich über so ein schönes Geschenk heim. Dort wurde ich gefragt, was ich denn bekommen hätte und zeigte die Pistole. Meine Eltern waren wenig begeistert. Zum einen hatten sie Sorge, dass damit ein Unfall geschah und ich als Kind verletzt würde, zum anderen lehnte mein Vater die Schießerei durch seine Erfahrungen als Soldat im 2. Weltkrieg ab. Somit war er nicht gerade glücklich, dass die Jugend nun, wenn auch nur spielerisch, mit dem Schießen begann. Weil wir auf einem Bauernhof lebten, empfanden sie die Knallerei auch nicht als das Richtige, da jedes Haustier dabei erschrickt und jedes Pferd scheut. Aber was sollten sie machen? Sie konnten mich ja nicht wieder zurückschicken, um „das Ding" wieder zurückzugeben, da man bei der Kirmes sowieso nichts umtauschen konnte und außerdem hatte es mir ja mein Patenonkel gekauft. Mit der Pistole haben wir Kinder später viel „Räuber und Gendarm" gespielt und uns toll amüsiert. Es war ein Geschenk, das genau ins Schwarze getroffen und mir viel Freude bereitet hatte. Dann gab es zuhause eine gewaltige Kaffeetafel. Die schönsten und feinsten Kuchen kamen auf den Tisch, darunter musste natürlich auch eine Buttercremetorte sein. Selbstverständlich wurde dazu echter Bohnenkaffee getrunken, auch wenn es sonst tagtäglich nur zu Muckefuck reichte. Die Leute hatten früher viel Arbeit in der Landwirtschaft, doch gaben sie sich trotzdem sehr viel Mühe mit der Gestaltung des Kirchweihfestes und waren mit viel Enthusiasmus dabei.

Nach dem Kaffeetrinken ging es nun zum 3. Mal für diesen Tag in den 2 km entfernten Nachbarort. Die ganze Lauferei machte mir als Kind überhaupt nichts aus. Im Gegenteil, man war mit Begeisterung dabei. Jetzt widmete ich mich so richtig dem Rummelplatz, wo ich mich mit meinen Kameraden traf. Es war eine Schiffschaukel aufgebaut, eine Schießbude und wie schon erwähnt eine Spielwarenbude. Als Kind bin ich gerne und häufig Schiffschaukel gefahren. Dieses Fahrgeschäft war sehr beliebt. Wenn man auf der Schiffschaukel fuhr und eine Runde beendet war, sprangen die anderen Kinder manchmal sogar von beiden Seiten in die Schaukel und hielten sich hartnäckig an den Stangen fest, weil sie so begierig aufs Schiffschaukeln waren. Jeder wollte als Erstes fahren. War man noch am Schaukeln, gab man den anderen Kindern, die warteten, schon Zeichen, wie viel Runden man noch fahren wollte, indem man einen Finger nach oben hielt und „Eine noch!" rief. Eine ganze Kinderschar stand um die Schiffschaukel und guckte beim Fahren zu, während gewartet wurde. Die Schiffschaukel war eine Sensation. War eine Runde beendet, zogen die Schiffschaukelhelfer an einem Eisen, welches eine Bohle am Boden nach oben drückte, so dass die Schaukel auf das nun hoch stehende Holz kratzte und somit abgebremst wurde. Schiffschaukelhelfer war früher ein gering geschätzter Beruf. Damals übten ihn häufig Leute aus, die etwas auf dem Kerbholz hatten und von ihrem Heimatort abgehauen waren. Wollte man jemanden damit necken, dass er nicht so einen korrekten Beruf habe, so sagte man scherzhaft zu ihm: „Dann bist du sicher Schiffschaukelbremser!" Zu dieser Zeit hielten die Schiffschaukelhelfer auch das Fahrgeld ab. Bons oder Chips gab es noch nicht. Ich habe schon von Fahrgeschäfthelfern auf größeren Volksfesten gehört, die einen Ring am Finger trugen, an dem auf der Handinnenseite eine

Münze angeschweißt war. Zählten sie dann das Wechselgeld in ihrer Hand vor, berechneten sie auch das angelötete Geldstück in ihrer Hand mit, schütteten dann die Münzen in die Hand eines Kindes, das sie in seinem Portemonnaie verstaute. Am Ende fehlte dann das eine Geldstück, welches am Fingerring angeschweißt geblieben war. Damit bereicherten sich solche Helfer zu Unrecht. Als die Betreiber der Fahrgeschäfte das bemerkten, führten sie Kassenhäuschen ein, wo man nun Bons erwarb, die man dem Helfer vor der Fahrt übergab.

Als ich alt genug war, um selbst an der Bude schießen zu können, war das meine Leidenschaft. Ab da habe ich fast mein ganzes Geld verschossen. Das machte soviel Spaß, weil ich auch Erfolg dabei hatte und gut traf. Es wurde auf Porzellanhülsen geschossen, in denen je eine Plastikrose oder ein Mini-Schraubenzieher steckte. Bei mehreren Treffern gab es auch Bierkrüge. Die Artikel, die es in der Schießbude gab, konnte man sonst nicht in den bekannten Läden erwerben. Es waren besondere Waren, die man ansonsten nicht sah. Die Betreiber der Schießbude waren sehr großzügig, denn wenn man eine Porzellanhülse nur teilweise abgeschossen hatte, überreichten sie einem den Gewinn. Das bewirkte einen ungeheuren Anreiz und man investierte erneut sein Geld in mehrere Schüsse.

Unsere Kirmes war auch Anziehungspunkt für alle weiteren Nachbardörfer. Die Kinder dieser Nachbarorte kamen ebenfalls zu Fuß zu unserer Kirmes, um ihre Groschen hier auszugeben. Ebenso marschierten auch wir im Gegenzug zu deren Kirmes. Sonntags um 16 Uhr fing die „Musik" an. Das bedeutete, das Festzelt wurde für die Erwachsenen geöffnet und Tanzmusik aufgespielt. (Samstags gab es damals noch keine Tanzveranstaltungen, weil alle noch voll arbeiteten und abends müde waren.) Wir Kinder durften nicht ins Festzelt hineingehen, waren aber neugierig und stellten uns vorne an den Eingang, um mal hineinzublinzeln. Der Zeltsaal war so voll, dass man sich es heute kaum mehr vorstellen kann. Die Landleute besaßen wenig Bargeld, trotzdem gönnten sich alle dieses Vergnügen. Man sah nur Alkoholisches auf den Tischen stehen, im ganzen Zelt vielleicht ein einziges Mineralwasser, denn wer damals in der Öffentlichkeit Sprudelwasser trank, war krank. Die jungen Frauen führten am Nachmittag im Festzelt ihre neuen Kleider vor, die sie nach dem Abendessen wechselten, um ihr zweites Kirmeskleid zu präsentieren. Männer waren wie jeden Sonntag in Anzügen gekleidet. Niemand kam in Jeans. Als die Erwachsenen uns Kinder am Eingang bemerkten, schickten sie uns fort, doch wir gingen nach einer gewissen Zeit wieder zurück und „spink-sten" (= guckten) erneut. Gegen Abend hatte man vielleicht noch 5 Pfennige in der Tasche und kaufte sich zum Schluss noch eine Lakritzstange. Eiswäffel-chen kosteten ebenfalls 5 Pfennige. Mädchen erwarben auch gerne Nuckelplastikfläschchen mit Liebesperlen als Inhalt. Damit konnten sie auch später noch spielen und ihre Puppenbabys füttern. Auch ein kleines zylinderförmiges Behältnis mit Flüssigkeit, damit wir buntschimmernde Seifenblasen selbst erzeugen konnten, kauften wir Kinder gerne ein. Es gab Wundertüten für 10 Pfennige. Darin enthalten waren beispielsweise bunte Popcornkügelchen, für Mädchen einen Ring, ein Armbändchen oder Kettchen. Jungen freuten sich mehr über eine Gipspfeife, einen Würfel, einen Radiergummi, einen Spitzer, eine Anstecknadel, kurze Wachsmalstifte oder kleine Mini-Gipsfigürchen. Voller Vorfreude zog man die Wundertüten aus einem Karton und fühlte die Verpackung mit den Fingern ab, überlegte was darin stecken könnte und wog mit der Hand ab wie schwer es war, ehe man sich entschied, welche Tüte man kaufte. Abends ging ich glücklich nach Hause. Wir Kinder besaßen gar keine Uhr, trotzdem schafften wir es in der Regel pünktlich zu den Essenszeiten. Die Stunden schätzten wir einfach am Stand der Sonne. Dennoch verflog die Zeit bei der Kirmes sehr schnell, denn wenn etwas Spaß macht, vergeht diese viel schneller. Kirmesmontag hatten alle Kinder noch schulfrei und konnten die Kirmes genießen. Doch am Dienstag verabschiedeten sich die Kirmesgäste von uns und die Schiffschaukel sowie die Buden wurden abgebaut. Auch dies beobachteten wir während der Schulpause.

Nachmittags versammelten sich wieder die Meisten hier. Ich hatte mir ebenfalls noch mal die Erlaubnis erbettelt, die Kühe an der Grenzwiese zwischen den beiden Dörfern hüten zu dürfen. Aber diesmal dachte ich daran, das Vieh mehrmals umzupflocken, damit die Tiere satt wurden und ging deshalb zwei Mal vom Kirmesplatz zu unserer Weide hin und her. Der Abbau des Rummelplatzes war wieder eine Attraktion. Wenn man Glück hatte, konnte man hier auch mal ein Geldstück auf dem Boden finden. Viele kleine Metallkügelchen aus der Schießbude lagen herum. Sie waren durch den Holzboden mit den großen Fugen gefallen. Jeder Schuss hatte ein Kügelchen verursacht. Diese lasen wir Kinder nun auf und sammelten sie. Ein jeder brüstete sich damit, mehr gefunden zu haben. Man konnte mit den Kügelchen schön spielen, indem man sie auf einem Tisch rollen ließ.

Ein bisschen Wehmut war dabei, als der Alltag wieder einkehrte und so freuten wir uns schon wieder auf die Kirmes im nächsten Jahr.