Hochzeitsstrauß auf den Friedhof

Dorfhochzeit im Jahre 1936

Hildegard Dümmer, Hillesheim

Beim Durchblättern alter Fotoalben fiel mir das Hochzeitsfoto meiner Eltern aus dem Jahre 1936 in die Hände. Darauf war eine große Menschenmenge zu erkennen, die sich vor dem Haus meiner Großeltern, dem Elternhaus meiner Mutter, der Braut, zu einem Erinnerungsfoto versammelt hatte. Aus ihren Erzählungen weiß ich, dass es 120 geladene Gäste waren. Gefeiert wurde damals natürlich zu Hause. Zu diesem Zweck galt es, viele Vorbereitungen zu treffen. Diverse Zimmer mussten ausgeräumt, Stühle und Tische herangeschafft werden. Meist wurden vorher noch ein Schwein und ein Rind geschlachtet, Brot und Kuchen selbst gebacken, Gemüse und Kartoffeln aus Eigenanbau zubereitet. Man war zu der Zeit zwar Selbstversorger, aber trotzdem auf die Mithilfe von Freunden, Nachbarn und Verwandten angewiesen. Vor einem solchen Fest war dann auch fast das das ganze Dorf auf den Beinen, denn schließlich wollte man später auch mitfeiern.

Der kirchlichen Feier ging meist am Vortag die standesamtliche Trauung voraus. Zwischen beiden Ereignissen sollte nicht zu viel Zeit vergehen, denn vor dem kirchlichen Segen durften die Brautleute keine gemeinsame Wohnung beziehen.

Das war damals noch sehr streng.

Die standesamtliche Trauung wurde in der Familie kaum gefeiert, war aber bei der Dorfjugend besonders beliebt; denn zur „Hillisch", die man heute als Polterabend bezeichnet, versammelten sich die jungen Burschen zum „Schleifen". Dazu wurde ein alter eisenbereifter Ackerwagen herbeigekarrt und umgedreht,

so dass die Räder frei in der Luft hingen. Mit Stöcken, die zwischen die Speichen geschoben wurden, konnte nun das Rad gedreht werden. Die anderen drückten dann alte Sensen auf die Eisenbereifung, um sie zu schleifen und scharf zu machen, ein symbolischer Akt für den Bräutigam. Wenn dabei noch die Funken flogen, war der Jubel groß. Einige machten sich einen Spaß daraus, mit Knüppeln auf alte Töpfe und Blecheimer zu trommeln. Dazu sang man möglichst laut allerlei lustige Volks- und Juxlieder. Aber es wurde kein Porzellan zerschlagen, es wurde nichts zerstört, kein Dreck hinterlassen, trotzdem hatten alle riesigen Spaß. Die kirchliche Trauung fand dann am folgenden Vormittag in der Dorfkirche statt. Diesen Gottesdienst auf den Nachmittag zu verlegen, wäre unmöglich gewesen, denn das Nüchternheitsgebot vor dem Empfang der Eucharistie musste streng eingehalten werden. Zur Hochzeit trug die Braut in der damaligen Zeit ein schwarzes Kleid mit weißem Schleier. Ein weißes Kleid kam nicht infrage, denn es wäre ja nur für diesen einen Tag und deshalb reine Verschwendung gewesen. Das konnte man sich nicht leisten. Ein schwarzes Kleid dagegen war sowohl bei freudigen als auch bei traurigen Anlässen immer tragbar. Erst nach der Währungsreform kamen lange weiße Brautkleider in Mode. Der Bräutigam erschien im festlichen schwarzen Anzug, oft sogar mit Zylinder, der beim Brautvater, je nach Stand und Einkommen sogar Pflicht war.

Nach der Trauung trat dann das Brautpaar vor die Kirche, um die Glückwünsche der draußen Wartenden entgegenzunehmen. Für die Kinder gab es manchmal Süßigkeiten. Reis oder Sonstiges wurde nicht geworfen. Lebensmittel waren zu wertvoll und wurden geachtet und geschätzt; man wusste ja, wie viel Arbeit und Fleiß in diesen steckten. Anschließend zog die Hochzeitsgesellschaft, angeführt von den Dorfmusikanten, zum Haus der Braut, wo ein reichhaltiges Mahl aufgetischt wurde, bei dessen Zubereitung an nichts gespart worden war. Die Tische waren festlich gedeckt, die Platten reichlich bestückt und garniert, das teure Silberbesteck und das wertvolle Porzellan mit Goldrandverzierung war nicht zu schade. Irgendwie wollte man der Verwandtschaft ja auch zeigen, was man besaß. Durch dieses üppige Mahl gesättigt und die genossenen alkoholischen Getränke leicht angeheitert, drängten die jüngeren Gäste nach draußen und formierten sich zu einem Zug. In unserm Ort war es üblich, dass sich das Brautpaar allen Dorfbewohnern zeigte und dabei Kuchen und Schnaps verteilte. Diese Pflichten übernahmen aber stets die Verwandten oder Freunde. Nach dem Spaziergang durchs Dorf, ging es weiter zum Friedhof, um dort der Toten zu gedenken. Hierbei legten häufig die Bräute ihren Blumenstrauß auf das Grab eines besonders geliebten Verstorbenen nieder. Dieser schöne Brauch ist auch heute noch in vielen Familien erhalten.

Weiter zog man dann unter Musikbegleitung mit Gesang ins nahegelegene Dorf, um auch hier ins örtliche Gasthaus einzukehren. Dieser Besuch währte aber nur kurz, denn daheim wartete bereits eine reichlich mit Streuselfladen, Kuchen, Obst- und Cremetorten voll beladene Kaffeetafel. Nach dem Genuss all dieser Köstlichkeiten war nun endlich Zeit für die Brautleute und die auswärtigen Gäste zum Plaudern und Erzählen. Hierbei wurden oft die Geschenke ausgepackt und besichtigt, die heutigen Ansprüchen gegenüber eher spärlich ausfielen und hauptsächlich aus praktischen Alltagsdingen für Haus und Hof bestanden. Man war damals doch recht bescheiden. Auf die einheimischen Gäste und Verwandten kamen jetzt andere Aufgaben und Pflichten in Küche und Stall zu. Das Abendessen musste zubereitet werden, das Vieh gefüttert, die Kühe gemolken werden, damals noch alles in mühevoller Handarbeit.

Nach dem Abendessen trafen sich dann alle wieder bei Musik, Tanz und Gesang im dörflichen Feuerwehrsaal, wozu sich neben den geladenen Gästen auch die Dorfjugend gesellte. Hierbei wurde auch so manche zarte Bande geknüpft, eine gute Möglichkeit des Kennenlernens. Weitere Möglichkeiten waren der jährliche Kirmestanz in den Nachbardörfern, der Hillesheimer Markt oder die dortige Landwirtschaftsschule mit angegliederter Hauswirtschaftsabteilung. Besonders beliebt war das Abschlussfest, das im Volksmund als „Knollenball" bezeichnet wurde und als „Part-nerschaftsvermittungsveranstaltung" recht begehrt war.

Heute sind durch die Mobilität mit Fahrzeugen aller Art, Besuch von Schulen und Berufstätigkeit, auch im Ausland, die zahlreichen Events hier und dort und noch vieles mehr die Möglichkeiten zur Begegnung mit dem jeweils anderen Geschlecht vielfältiger geworden. Ob die menschlichen Beziehungen aber dadurch intensiver geworden sind, darf hinterfragt werden.