Bräuche vergehen -Bräuche kommen!

Werner Schönhofen, Leutesdorf

Unsere Eifelheimat ist reich an Brauchtum, das die Menschen früherer Zeiten das ganze Jahr und auch das ganze Leben lang begleitete. Viele Bräuche sind mittlerweile verschwunden. In einer rasch sich verändernden Welt hatten sie wohl ihren Sinn verloren. Ihnen nachzugehen ist sicherlich für den historisch-volkskundlich Interessierten erstrebenswert. Andere Bräuche treten verstärkt auf, dazu zählt zum Beispiel vielerorts recht junges Brauchtum um den Martinstag, das Sternsingen und das Fastnachtsfeiern. Mit einer stärkeren Durchmischung ursprünglich konfessionell geschlossener Siedlungsgebiete, hat Brauchtum aus katholischen Gebieten auch Eingang gefunden in mehrheitlich evangelisches Siedlungsgebiet und umgekehrt. Wieder andere Bräuche sind für unsere Heimat ziemlich neu. Dazu zählen zum Beispiel der Muttertag, der Vatertag und der Valentinstag. Sie haben wohl unter amerikanischem Einfluss und von starken kommerziellen Interessen begleitet bei uns Eingang gefunden.

Als erster dieser Tage finden wir den Valentinstag am 14. Februar im Kalender. Einer Legende nach erfreute der Priester Valentin im 3. Jahrhundert nach Christus junge Paare in Rom mit bunten Blumensträußen aus seinem Klostergarten. Trotz kaiserlichen Verbotes führte Valentin kirchliche Eheschließungen durch. Auch soll er den römischen Männern geraten haben, lieber bei ihren Frauen zu bleiben, als in den Krieg zu ziehen. Eine solche „Wehrkraftzersetzung" konnte Kaiser Claudius nicht durchgehen lassen; so starb Valentin am 14. Februar des Jahres 269 als Märtyrer. Sein Todestag, verbunden mit einem Blumengruß, gilt schon seit 600 Jahren in England als Tag der Liebenden. Über den Umweg Amerika kam dieses Brauchtum nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland; hier erinnern Blumenläden jedes Jahr - sicher nicht uneigennützig und umsatzsteigernd - an dieses Brauchtum. Der am zweiten Maisonntag gefeierte Muttertag wurde in den 1920-er Jahren in den USA erstmals begangen. Er hat sich heute fest in unserem Brauchtum integriert. Auch wenn er eine starke kommerzielle Ausrichtung hat, braucht man doch über seinen Sinn nicht zu diskutieren.

Anders verhält es sich da mit dem Vatertag, für den man den Feiertag Christi Himmelfahrt ausgesucht hat. Hier ist das kommerzielle Ziel nur allzu sehr greifbar. Bei grölenden alkoholisierten Männertrupps handelt es sich dabei auch oft gar nicht um Familienväter, die den Tag eher zu einem Familienausflug nutzen. Einen christlichen Feiertag so zu missbrauchen, sollte auch in einer nachchristlichen Gesellschaft tabu sein. Es ist jedoch eine Umwandlung feststellbar: Aus dem proklamierten Vatertag entwickelt sich anscheinend ein Familien-Feiertag!

Zu den für unsere Heimat neuen Bräuchen zählt auch das Aufhängen von Babysachen, entsprechender Verse und eines Storches, wenn ein neuer Erdenbürger sich sein irdisches Haus ausgewählt hat.

Einer Hochzeit geht erst einmal der Polterabend voraus. Das alte ländliche Brauchtum des Hil-lichschleifens hat sich in einer verstädterten Umwelt gründlich gewandelt. Wo einst Porzellan zerschlagen wurde und Scherben für Glück sorgen sollten, werden heute Papierschnipsel und anderer Unrat nicht von allen Brautpaaren hingenommen. Hier kann man - bei einer ansonsten sich umweltbewusst gebenden Generation - von einer Fehlhaltung und Fehlentwicklung von Brauchtum sprechen. Viele junge Paare, die zu einem Polterabend-Umtrunk einladen, verbieten sich diese „Bescherung" denn auch bereits im Einladungstext.