Von Vulkanen zu Vulkanen

Karin Kukahn, geb. Thelen, San José, Costa Rica

Endlich war für uns Kinder der erste Ferientag da. Der Sommer mit seinen heißen, sonnigen Tagen würde die endlos langen Schultage ablösen. Auch mein Vater hatte Urlaub bekommen. Keine Frage, die Sommerferien meiner Kindheit bedeuteten: Auf nach Gerolstein! Wir hatten unser erstes Auto bekommen, einen anthrazitfarbenen VW-Käfer. Das war damals in den 60er Jahren eine richtige Errungenschaft und bedeutete vor allem die Möglichkeit, gemeinsam in die Heimat meines Vaters zu fahren. Wir wohnten damals in Bonn, wo mein Vater arbeitete. Ich erinnere mich gut an die als lang empfundene Fahrt in die Eifel, die über die kurvenreichen Landsträßchen, entlang der verschlafenen Dörfer und lebhaften Städtchen durch die schöne Landschaft führte. In der Zeit lebte noch unser Opa, und in den Ferien trafen wir uns in der Dellstrasse mit den Tanten und Cousinen, die wir das ganze Jahr nicht gesehen hatten. Neben den Besuchen auf der Löwenburg, der Munterley und einem Spaziergang zur Büschkapelle, waren jedoch diejenigen Tage ein Höhepunkt, die wir an den Maaren verbracht haben. Ich war als Kind tief beeindruckt von der Vorstellung, dass vor langer Zeit diese riesigen Krater aus dem Erdinneren ihre Gesteine ausgespuckt hatten. Da konnte es einer Kinderfantasie leicht mulmig werden.

Jetzt aber waren es für uns friedliche Seen, die zum baden einluden. So verbrachten wir die warmen Tage am Rande der Maare, gestärkt durch Butterbrote und Gerolsteiner Sprudel, den wir eigenhändig am Morgen an der Sprudelfabrik in einen großen Ton-Bembel abgefüllt hatten. Wer hätte gedacht, dass ich den Vulkanen treu bleiben würde! Viele Jahre später, nach Studium und Arbeit in Deutschland, zog ich mit meinem Mann nach Costa Rica in Zentralamerika, wo wir nun schon seit 30 Jahren leben. Das Schicksal wollte es, dass wir gleich zu Beginn und während vieler Jahre am Hang des 2700 Meter hohen Vulkan Poäs leben würden. Dort sind viele Ortschaften angesiedelt, obwohl der Vulkan bis heute noch aktiv sein kann. Schon während zweier Episoden haben wir selbst miterlebt, wie während mehrerer Monate Schwefelgas ausgespuckt wurde, welches die Landwirtschaft zeitweilig sehr schädigte. Auf den sanft abfallenden Hängen, die bedeckt sind mit sehr fruchtbarer, schwarzer Erde, die eher wie gekaufte Blumenerde aussieht, schmiegen sich die Kaffeeplantagen, Erdbeerfelder und Blumengewächshäuser der gewundenen Landschaft an. In Costa Rica gibt es über 100 Vulkane, von denen derzeitig noch 5 aktiv sind, dazu gehört der Vulkan Poäs. Selbstverständlich wurde von uns bei jeder Gelegenheit und mit jedem Besuch der riesige Krater vom Vulkan besichtigt, der inmitten eines 5600 Hektar großen Nationalparks liegt. Auch meine Eltern bestaunten während eines Aufenthalts in Costa Rica mit uns gemeinsam den wirklich eindrucksvollen Krater, der mit 1,7 Kilometern Durchmessern und 300 Metern Tiefe als größter aktiver Geiser -Vulkankrater der Welt gilt. Jedoch der erloschene ehemalige Krater, der einige hundert Meter davon entfernt liegt, ist friedlich mit einem dunklen, tiefen See gefüllt, der mich immer an die Eifeler Maare erinnert. Auf unzähligen Gemälden habe ich die schönen Landschaften Costa Ricas festgehalten, denn ich konnte mir hier meinen Lebenstraum erfüllen und Kunstmalerin werden.

Schon bei den kleinen Ei-felwanderungen meiner Kindheit, bei denen wir durch Ginster übersäte Weiten liefen und dabei urzeitliche Meeresversteinerungen aufspürten, wurde mir meines Vaters Leidenschaft fürs Wandern vererbt. Auch mit dem hiesigen Wanderverein habe ich schon zahlreiche Wanderungen durch die sehr unterschiedlichen Landschaften Costa Ricas gemacht. Dabei geht es mal durch feuchttropischen Regenwald, mal durch die heiße Savanne voller Rinderherden, mal steil rauf auf die verschiedenen Vulkane oder auch ans Meer mit seinen herrlichen, leeren Sandstränden. Bei diesen Gelegenheiten finde ich die Inspiration und Motive zu meinen Landschaftsgemälden, die ich in bisher über 40 Ausstellungen zeigen konnte.

Auch wenn hier der neue Zeitgeist, vor allem bei der Jugend, schon längst leise hereingeschlüpft ist, sind die Menschen in Costa Rica noch immer sehr traditionsbewusst und auch sehr herzlich. Der christliche Glaube ist hier, wie in Lateinamerika allgemein, sehr lebendig und wird gelebt. Wenn ich an der alljährlichen Wallfahrt nach Cartago zur Schutzpatronin des Landes „Virgen de los Angeles" teilnehme, die 2 Millionen Menschen anzieht, denke ich immer an die regelmäßigen Besuche meines Vaters und Großvaters zu der besinnlichen und friedlichen Gerolsteiner Büschkapelle.