Pitt Kreuzberg -Leben und Nachleben

Hartmut Flothmann, Schalkenmehren

Pitt Kreuzberg ließ sich gerne als „Maler der Eifel" titulieren. Dabei durchlebte er in Schalkenmehren im gesellschaftlichen Sinne alle politischen Systeme, die Deutschland in den 53 Jahren seines Schalkenmehren-Aufenthaltes geprägt haben. Zu Lebzeiten in sehr bescheidenen Verhältnissen lebend, profitieren die Sammler seiner Bilder vom Nachruhm des Künstlers.

Schalkenmehren wird Wahlheimat

Der am 30.5.1888 in Ahrweiler geborene Pitt Kreuzberg lebte und wirkte in seiner Wahlheimat Schalkenmehren von 1913 bis zu seinem Tode 1966. Studienaufenthalte in den Großstädten Düsseldorf und München gingen seiner Zeit in Schalkenmehren voraus, brachten seiner Künstlernatur aber nicht die erwünschte Inspiration.

Pitt Kreuzberg gehörte einer Generation an, die noch dem Kaiser autoritätsgläubig ergeben war. Aufgewachsen im Umkreis seiner gutbürgerlichen Herkunftsfamilie, stieß er mit seinem Wunsch, sich als Maler durchs Leben zu schlagen, auf Widerstände. Aufenthalte mit seinem Vater Leopold Kreuzberg in der Eifel manifestierten seine persönliche Natursehnsucht und führten zur Stadtflucht. So entschloss er sich im Alter von 25 Jahren, mit Ehefrau Helene Gertrude geb. Boosen und Sohn Claus nach Schalkenmehren zu ziehen. Er entschied sich für das Hotel Schneider am Maar aufgrund verwandtschaftlicher Bindungen der Hotel-Chefin mit seiner Frau und erhielt den Tanzsaal als Wohnraum und Atelier. Nun war es ihm möglich, alle Jahreszeiten am Schalkenmehrener Maar hautnah zu erleben und nach Herzenslust zu malen.

Die Teilnahme am 1. Weltkrieg bildete für ihn eine schlimme Zäsur. Von den kriegsbedingten Krankheitsfolgen erholte er sich letztlich nur langsam. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg war bald Familiennachwuchs angesagt durch die Geburt der Tochter Theodora gen. Theo im Jahr 1919.

Kreuzberg - ein Sonderling?

Dieser Begriff war kein ungewöhnliches Attribut für jemanden, der nicht wie jedermann im Dorf körperlich hart arbeiten musste, um sein Brot zu verdienen. So gesehen, passte er nicht ins bäuerliche Ortsbild. Seine Befindlichkeit im Dorf war ambivalent. Zeitzeugen berichten, dass er sich sowohl kontaktfreudig als auch verschlossen zeigen konnte. Aus Briefen wird deutlich, dass Pitt dennoch kein einsamer Mann war. Er hatte einige Freunde und Bekannte in den umliegenden Dörfern und Städten. Nach und nach fand er auch in Schalkenmehren zunehmend mehr Rückhalt. Einzelne Dorfbewohner waren ihm besonders wohlgesonnen und versorgten ihn u.a. unentgeltlich mit Brennholz. Auch zu den Anglern am Maarufer stand er auf freundschaftlichem Fuß. Seine eilig hingeworfenen Skizzen schmückten die Zeltwände bei ihren Anglerfesten. Zum Maarsee hatte er eine enge Beziehung. Sogar im Winter, bei geschlossener Eisdecke, ließ er sich durch ein Loch in das eiskalte Wasser gleiten.

Pitt Kreuzberg und Anna Lehnert

Pitt war mit Anna Lehnert, der Initiatorin und Leiterin der Heimweberei-Genossenschaft Schalkenmehren, in kunstsinniger Weise verbunden. Anna Lehnerts Wohnstube in der Bäckerei Lenerz wurde von Pitt ausgemalt und gestaltet. Er trug Malerkittel und Winterkleidung aus Webstoffen der Heimweberei. Als Designer entwarf er Muster für die Arbeiten am Webstuhl. Auf der Freilichtbühne am Schalkenmehrener Maar studierte Kreuzberg gemeinsam mit Anna Lehnert und einer dörflichen Spielgruppe das Stück „Eva" von L. Nüdling ein. Ebenso verband ihn eine innige Freundschaft mit Fritz Haupenthal, dem Geschäftsführer der HeimwebereiGenossenschaft, und mit Pfarrer Nikolaus Schäfer. Aufgrund ihres weißen Haarschopfes auch die drei „Eisheiligen" genannt, wanderten sie gemeinsam durch die Gemarkung Schalkenmehren.

Pitts Haus, Garten und Nachbarin Schmer-Ann

Mit der Errichtung des Hauses von Pitt Kreuzberg 1930 im heutigen Pitt-Kreuzberg-Weg stand dem Künstler nun ein Atelier zur Verfügung, das ihn mit dem Schalkenmehrener Maar fast mystisch verband. An seinem Atelierfenster stehend, entstanden seine eindrucksvollen Maar-Ansichten zu jeder Tageszeit und bei jedwedem Wetter.

Seine Nachbarin war Schmer-Ann (1863 -1945), die „Frau vom Schalkenmehrener Maar". Mit Pitt Kreuzberg verband SchmerAnn, die in ärmlichen Verhältnissen mit zwei bis drei Ziegen in ihrem einfachen, niedrigen Häuschen lebte, zeitlebens eine Freundschaft. Beide kümmerten sich um ihren Hausgarten. Aber während Schmer-Ann gepflegte Blumenrabatte anlegte, unterhielt Pitt Kreuzberg einen typischen Wildkräutergarten. Er war ein intensiver Naturbeobachter und liebte es vor allem, dort seine Schüler Christel Schneider (Daun), Peter Otten (Mehren) u.a. zu unterrichten. Es lag nahe, dass Pitt Kreuzberg auch das kleine Nachbarhaus mit Garten verschiedentlich als Motiv erkor. So mit dem Aquarell „Haus und Garten" von 1929. Nach dem Tod von Schmer-Ann 1945 übernahm Pitt Kreuzberg das bescheidene

Haus und Garten von Schmer-Ann, 1929 Anwesen, das über 150 Jahre alt gewesen sein dürfte. Es wird angenommen, dass er daraus ein „Museum mit Eintritt" machen wollte, aber diese Idee wurde nicht verwirklicht. Mit dem Tod von Pitt Kreuzberg 1966 gelangte das Häuschen in die Hände seiner Kinder und wurde schließlich an einen Bildhauer verkauft, der es fantasievoll restaurierte und damit heute noch die Spaziergänger am Maar erfreut. In der Zeit der Nazi-Herrschaft bot er der Zensurbehörde wenig Angriffsfläche und blieb ohne Berufs- und Ausstellungsverbot, da in diesen Jahren vornehmlich seine außerordentlichen Landschaftsbilder entstanden. Ein besonderes Merkmal sind die übergroßen Disteln bzw. Königskerzen, die den Vordergrund beherrschen und weit über die Bildmitte in die Landschaft hineinragen, gemalt aus der Froschperspektive. Man hat beobachtet, dass er sich in Böschungen hineingeduckt hat, um Blumen und Pflanzen auch von der Unterseite her zu betrachten.

Kreuzberg und die Moderne

Pitt befasste sich nicht experimentell mit den neuen Stilrichtungen der Malerei der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man erkennt in seinen Bildern nur ansatzweise Anklänge von Impressionismus, Jugendstil, Kubismus, Symbolismus und Expressionismus. Seine Bilder zeigen Nähe und Verbundenheit der Menschen mit Natur und Landschaft, Flora und Fauna. Herrlich die natürliche Schönheit seiner Landschaftsbilder mit übergroßen Wildpflanzen, darüber gespannt der sog. Kreuzberg-Himmel.

Selbstbildnis Pitt Kreuzberg, 1949

Zeit seines Lebens malte er auch Portraits, Interieurs und Stillleben sowie religiöse Bilder, in denen er sich mit der Schöpfung auseinander setzte. Man kann vielleicht sagen, die Aussagen seiner Werke schwankten zwischen Heiterkeit und abgrundtiefer Verlassenheit. Obwohl er nach der Firmung seiner Tochter Theodora 1929 nie wieder die Kirche betrat, war er zeitlebens von Religiosität geprägt. In Gesprächen mit jungen Menschen hielt er sie an, am Glauben fest zu halten. Auch gesellschaftliche Umstände wie Armut und Zeitgeist, Umweltschutz und atomare Bedrohung wirkten sich unmittelbar auf seine Motive und Malweisen aus. Kreuzbergs stilistische Vielseitigkeit, Eigenarten und Besonderheiten spiegeln sich insbesondere in großformatigen Bildern in Öl und Tempera wider.

Pitt Kreuzbergs Malerfreunde

Insbesondere zählen dazu Gert Wollheim (Düsseldorf), der Deutschland 1933 verlassen musste, Erwin Wendt (Düsseldorf), der in die Eifel kam, um mit Kreuzberg zu malen, Curtius Schulten (Blankenheim), der von der Eifelland-schaft ebenfalls fasziniert war, und der Bildhauer Hanns Scherl (Wittlich), mit Pitt in Freundschaft verbunden. Scherl hat von Pitt Kreuzberg auch ein bemerkenswertes Portrait angefertigt, das jüngst auf der Scherl-Ausstellung in Wittlich zu sehen war. In den Augen von Tochter Marianne Scherl war Pitt Kreuzberg eine große Künstlerpersönlichkeit, der keine Auftragsarbeiten annahm. Auf oberflächliche Kontakte legte Pitt keinen Wert. Mit Herz und Verstand konnte man ihm jedoch näher kommen, wie Freunde berichten.

Schon zu Lebzeiten war Pitt Kreuzberg auf wichtigen Ausstellungen (Trier, Koblenz u.a.) vertreten. Seine Ortsgemeinde Schalkenmehren ehrte ihn mit Ausstellungen im Heimwebereimuseum in den Jahren 1995 „Bilder aus Schalkenmehren" aus der Sammlung der Gebrüder Rau, 1996 „Religiöse Bilder" und 2006 „Pitt Kreuzberg - Menschenbilder". Er gehörte den Künstlervereinigungen im Rheinland „Junges Rheinland" und „Rheinische Sezession" an sowie der „Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler Rheinland-Pfalz". Bildankäufe erfolgten u.a. durch den Landtag und das Kultusministerium Rheinland-Pfalz.

Grabstätte Pitt Kreuzberg auf dem Weinfelder Friedhof

Tod, Ehrengrab und Ehrungen

Am 21.2.1966 starb Pitt Kreuzberg in Bad Honnef, im Hause seiner Tochter Theodora. Begraben wurde er am 25.2.1966 auf dem Friedhof am Totenmaar. Landrat Martin Urbanus sprach auch im Namen des Eifelvereins Lob- und Dankesworte für den Verstorbenen. Abschiedsworte sprachen auch Curtius Schulten und Hanns Scherl, der den Grabstein für Pitt Kreuzberg künstlerisch gestaltete. Der Gemeinderat Schalkenmehren hat im Jahr 2007 das Grab Kreuzbergs zur Ehrengrabstätte ernannt. Bereits 1973 hat die Ortsgemeinde Schalkenmehren ihren heimischen Künstler geehrt, indem sie die Straßen „Pitt-Kreuzberg-Weg" und „Im Pitzegarten" nach dem Künstler benannte.

Die Pitt-Kreuzberg-Galerie

Seit 2006 gehört die Pitt-Kreuzberg-Galerie der Gebrüder Rau zu den besonderen Anziehungspunkten in Schalkenmehren. Die größte Privatsammlung, in der 70 Werke aus den Jahren 1906 bis 1965 ausgestellt werden, lockt viele neugierige Besucher an. Dem alten, ehemaligen Stallgebäude aus Lavakrotzen in der Udler Straße, in dem die Bilder auf zwei Ebenen präsentiert werden, sieht man seinen wertvollen Inhalt nicht an. Die mit Liebe und Sachkenntnis zusammengestellte Kunstausstellung wirkt absolut repräsentativ und gewichtig. Der Autor bietet als Kulturwart des Eifelvereins Schalkenmehren Führungen mit unterschiedlicher Themenstellung an. Ebenso unternimmt er unterschiedliche Themenwanderungen „Auf den Spuren von Pitt Kreuzberg", die hinführen zu den Lebens- und Wirkungsstätten des Malers bis hin zu Kreuzbergs Ehrengrabstätte auf dem Weinfelder Friedhof. Durch diese, als auch durch Führungen durch die ständige Ausstellung der Gebrüder Rau, wächst der Kreis der Sammler, Kenner und Kunstfreunde stetig weiter und der Bekanntheitsgrad des Malers nimmt in der Kunstszene zu.

Resümee

Mit seinem künstlerischen Gesamtwerk hinterließ Kreuzberg nachhaltig Spuren in seiner Wahlheimat Schalkenmehren. Wir lernen aus der Arbeit des vielseitigen Künstlers, dass er sich auch als Naturliebhaber und Landschaftsschützer schon früh einen Namen gemacht hat. Seine hin-terlassenen Spuren im Dorf bieten im Sinne eines regional fundierten Kultur-Tourismus hervorragende Möglichkeiten, eine Kulturroute Pitt Kreuzberg für kunstsinnige Wanderer zu etablieren.