Die „Fußfäll" von Basberg

Rainer Rothstein, Brühl

Basberg beging im Jahr 2012 seine 750-Jahr-Feier. Ein Stück Dorftradition aus einem der kleinsten Orte des Landes Rheinland-Pfalz ist die Brauchbeschreibung der „Sieben Fußfälle", wie sie 1952 Lehrer Josef Jakob in einem Zeitungsartikel veröffentlichte: „Da mag ein Fremder sicher erstaunt denken: Eine seltsame Prozession, die an einem klaren Frühlingstag am Hange hinaufzieht. Seltsam ist sie wohl; schon darum, weil vorne auf der Älteste geht, der seine dreizehn Jahre gerade voll hat. Seltsam, weil am Ende die Jüngste betet, die eben sieben Jahre alt ist. Und vierzehn Kinder sind es nur; die ganze Schule. Niemand ist dabei, der „aufpasst" und sie führt.

In der Frühe hatten Sie darum gefragt, ob nicht der Unterricht am Nachmittag ausfallen könne. Mir war es zunächst rätselhaft, da doch die Flötenstunde gerne besucht wird. Meine stumme Frage mögen sie verstanden haben. Auf ihre Erklärung, ich wüsste doch, dass „Kirchen Tant" tot sei, habe ich vielleicht noch verständnisloser geschaut. Sofort begann Hans, der Älteste:

„Wenn hier jemand gestorben ist im Dorf, dann gehen wir Kinder alle nach Auel beten für den Verstorbenen. An sieben Kreuzen halten wir, beten dort und gehen in Auel zur Kirche. Auch auf dem Rückweg wird gebetet. Wenn wir wieder im Ort sind, machen wir wieder Halt am Sterbehaus und beten auch dort noch einige Vaterunser. Früher sind die Kinder gegangen, wenn jemand schwerkrank war. Manchmal bekamen sie am Sterbehaus auch noch einen „Gebets-schmeer". Heute wollen wir gehen." Meine Frage „Allein?", hat ihnen bestimmt nicht gefallen. „Das haben die Kinder immer allein gemacht! Da brauchen wir die Großen nicht!"

Mittags sehe ich vom Fenster aus, wie sie den Hang hinaufgehen; einer nach dem anderen. Es fehlt niemand. Klar und deutlich schwingt ihr kindliches „Vaterunser" über das Tälchen her ins Dorf hinein. Ohne Zank und Streit, ohne Spiel und Scherz, im Gebet gehen sie von Kreuz zu Kreuz, verharren betend dort und treten ebenso betend in das Gotteshaus zu Auel ein.

Als die Kinderstimmen wieder im Dorf vernehmbar werden, da weiß ich, dass die „Kirchen Tant" gute Fürbitter beim lieben Herrgott hatte. So lebt in unseren Kindern noch ein gut Stück religiösen Brauchtums und aufrechter Gläubigkeit. Lohnt es sich da nicht, es ihnen und uns durch sorgfältige Pflege zu erhalten?"

Anmerkung:
„Kirchen Tant" war Anna Pickartz, geb. Heinz. Sie wohnte im Haus Kirchen, Nr. 11 in Basberg. Im Jahr 1952 bestätigte der damals 92-jährige Paul Hockertz, dass die Fußfälle bereits zu Kinderzeiten seiner Großeltern gebetet wurden. Im Jahre 1966 wurden die „Fußfäll" zum vorerst letzten Male gebetet.

Quellen:
Schulchronik Basberg, Auskünfte von Petra Himmels, Basberg