Drei mal fünfundzwanzig

Liebes Geburtstagskind

Roswitha Gräfen-Pfeil, Mosbach

Fünfundsiebzig Jahre? - Fünfundsiebzig Jahre!

Als Du geboren wurdest, gab es ein tausendjähriges Reich, das schnell, aber nicht für alle unerwartet, und Gott-sei-Dank nach zwölf langen Jahren endete. In Deiner Jugendzeit versank die rote Sonne bei Capri und die Damen reparierten Nylonstrümpfe oder malten Nähte aufs Bein. Es gab Radios mit magischen Augen, die die neuesten Schlager ins Haus brachten. Vom Urlaub in fernen oder nahen Ländern wagte fast niemand zu träumen. Im kurzen Urlaub wurden zum Beispiel Kartoffeln geerntet oder gearbeitet. Gearbeitet wurde ohnehin an sechs Tagen pro Woche. Noch nicht einmal Lotto gab es, als Du geboren wurdest - aber Du bist ja ohnehin besser als jeder Sechser!

Für die Erde sind fünfundsiebzig Jahre nichts, sogar Olivenbäume sind noch jung. Menschen haben mit dem Erreichen des Seniorenpasses leider meistens ihre Träume begraben und ihre Lebenswirklichkeit geschaffen. Wie aktives Altern aussehen kann, dafür bist Du uns Vorbild: Du kannst noch spielen, bist neugierig und voller Ideen. Viele Pfade hast Du beschritten, manchmal bist Du umgekehrt aus Sackgassen. Es ist ein buntes Mosaik, Dein Leben. Sicher hast Du bemerkt, was nicht altert an uns: Gefühle sind es, die immer jung sind, weil sie ganz in der Gegenwart sind. Und wenn unsere Worte zu unseren Gefühlen passen, leben wir unser Leben und erfahren manchmal ein Stück Unendlichkeit. Wir hoffen wider schlechte Erfahrungen, wir glauben manchmal Dinge, weil wir es wollen, wir tun Dinge, von denen andere sagen, das hat keinen Zweck. Fünfundsiebzig Jahre: Wenn man wie Du den Humor nicht verloren hat, kann man sicher über frühere Aufgeregtheiten herzlich lachen. Wenn Du Deine Falten lachend gestaltest, dann wirst Du kein böser alter Mensch werden. Du gehörst zu einer wachsenden Personengruppe: Es gab vor einigen Jahren genauso viele Menschen unter zwanzig wie über sechzig Jahren. Wir, die wir ja nicht jung sterben wollen, vergrößern die Gruppe der Älteren. Alt sind wir erst dann, wenn die Vergangenheit uns interessanter als die Zukunft erscheint! Wir trafen uns auf unserem Weg durchs Leben und sind uns hoffentlich lange Weggefährten und - Gefährtinnen. Lass uns weiter unsere Getrenntheit niederhalten. So wird die Welt zu einem Garten, in dem sich leben lässt. Wir werden zusammen alt sein! Das ist eine schöne Eifler Redewendung, die mir erst weit weg von der Eifel bewusst wurde. Sie hat etwas Friedvolles. Fünfundsiebzig Jahre? Na und? Wir wollen zusammen alt werden!