Wer bringt die Geiß zum Bock

Mathilde Gros, Eltville

Meine Eltern in Gerolstein, Gesser Weg, hatten eine, zeitweise sogar zwei Ziegen, die vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg einen kleinen Reichtum bedeuteten. Eines Tages verbrachte meine Mutter mehrere Stunden im Stall, der direkt an unser Haus angebaut war. Ein Zicklein sollte geboren werden. Ich wollte unbedingt bei der Geburt dabei sein. Ich wollte doch sehen, wo das Zicklein raus kam. Meine Mutter schickte mich mit einem Trick aus dem Stall, ich sollte heißes Wasser holen, das brauche sie, um das Zicklein sauber zu machen, wenn es da sei.

Zeichnung:
Kerstin Weinacht, Kerpen

Bis das Wasser heiß war musste ich ordentlich mit Holz „stechen". Als ich in den Stall gelaufen kam, war das kleine Zicklein schon geboren. Ich konnte meine Enttäuschung kaum verbergen. Zur Freude meiner Eltern wuchs und gedieh das Zicklein prächtig heran. Nachdem es von seiner Mutter entwöhnt war, durfte ich es füttern, wenn ich aus der Schule nach Hause kam. Nach etwa einem Jahr war mein Zicklein zur Geiß herangewachsen und sollte nun selbst „Mutter" werden.

Dazu musste es natürlich „zum Bock gebracht werden". Nun musste entschieden werden, wer die Geiß zum Bock bringen sollte. Mein älterer Bruder Peter sollte diese Aufgabe übernehmen. Für ihn kam das nicht in Frage, das hätte sein Stolz nicht zugelassen. So blieb die Sache an mir hängen. Das Geißlein wurde auf unseren Handwagen gestellt und festgebunden, an Ausreißen war nicht zu denken.

Familie Schmitz, die einen Ziegenbock besaß, wohnte am anderen Ende von Gerolstein, hinter dem jetzigen alten Friedhof. Herr Schmitz nahm mir mein Geißlein ab und schickte mich ins Haus, wo ich warten sollte. Alles stank ganz furchtbar nach „Bock". Gerne wäre ich mit in den Stall gegangen, um zu sehen, was da mit meiner Geiß passiert. Aber auch hier konnte meine Neugierde nicht befriedigt werden. Nach einer kurzen Weile rief mich Herr Schmitz zu sich in den Hof. Er stellte meine Geiß auf den Handwagen, band sie fest und ließ sich das Geld, das mir meine Mutter gegeben hatte, für - ich wusste nicht für was, aushändigen. Brav fuhr ich mit dem Geißlein wieder nach Hause. Den „Bock-Geruch" wurde ich lange nicht los. Auch heute noch, wenn ich daran denke, glaube ich, ihn noch wahrzunehmen. Ziegen, die man im Volksmund auch „Beamtenkühe" nannte, waren zur damaligen Zeit ein kleiner Reichtum.