Der erste Fußball

Gerolstein-Lissingen

Florian Schulten,

Wir Berndorfer Jungen haben schon immer gerne Fußball gespielt. Es war in den Jahren 1948/49, als wir mit elf Gleichgesinnten beschlossen, eine Fußballmannschaft aufzustellen. Wir waren damals zehn bis zwölf Jahre alt. Trikots und Fußballschuhe kannten wir noch nicht. Mit den vom Schuster gefertigten Schuhen, die wir sonntags und werktags trugen, spielten wir auch Fußball. Zu der Zeit gab es in Berndorf noch keinen Sportplatz, geschweige denn einen Ball. So dachten wir uns meist in den Schulpausen aus, dass wir am Sonntag noch mal ein Freundschaftsspiel machen sollten. Hierfür kamen die Nachbardörfer Hillesheim, Kerpen, Walsdorf oder Wiesbaum infrage, denn dort wurde bereits Fußball gespielt, und es stand auch immer ein Ball zur Verfügung. Also fuhren nach dem Schulunterricht am Nachmittag zwei oder drei Jungen, soweit die Fahrräder einsatzbereit waren, zum Beispiel nach Wiesbaum, um für den Sonntag ein Spiel abzumachen. In Wiesbaum waren wir mit einigen Jungen schnell einig, für Sonntag um die Mittagszeit anzutreten. Um vier Uhr mussten wir allerdings zurück in Berndorf zur Andacht und Christenlehre sein. Nach dem Spiel sollten einige der Mitspieler zum Kühehüten zu Hause sein. Sechs Kilometer waren es von Berndorf nach Wiesbaum, aber nicht alle hatten ein Fahrrad, und einige waren nicht fahrbar, infolge der damaligen schlechten Straßen mehr platt als brauchbar. So fuhren oft zwei Jungen mit einem Rad zum Spiel. Meistens fand sich an Ort und Stelle auch jemand mit einer Trillerpfeife, der je nach Kenntnissen mehr oder weniger gut als Schiedsrichter fungierte. Es galt auch noch die Regel: „Drei Ecken sind ein Tor!" Nach dem Spiel wurde gleich ein Termin für das Rückspiel festgelegt, in Berndorf, mangels Sportplatz, am Weinberg auf der Schulturnwiese. Die Tore wurden mit abgelegter Oberbekleidung, wie Jacken und Pullover, markiert. Aber woher sollten wir einen Ball nehmen?

Schließlich hatte unser Spielführer Jüppchen Schmitz herausgefunden, dass man in Hillesheim bei der Gerberei Zinzius einen Fußball kaufen könne. Der Ball würde etwa 25 DM kosten. Es war kurz nach der Währungsreform 1948. Das Geld war überall knapp, und es war überhaupt eine sehr arme Zeit. Wir Kinder, jung und unerfahren in Gelddingen, überlegten jedoch, dass jeder von uns 2,50 DM aufbringen sollte. Einige Tage später wollte Jüppchen das Geld haben. Ich habe es von einem Tag auf den anderen verschoben, dieses meiner Mutter beizubringen, dass ich das Geld brauchte. Nun wurde mir die Zeit zu knapp. Mutter stand am Herd, als ich sie auf die 2,50 DM ansprach. Sie hörte mich an und tat einen Ausspruch, den ich wohl nie vergessen werde: „Dir Männ kreht noch en kier Fußballzopp." Sprach's und gab mir fünf kleine, blaue 50-Pfennigscheine. Den Kollegen wird es wohl ähnlich ergangen sein. Also kauften wir den ersten Fußball für Berndorf. Aber für den Ball wurden von uns drastische Verhaltensmaßregeln festgelegt. So wechselte er jede Woche zu einem anderen von uns Elfen und musste wöchentlich mit Schuhfett eingerieben werden, damit er lange halten würde. Auf der Straße durfte der Ball nicht gespielt werden, auch nicht in mit Stacheldraht eingezäunten Wiesen. Ich habe heute noch den ironisch tadelnden Ausspruch von Paulchen Schmitz im Ohr: „Dat deet demm Boll jot," wenn man den Ball mal eben auf der Straße oder dem Hof auftitschen ließ. Der Stacheldraht war der größte Feind unseres Balles. Hatte man eine gemähte Wiese ohne Stacheldraht, kam dann auch recht bald der Eigentümer und sprach ein Verbot aus.

Schwierig wurde es aber, als der Ball mal wieder platt war. Es war eine anstrengende Angelegenheit, dem Ball wieder Leben einzuhauchen. Als erstes musste er aufgeschnürt werden, damit man die Gummiblase entnehmen konnte. Hatte man schließlich das Löchlein gefunden, wurde die Stelle, wie beimFahrradschlauch, angeraut, mit Gummilösung bestrichen und die Flicke aufgedrückt. War die Blase dicht, musste sie wieder ins Leder, aufgepumpt und ordnungsgemäß verschnürt werden. Unser Ball war ein gutes Stück, aber leider wurde er durch die intensive Fettzufuhr schwerer und schwerer. Beim Köpfen bestand die Gefahr, dass man in die Knie ging. Nun ergab es sich, dass die jungen Männer im Dorf im Juli des Jahres 1949 beschlossen, einen Sportverein zu gründen, den TuS Berndorf. Das erste Spiel, das dieser neue Sportverein auf einer Wiese in Berndorf gegen Walsdorf bestritt, wurde mit unserem Fußball, den wir leihweise zur Verfügung gestellt hatten, durchgeführt. Schon bald hatte der TuS seinen eigenen Fußball und wir den unseren allein. Wir Jungen sind dann mit den Jahren auch dem TuS beigetreten. Willi Schmitz und ich durften bereits im Jahre 1955 mit 17 Jahren in der ersten Mannschaft spielen. Der Fußballverein hat sich in Berndorf sehr gut entwickelt und inzwischen wurde schon das 60. Jubiläum gefeiert. In der heutigen Spielgemeinschaft Berndorf-HillesheimWalsdorf kämpfen wöchentlich drei Seniorenmannschaften und viele Jugendmannschaften um Punkte und Meisterschaften.