Urold von Daun

Alois Mayer, Daun-Pützborn

Die altehrwürdige Dauner Pfarrkirche St. Nikolaus sei Ende des 11. bis Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut worden. So ist es in mehreren Dauner Veröffentlichungen und in von sich gegenseitig abschreibenden Artikeln im Internet zu lesen. Diese Daten sind unrichtig. Zwar existieren keine zeitgenössischen Urkunden über die Kirchengründung, kein Datum einer Grundsteinlegung, kein Einweihungs- oder Benediktionsdatum, dafür aber einige Indizien. Die Burgherren von Daun waren von Beginn bis zum Ende ihrer Herrschaft in Daun die Kollatoren der Nikolauskirche. Dieses Kollationsrecht, die Stelle eines Geistlichen selbst zu besetzen oder Pfründe zu vergeben, stand stets den Eigentümern oder Erbauern eines Altars oder einer Kirche zu. Da die ersten Ritter und Herren in Daun bereits zu Beginn des 10. Jahrhunderts nachweisbar sind, wird die erste Nikolauskirche ebenfalls zu dieser Zeit erbaut worden sein. In der Genealogie dieser Dauner Herren ist vermerkt, dass Theodor, Herr zu Dune, im Jahre 910 unverheiratet im jugendlichen Alter verstarb und in der Kirche Daun begraben wurde, die demnach zu dieser Zeit bereits als Pfarrkirche bestand. Ein berühmter, aber bisher nahezu unbekannter und kaum gewürdigter Mann aus dem Dauner Herren-/Grafengeschlecht war Abt Urold (Uroldus, auch Uraldus). Der Prümer Landrat und Historiker Bärsch vermutet, dass er ein Sohn des Dauner Herren Wilhelm II (968) und dessen Ehefrau Siguna von Hochstätten (im heutigen Landkreis Bad Kreuznach) war.

Urold wurde Geistlicher, trat als Benediktinermönch in das Kloster Prüm ein. Dort wählten ihn seine Mitbrüder im Jahr 1010 zum Abt. Damit war er der 17. Prümer Abt nach der Gründung dieser Abtei. Er, der aus der „alten, vornehmen Wurzel der Familie von Daun stammt und später für den himmlischen Gärtner eine süße Frucht aus dem irdischen Garten sein wird" (Otler), wurde der Nachfolger von Abt Immo, der 1009 verstarb. 1016 gründete Urold nahe bei der Abtei ein Kollegiatstift für zwölf Kanoniker, die die ständigen Kapläne des Abtes und der Konven-tualen (Mönche und geistliche Ritter mit Sitz und Stimme in einem Klosterkonvent) sein sollten.

Alles, was Rang und Namen hatte

Die in Frankfurt ausgehandelte Gründungsurkunde vom „17. Oktober in der 15. Indiktion, im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1016, dem fünfzehnten Jahr der Königsherrschaft Heinrichs II. und im dritten seiner Regierung als Kaiser" lautet: „Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. Heinrich durch Gottes Gnade erlauchter römischer Kaiser. Wir wollen allen Bischöfen, Äbten, Grafen und übrigen Getreuen, die jetzt oder in Zukunft leben, bekanntgeben: Der Prümer Abt Urold, unser Getreuer, hat mit unserer Erlaubnis und Zustimmung ein Kloster von Grund auf erbaut und zur Ehre unseres heiligen Erlösers Jesus Christus, der heiligen Gottesgebärerin und Jungfrau Maria, des siegreichen Kreuzes, des Erzmärtyrers Stephanus und des berühmten Märtyrers Nazarius weihen lassen und unserem kaiserlichen Schutz empfohlen." Damit diese Kanoniker genügend Einkünfte für ihren Lebensunterhalt hatten, übertrug Urold ihnen aus seinem Besitz die Güter in Wi-tenbuoch (Weidenbach, Krs. Daun), Stadefelt (Stadtfeld, Krs. Daun) und Liudesheim (Lüxheim, Krs. Düren, Gemeinde Vettweiß). Der Kaiser stellte diese Orte unter seinen besonderen Schutz und erteilte zudem die Erlaubnis, in Prüm einen öffentlichen Markt als Jahr- und Wochenmarkt abzuhalten, dessen Erlös ebenfalls zum Unterhalt der Kanoniker dienen sollte.

Aus dieser Orts-Überschreibung ist erkennbar, dass damals die Abtei Prüm bereits sehr vermögend war, sonst hätten Kaiser und der Klosterkonvent niemals zugestimmt, diese Orte aus dem Abteieinkommen an das neue Kloster zu übertragen.

Bei der Abfassung dieser bedeutsamen Urkunden waren anwesend: die Erzbischöfe Poppo von Trier und Heribert von Köln, Kanzler Günther von Mainz (er vertrat den Erzkanzler Erchanbald von Mainz), die Bischöfe Eberhard von Bamberg, Bruno von Augsburg, Wilhelm von Würzburg und Burchard von Worms, die Grafen Gerlach, Eberhard und Bruning, ferner die Äbte Poppo von Fulda, Winrich von Trier, Liuthard von Weißenburg und Richard von Amorbach.

Das Klosterstift hatte als Patrone neben Salva-tor Jesus und seiner Mutter Maria die heiligen Stephanus und Nazarius. Das bedeutete: Urold besorgte Reliquien von Stephan und ließ den „ganzen, unversehrten Leib des heiligen Märtyrers Nazarius von unserer Kirche feierlich und ehrenvoll dorthin überführen und dort beisetzen."

Kanoniker leben besser als Mönche

Die Kanoniker lebten nicht schlecht, auf jeden Fall wohlhabender und luxuriöser als Mönche. Jeder hatte seinen eigenen Haushalt mit notwendigem Dienstpersonal in einem eigenen Wohnhaus innerhalb eines abgeschlossenen Bezirkes. (Einige Stiftshäuser sind noch in der Spitalstraße Prüm zu sehen). Urold bestimmte, dass diese Kanoniker „fromm und kanonisch, d. h. in Übereinstimmung mit den Forderungen des Evangeliums einträchtig leben sollten, nach Vervollkommnung streben und dadurch die Herzen frommer Menschen anregen, Gutes zu tun und jeden bei ihnen auftretenden Mangel zu beheben". Aber wie in vielen Stiften ebenfalls, so wichen im Laufe der Jahrhunderte auch die Prümer Kanoniker ab von mönchischem Leben und priesterlichen Idealen. „Aber ach, gegessen und getrunken haben diese Herren und viele, die ihnen ähnlich sind, aber Dank abzustatten und Dankbarkeit zu zeigen, haben sie vergessen. Dabei ermahnt uns schon unsere Natur zur Dankbarkeit gegenüber unseren Wohltätern", klagt rund 600 Jahre später der Prümer Abt Otler. Die Aufgabenbereiche jener Stiftsherren (Kanoniker) waren: ständig als Kapläne und Helfer des Prümer Abts und seines Konvents zur Verfügung stehen, das heißt, sie mussten dem Abt und den Brüdern in religiösen Dingen bereitwillig gehorchen, und sie sollten den jeweiligen Abt als ihren Herrn und Patron anerkennen und ihm oder seinem Stellvertreter angemessene Reverenz und Gehorsam erweisen. Des Weiteren sollten sie am Fest des Kirchenpatrons Nazarius und Celsus in der ersten Antiphon des Eingangspsalms der Vesper Lobeshymnen auf Uroldus - „ein lobenswerter Mann und ehrwürdiger Abt des Prümer Klosters, der Vater dieses Stiftes" - singen.

Keine Spuren mehr

Abt Urold von Daun starb 1018, im neunten Jahr seiner Amtszeit. „Sein Leib wurde auf Bitten seiner geistlichen Söhne in feierlichem Zug in die von ihm erbaute Stiftskirche gebracht und dort ehrenvoll bestattet." Sein Grabstein trug die Inschrift: „Subjecto tumulo templi huius structor Uroldus conditus est habitis funeris exequiis. Dhuna progenitus Prumiensi mensibus octo et centum ecclesiae praefuit Abba pater." (Unter diesem Hügel wurde nach feierlichem Totenamt Urold, der Erbauer dieser Kirche, bestattet. Aus der Familie von Daun stammend, war er 108 Monate Abt und Vater der Prümer Kirche.)

Die von dem Dauner Abt Urold gestiftete Marienkirche wurde 1822 abgerissen. Dabei gingen ebenfalls sowohl das Grab und auch der Grabstein des 17. Prümer Abtes Urold von Daun verloren.

Über den ehemaligen Standort der Stiftskirche führt heute die Hahnstraße.

Geheimnisvoller Nazarius

In der Chronik des Abtes Otler wird an mehreren Stellen erwähnt: „Urold ... hat (das) Kloster... zur Ehre ... des berühmten Märtyrers Nazarius weihen lassen..." - „Er ließ den ganzen, unversehrten Leib des heiligen Märtyrers Nazarius dorthin überführen und dort beisetzen." - Am Fest des Kirchenpatrons Nazarius und Celsus sollen Lobeshymnen auf Uroldus gesungen werden. Und hier sind dem Chronisten Otler wahrscheinlich Fehler unterlaufen, deren Ursprünge wohl nicht mehr geklärt werden können. Nie mehr nach Otler ist in irgendeiner Urkunde, einem Bericht, in Akten der erzbischöflichen Behörden o.ä. erwähnt, dass zum einen das Marienstift auf den berühmten Märtyrer Nazarius geweiht sei noch zum anderen, dass dort der ganze Leib oder Reliquien des Heiligen bestattet oder aufbewahrt seien. Nach Auskunft der Lexika und Nachschlagewerke sind Reliquien des jahrhundertelang (offenbar im Westen wie im Osten) hochverehrten römischen Märtyrers und Patrons der Kinder in viele Länder gelangt, obwohl über sein Leben kaum etwas bekannt ist. Nazarius, dessen Gedenktag der 28. Juli ist, war zu einem nicht bekannten Datum in Rom geboren, wurde römischer Soldat, der zum Christentum übertrat und mit seinem Schüler Celsus, den er getauft hatte, in Gallien und Italien wirkte. Während der diokletianischen Christenverfolgung wurden er und Celsus gefangen genommen und wohl um 304 in Mailand enthauptet.

Nach der Legende soll der Soldat Nazarius mit seinem jungen Gefährten Celsus auch in Trier gewesen sein, doch scheint er im Bereich des Bistums nicht verehrt zu werden: Es ist keine einzige Pfarr- oder Filialkirche mit diesem Patrozinium bekannt (lediglich für den mit Nazarius verehrten Hl. Celsus findet sich in Dackscheid, Pfarrei Waxweiler, eine ihm gewidmete Kapelle, erbaut 1933). Sonstige Hinweise auf irgendeine Verbindung zwischen der Abtei Prüm und dem hl. Nazarius konnten bisher nirgends gefunden werden. Nach der Überlieferung soll Bischof Ambrosius die Leichname der beiden Märtyrer nach 395 vor den Stadtmauern von Mailand gefunden und den unverwesten Körper (der Kopf fehlte) des Nazarius in die Apostel-Basilika vor der Porta Romana in Mailand überführt haben, die daraufhin seinen Namen bekam und bis heute S. Nazaro Maggiore heißt. In der Kunst wird er meist dargestellt als Soldat mit dem Märtyrerwerkzeug Schwert.

Quellen:
Hörsch Wilhelm: Geschichte der Grafen von Daun zu Daun, 1877
Otler Servatius, Geschichte der Prümer Abtei, 1623. Herausgegeben und übersetzt von Aloys Finken, Prüm 2008 Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon Bd. VI (1993) Dank an Barbara Lutz, Bistumsarchiv Trier