Die Volksschule in Niederehe

Geschichte und Auflösung einer Dorfschule

Heinrich Ingenerf, Niederehe

Pfarrer Peter Schug schreibt in seinem Buch „Geschichte der zum ehemaligen kölnischen Eifeldekanat gehörenden Pfarreien" zu den Anfängen des Schulwesens in der Pfarrei Niederehe folgendes:

„Der Schulbetrieb ging in früheren Jahren auf die Initiative des Pastors oder einer markanten Persönlichkeit zurück. So fällt in Niederehe die Tatsache auf, dass nicht im Pfarrort, sondern im der Filiale Kerpen, dem Sitz des Landschulheißen, 1664 zuerst ein Lehrer erwähnt wird: 1664 Johann Georg, 1697 Peter Stahl, 1713 Nikolaus Bievern. Erst 1716 erfahren wir, dass die Bewohner von Niederehe, denen der Schulweg nach Kerpen zu weit erscheint, eine eigene Schule eröffnen wollen. Der dann mit 85 Jahren 1721 verstorbene Lehrer Leonard Hohn von Gerolstein scheint mehr Küster- als Lehrerdienste getan zu haben. 1754 sind zwei Lehrer und zwei Schulgebäude vorhanden, 1765 ist Matthias Fellen in Kerpen tätig. In späterer Zeit unterrichtet Theodor Norkes aus Oberehe von 1817 bis 1842 in Niederehe; er bezieht als Lehrer 120 Taler und als Küster 16 Taler. Ihn löste 1842 Peter Eifel ab, der seine Vorbildung bei Devora in Trier empfangen hatte. 1862 ist er noch im Dienst." Als Schulgebäude benutzte man von 1826 -

1912 in Niederehe das alte Kloster. Der Schulsaal war der ehemalige Speisesaal der Mönche. Die Gemeinden Niederehe und Loogh bildeten einen Schulverband. Die Kinder von Loogh besuchten also die Pfarrschule in Niederehe.

1889 erhielt der Lehrer folgendes Jahresgehalt: von der Gemeinde Niederehe 384,81 Mark von der Gemeinde Loogh 105,19 Mark

Stellenzulage vom Staat 410,00 Mark

aus der Kirchenkasse

für Küsterei 150,00 Mark

für Organistendienste 90,00 Mark

Zusätzlich gewährte der Schulverband dem Lehrer noch an Vergütung: sechs Raummeter Scheitholz und acht Raummeter Reiserholz. Daneben durfte er einen Garten (Baumschule genannt) privat nutzen. Da dieses Jahresgehalt viel zu niedrig war, erhöhte der Schulverband 1896 das Jahresgehalt des Lehrers um jährlich 150 Mark. Die Durchschnittsschülerzahl in der einklas-sigen gemischten Schule betrug bis 1900 rund 90 Kinder. Wegen der großen Schülerzahl wurde Halbtagsschule gehalten. Diese Schülersituation verbesserte sich dann ab 16. Juli 1900. An diesem Tag schieden 33 Kinder aus Loogh aus der Schule Niederehe aus und be-

suchten ihre neu errichtete Schule in Loogh.

1913 wurde in Niederehe nach 20-jähriger Planung ein neues Schulgebäude eingeweiht. In der Schulchronik steht: „Am 10. Oktober 1913 wurde im Beisein des Herrn Schulrates Gürten unser neues Schulhaus eingeweiht. In einer Prozession bewegten sich die Kinderschar und zahlreiche Ortsansässige von der Kirche zum neuen Gebäude. Nach der kirchlichen Einsegnung wurden abwechselnd Gedichte vorgetragen und Lieder gesungen. Schulrat Gürten legte in einer langen Ansprache dar, dass schon 20 Jahre der Plan zu einem Schulneubau gefasst war, jedoch immer hinausgeschoben wurde. Er ermahnte Eltern und Erzieher, Geld und Hand anzulegen. Das neue Schulhaus ist von Herrn Kreisbaumeister Müller entworfen worden, und es ist eine Zierde des Ortes."

Lange konnte sich der damalige Lehrer Stutz nicht an der neuen Schule erfreuen, denn er wurde sofort zu Kriegsbeginn am 1. August

1914 als Soldat eingezogen. Wieder wurden in den kommenden Monaten die Schulen Loogh und Niederehe vereinigt und von Lehrer Uhl aus Heyroth verwaltet.

Lehrer Wilhelm Stutz kehrte gesund aus dem Krieg zurück und übernahm in Niederehe wieder seine Tätigkeit bis 1944. Neben seinen erzieherischen Verdiensten widmete er sich besonders der Musikpflege als Chorleiter und Organist.

Der Zweite Weltkrieg brach aus. Wieder fiel von Juli 1944 bis 30. September 1945 der Unterricht aus. Als am 1. Oktober 1945 die Lehrerin Haas ihre Schulstelle in Niederehe antrat, fand sie das Schulhaus und besonders die Lehrerwohnung in argem Unstand. Alles hatte durch Bombenabwürfe sehr gelitten; fast alle Fenster im Schulsaal waren zerstört. Schülertische und -bänke fehlten und mussten aus dem Kindergarten geliehen werden. Lehr-und Lern-mittel waren kaum mehr vorhanden, wodurch die Schularbeit erschwert wurde. Die Schule Loogh wurde von Niederehe mitver-

waltet. Deshalb wurde dreimal wöchentlich Halbtagsunterricht erteilt. Der Schulbetrieb normalisierte sich wieder ab 16. Februar 1946, als die Lehrerin Haas die Schulleitung in Loogh übernahm und der Neulehrer Paul Gilles aus Uxheim seinen Dienst in Niederehe begann, der aber ab 1. Februar 1958 gezwungen war, wegen eines schweren Kriegsleidens in den Ruhestand zu treten. „Herr Paul Gilles übernahm als Schulhelfer am 26. Oktober 1946 die hiesige Schulstelle. Mit viel Umsicht und Tatkraft begann er in den schweren Nachkriegsjahren sein pädagogisches Wirken. Durch seine echt christliche Erzieherliebe, seinen Fleiß und seine Bescheidenheit hatte er sehr bald das Vertrauen seiner Schüler wie auch der Erwachsenen gewonnen. Auch dann, als sich sein Kriegsleiden verschlimmerte, versah er mit letzter Kraft und Hingabe seinen Dienst. Leider ist ihm nun durch sein körperliches Gebrechen verwehrt, seinen Beruf weiter auszuüben" (Schulchronik).

Danach fanden noch mehrere Lehrerwechsel und Vertretungen statt. Mit Wirkung vom 1. April 1962 wurde dem Lehrer Heinrich Ingenerf aus Xanten-Wardt die Leitung der katholischen Volksschule in Niederehe übertragen. Es war seine erste Lehrerstelle. Die Unterstufe (1. bis 4. Schuljahr) übernahm die Junglehrerin Helga Schiffer. Damit war die Volksschule nach vier Jahren wieder zweiklassig. 60 Schulkinder besuchten den Unterricht. Da nur ein Schulsaal zur Ver-

fügung stand, wurde zunächst Schichtunterricht erteilt. In den Sommerferien 1962 wurde die leerstehende Lehrerdienstwohnung zu einem zweiten Schulsaal umgestaltet, den die Unterstufe bezog.

Dann kamen die Jahre eines entscheidenden und grundlegenden Organisationswandels, der letztlich das Ende der Volksschule einläutete.

1967 wurde ein 9. Schuljahr eingeführt, und seit dem 28. August 1967 wurden alle Kinder der Schuljahre 7 bis 9 der Volksschule in Kerpen zugewiesen. Niederehe wurde wieder mit seinen 34 Kindern einklassig und der Lehrer Heinrich Ingenerf mit Wirkung vom 1. April

1968 an die Berufsbildende Schulen in Gerolstein versetzt; die „Volksschule" hört auf zu bestehen und wird aufgeteilt in Grundschule (1. - 4. Schuljahr) und Hauptschule (5. - 9. Schuljahr). Gemäß den Bestimmungen des Landesgesetzes über die öffentlichen Grund-und Hauptschulen vom 09. Mai 1968 gehörte nun die Gemeinde Uxheim mit ihren Ortsteilen und Schulen zum Schulbezirk der Hauptschule Hillesheim, die nach der Abstimmung über die Schulart als eine christliche Gemeinschaftsschule eingerichtet wurde.

Das 5. und 6. Schuljahr wurde ab Schuljahr 1968/69 in Niederehe abgezogen und der Hauptschule Hillesheim zugewiesen. In Niederehe verblieben nurmehr vier Grundschulklassen mit insgesamt 22 Kindern. Eine solch kleine Grundschule war aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht mehr überlebensfähig.

In der Organisationsverfügung der Bezirksregierung Trier wurden deshalb die Grundschulen Uxheim, Kerpen und Niederehe mit Wirkung vom 1. August 1970 zusammengefasst. Das Kreisschulamt Daun legte die Unterbringung der Klassen wie folgt fest: Das 1. und 2. Schuljahr besucht die Schule in Kerpen,

das 3. und 4. Schuljahr die Grundschule in Uxheim.

Der letzte Lehrer der katholischen Volksschule Niederehe, Manfred Sprünker, wurde mit Wirkung vom 1. August 1970 an die Grundschule in Kerpen versetzt

So endete 1970 endgültig das Bestehen der Volksschule Niederehe. Das ehemalige Schulgebäude aus dem Jahre 1913 wird heute als Bürgerhaus genutzt.