Bääh, bööh, bööh

Eine Erinnerung von Klaus Tombers

Else Tombers, Schweighausen

Es war im Winteranfang 1945 - mein Freund „Pepper" und ich waren 17-jährig aus Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Er kam aus dem Dorf Heyroth und besuchte mit mir das in Baracken wieder eröffnete St Matthias-Gymnasium. Gegen „Naturalienmiete" wohnte Leo in meinem Gerolsteiner Elternhaus zwischen Auberg und Kyllaue. Wir waren lebenshungrig und zu allen Streichen bereit. Eines Tages erhielten die Nachbarn im letzten Haus an der Chaussee Besuch von einem sagenhaft bildhübschen Mädchen in unserem Alter. Argwöhnisch hüteten die Nachbarn den Goldschatz. Das davor gelegene Nachbarhaus war von französischen Soldaten beschlagnahmt und geräumt bis auf einige Schafe. Erbittert ob der Klausur der schönen Maid, wollten wir sie auf die Straße locken. Es war stockdunkel und leichter Nebel lag über den Wiesen der Kyllaue. Wir schlichen bis unter das hell erleuchtete Küchenfenster und legten uns flach an die steile Straßenböschung. Aus hohlen Händen blökten wir abwechselnd „Bääh .. bööh .. bööh!" Nach einigen Intonierungen öffneten sich die Fenster in der Nachbarschaft. „Was - wer - wo ist das?" Gezeter hin und her: „Die Schafe des Nachbarn sind ausgebüxt!"

Wir wiederholten unser Geblöke und schlichen uns im Schutz von Nebel und Dunkelheit weg von der Straße zum Kyllufer. Schafe waren wertvolle Lebensgüter .... die Nachbarn im Haus unserer Angebeteten wollten Nachbarschaftshilfe leisten - öffneten die Haustür und stolperten mit Stalllaternen bewaffnet in die Dunkelheit den vermeintlichen Schafen hinterher. Wir tasteten uns geduckt, Haken schlagend, am Kyllufer entlang und blökten - blökten.

Immer mehr Fenster öffneten sich; alle wollten die „Schafe" einfangen. Auch der schon betagte Mieter in meinem Elternhaus pirschte umher, strauchelte und fiel in einen halb mit Lehmbrühe gefüllten Bombentrichter. Nass und dreckverschmiert ging er erzürnt fluchend und schimpfend nach Hause. Die lebhafte Unruhe in den Wiesen der Kyllaue währte schon fast eine Stunde. Der kräftige Plumps aus Richtung Bombentrichter und das berechtigte Gefluche der uns bekannten Stimme nahmen uns den übermütigen Schneid. Ganz still verharrten wir am Ufer der Kyllbrücke und warteten, bis in den Wiesen der Kyllaue das teils schimpfende, teils lachende Geschrei erlosch.

Behutsam gingen wir nach Hause. Von der Treppe aus dem Obergeschoss ertönte die übellaunige Stimme des Mieters: „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer die Schafe sind!"
Das schöne Mädchen sahen wir nie wieder.