Abenteuer Alltag

Margret Heinzen, Feusdorf

Die Tage, Karneval war gerade zwei Wochen vorbei, kam meine Schwiegermutter morgens zu uns. Sie stellte ein kleines, grünes, wiederverschließbares Plastiktöpfchen auf den Tisch und fragte, ob wir für den Inhalt Verwendung hätten. Klar hatten wir Verwendung für den Inhalt und sie begann uns zu erzählen, warum sie selbst eben keine Verwendung dafür hatte... An dieser Stelle muss ich jetzt ein wenig ausholen: Meine Schwiegermutter gehört inzwischen zum Personenkreis der Senioren, sprich: Wenn ihre Haarfarbe eine Autofarbe wäre, würde sie als Metallic-Lackierung im Prospekt angepriesen und Teile ihrer Zähne darf sie liebevoll „meine Dritten" nennen. Auch die Sache mit dem Geflügel im Auge hat sie bereits hinter sich - erst hatte sie den grauen Star und später, nach einer geglückten Operation, wieder einen Adlerblick. Zudem gehört sie zu der Generation, die in der Schule nie ein Wort Englisch gelernt haben. Soweit also zur Person.

Einmal die Woche fährt sie mit dem Auto ins Nachbardorf, um ihre Einkäufe zu erledigen. Gleich im ersten Geschäft stand sie neulich zu Beginn des Einkaufs vor dem großen, unmoralischen Regal mit den Süßigkeiten und sie hatte plötzlich unendlichen „Schmacht" auf Pfefferminzbonbons. Na, dagegen sollte doch hier und jetzt etwas zu machen sein! Und so fiel ihr dieses kleine, grüne, wiederverschließbare Plastiktöpfchen in die Hände. Gemäß der Abbildung auf der Packung und dem Schriftzug „spearmint" lagen Wunsch und Wirklichkeit nahe beieinander. Und so kaufte sie, neben den notwendigen Sachen, auch das kleine, grüne, wiederverschließbare Plastiktöpfchen. Wieder zu Hause angekommen, verstaute sie die Einkäufe und ging dem restlichen Tagwerk nach. Abends, nach getaner Arbeit, freute sie sich auf einen gemütlichen Feierabend am Fernsehgerät mit den am Morgen erworbenen Pfefferminzbonbons. Sie nahm also das kleine, grüne, wiederverschließbare Plastiktöpfchen zur Hand und entnahm eines der Dragees. Sie lutschte genüsslich daran herum, bis die äußere Schicht verschwunden war und wunderte sich, warum die Bonbons inzwischen so eine seltsame Konsistenz bekommen hatten und auch im Geschmack stark nachgelassen hatten. Sie nahm also erneut die Packung und las noch einmal nach. Und siehe da, ganz klein, am unteren Rand stand es, grüne Schrift auf grünem Hintergrund: Zahnpflegekaugummi, ohne Zucker, 46 Dragees. Welch eine herbe Enttäuschung! Jeder Gebissträger kennt die fatale Wirkung, die Kaugummis an nicht mehr echten Zähnen haben können... Tapfer befreite sie „ihre Dritten" von der zähen Masse und hatte für diesen Abend kein Bedürfnis mehr nach Pfefferminzbonbons. Dafür war am Morgen das gemeinsame Gelächter groß, nachdem sie ihre Erlebnisse vom Vorabend erzählte. Natürlich untersuchten nun auch wir Jungen (zuerst ebenfalls erfolglos!) die Packung nach einem eindeutigen Text „Kaugummi". Wir alle haben dabei gelernt: Egal, ob mit oder ohne Englischkenntnissen, ob mit oder ohne operierten Augen, vor bescheuerten Produktdesigns ist man in keinem Alter sicher!