Werner Schönhofen, Leutesdorf
Das Jahr 2002 war das Jahr des Abschieds von der DM und der Einführung des Euro. Für die ältere Generation war es voller Erinnerungen an die Währungsreform 1948 und die Einführung der DM. Mancher konnte sich vielleicht auch an das Inflationsjahr 1923 erinnern, eine Zeit großen wirtschaftlichen Niederganges. 1923 kann wohl als das schwarze Jahr der deutschen Reichsmark gelten. Bedingt durch den verlorenen Krieg, den für Deutschland ungünstigen Waffenstillstand bzw. Versailler Frieden, Rheinland- und Ruhrbesetzung und den passiven Widerstand deutscherseits war der Wert der Reichsmark ins Unvorstellbare gesunken. Weite Bevölkerungsschichten verarmten. Bereits in der Kaiserzeit machte sich ein starker Preisanstieg bemerkbar, der wohl ausgelöst war durch den enormen Finanzbedarf für die Kriegführung (Erster Weltkrieg 1914-18). Die allgemeine wirtschaftliche Lage und die erdrückenden Reparationszahlungen
führten zu einem weiteren Niedergang der deutschen Währung. Unter Aufhebung der Golddeckung erreichten die Zahlen auf den Geldscheinen bald mehrere Nullen, verloren aber ebenso rasant an Wert. Man bekam wirklich nur noch einen Apfel und ein Ei für Millionenbeträge. Die Wirtschaft lag wohl weitgehend danieder. Lediglich Tauschgeschäfte funktionierten. Bestellungen bzw. Lieferungen wurden nicht ausgeführt. Dass viele Menschen damit nicht mehr klar kamen, beweisen die folgenden Beispiele. Der Schreiner Leonhard Michels aus Steineberg im Vulkaneifelkreis berichtet in seinem handgeschriebenen Lebenslauf, dass er mit ein paar Millionen Mark nach Daun ging und einen Kaffeekessel mitbringen sollte. Auf der Sparkasse erhielt er noch 32 Millionen Mark. Für all das Geld bekam er aber keinen Kaffeekessel. Eine Feile, die er sonst für 40 Pfennig bekam, sollte drei Millionen Mark kosten.
Preise in Reichsmark | Sommer 1922 | Dezember 1922 | Januar 1923 |
---|---|---|---|
1 Pfd. Butter |
90 |
1750 |
4000 |
1 Pfd. Schmalz |
80 |
1400 |
3000 |
1 l Rüböl |
60 |
1800 |
3800 |
1 Pfd. Schweinefleisch |
45 |
700 |
2000 |
1 l Milch |
8 |
150 |
450 |
1 Ei |
4 |
80 |
200 |
1 l Petroleum |
12 |
300 |
1.000 |
1 Paar Herrenstiefel |
750 |
12.000 |
40.000 |
1 Pfd. Zucker |
18 |
250 |
500 |
1 Pfd. Salz |
2 |
30 |
90 |
1 Ztr. Roggen |
600 |
12.000 |
30.000 |
2,5 Pfd. Brot |
50 |
s.u. Sondertabelle |
|
1 kg Kartoffeln |
90 Mia RM |
||
1 Ei |
320 Mia RM |
||
1 l Milch |
360 Mia RM |
||
1 Pfd. Butter |
2.800 Mia |
||
1 Ztr. Brikett |
1.980 Mia |
Der Brotpreis betrug am 2.12.1923 für:
Januar |
250 |
Februar |
389 |
März |
463 |
April |
474 |
Mai |
482 |
Juni |
1.428 |
Juli |
3.465 |
August |
69.000 |
September |
1,5 Millionen |
Oktober |
1,7 Milliarden |
November |
201 Milliarden |
Dezember |
399 Milliarden |
dem Finanzamt sollte er Steuern bezahlen, die ihm zu hoch vorkamen. Freiwillig wollte er nur 2.000 Mark bezahlen, wofür man ihm aber nicht mal eine Quittung schreiben wollte. Aus dem Nachbarort Meiserich im Landkreis Cochem-Zell ist folgende Episode überliefert: Philip war sein ganzes Leben lang ein fleißiger und sparsamer Ackersmann gewesen. Unter dem Bett im ehelichen Schlafgemach verwahrte er sein Erspartes - wie er meinte, sicher. Zwar nicht in dem sprichwörtlichen Sparstrumpf, denn da passte es schon lange nicht mehr hinein. Philipp hatte ein Köfferchen für seine Barschaft. Eines Tages waren notwendige Anschaffungen in Mayen zu tätigen. Philipp machte sich also die wenigen Kilometer zur Bahnstation Ulmen auf den Weg. Dort verlangte er eine Fahrkarte nach Mayen. Doch mit all seinem vermeintlichen Reichtum - einem ganzen Köfferchen voller Scheine - konnte er nicht mal eine Fahrkarte mehr kaufen. Der Geldwert war Philipp davongelaufen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Kein Wunder, dass Philipp für den Rest des Lebens den Spottnamen „Mil-liunephilipp" von seinen wenig feinfühligen Mitmenschen weghatte. Natürlich wurde es bei solchen Beträgen, die in die Millionen gingen, schwierig mit dem Kleingeld. Das Münzgeld wurde schließlich gehortet wegen seines Metallwertes. Die Geschäfte und Kommunen mussten sich anderweitig versorgen. Sie gaben Notgeld heraus, das aus den verschiedensten Materialien bestand und heute noch ein beliebtes Sammelobjekt ist.
Über die Entwicklung der Preise fand ich die auf der vorhergehenden Seite abgedruckte interessanten Tabellen in der Chronik Höchstberg von Alois Mayer und Erich Mertes, 1989: Im Verlaufe des Jahres 1923 kletterten die Preise in astronomische Höhen, wie wir auch an der u.a. Tabelle sehen können. Die Stundenlöhne stiegen aber nicht in diesem Verhältnis. Sie betrugen im Sommer 1922 16 Mark, im Dezember 1922 40 Mark und im Januar 1923 450 Mark. Dafür konnte man sich 1 Pfund Zucker oder 1 Liter Milch kaufen. Man kann diese Beispiele sicher noch fortsetzen. Auf dem Höhepunkt der Inflation wurde schließlich die alte Reichsmark abgewertet und die Rentenmark am 15. November 1923, später wieder Reichsmark genannt, eingeführt. Jetzt konnte man wieder mit normalen Zahlen rechnen.