Eifel-Schule - vor 50 Jahren...

Rosi Nieder, Herforst

...war die Schulzeit genau immer schon ein prägender Lebensabschnitt, an den sich manche gerne und andere weniger gerne erinnern. Daran hat sich grundsätzlich bis heute nicht viel geändert. Kinder sind mit unterschiedlichen Lernbegabungen gesegnet, haben die unterschiedlichsten Talente, Charaktereigenschaften und Besonderheiten. Sie streiten, schlagen sich, versöhnen sich wieder, lernen gemeinsam, spielen miteinander, reifen. Die Schule macht sie zu einer Gemeinschaft. Aber...

...hatten wir morgens keine Dusche, bevor wir in die Schule gingen. In Ermangelung eines Badezimmers genügten uns ein paar Tropfen kaltes Wasser aus dem Küchen-Wasserhahn, bevor wir am Küchentisch unsere Milch tranken und unser Butterbrot aßen. Von teuren Markenklamotten hatten wir noch nichts gehört. Eine ganze Woche lang trugen wir Mädchen das gleiche Kleid und passten auf, dass wir unser „Schulschürze" nicht schmutzig machten.

.konnten wir Eifelkinder noch durchweg zu Fuß zur Schule gehen, weil es in jedem Dorf noch eine Schule gab (und weil wir nicht für einen Fußweg von 200 m gefahren wurden). In den kleinen Dörfern gab es für acht Schuljahre nur einen einzigen Klassenraum und einen einzigen Lehrer. Da der Lehrer immer nur mit einem oder zwei Schuljahren verbalen Unterricht gestalten konnte, teilte er den übrigen Kindern Aufgaben zu, die sie lautlos zu erledigen hatten.

...gab es weder zu Hause noch in der Schule eine Heizung. Im Winter war es Aufgabe der größeren Kinder, Holz aus einem Schuppen in den Schulraum zu transportieren und darauf zu achten, dass während des Unterrichts öfter mal ein paar Scheite im Schlund des riesigen schwarzen Ofens verschwanden, damit das Feuer heizen konnte. Hatten wir im Schnee gespielt und nasse Füße, dann stellten wir unsere Schuhe (so tolle Stiefelchen wie heute hatten wir nicht) zum Trocknen neben den Ofen.

...gab es keine Computerräume, kein Powerpoint-Programm, keine Videos und keine DVD's. In den Eifeldörfern hatte man weder Turnhallen noch Schulschwimmbäder, ja nicht einmal einen richtigen Sportplatz. Die Hilfsmittel in der Schule waren bescheiden. Ein paar riesige Landkarten, die man an einem großen hölzernen Ständer befestigte, das Modell einer Erde mit einem umlaufenden Mond und bestenfalls ein Filmgerät, das zweimal im Jahr mit lautem Knattern ein paar bewegte Bilder an die Wand warf und uns Kindern das Kino ersetzte. Zuvor mussten alle Fenster mit schwarzer Folie abgedeckt werden.

...lernten wir Volksschulkinder weder Englisch noch Chemie. Vom Paarungsverhalten von Waldameisen im Tropischen Regenwald erfuhren wir nichts, konnten aber sämtliche Nebenflüsse von Rhein und Donau, Gedichte und Bibeltexte aufsagen und Volkslieder singen. Und Kopfrechnen, denn Taschenrechner gab es nicht. Die Rechtschreibregeln waren damals noch klar definiert und nicht mehrmals geändert (was zur Folge hat, dass kaum noch jemand sie beherrscht). Wir hatten auch keine ergonomisch angepassten Stühle und Tische, sondern Pulte, die in einer Reihe hintereinander der Größe nach ansteigend fest verankert waren. Schulen wie die unsrigen kann man heute im Museum betrachten.

...spielten und bewegten wir uns in den Pausen. Die Jungens rannten oft einem alten Fußball nach, während wir Mädchen „Mutter wie weit darf ich reisen?" „Wir kommen aus dem Morgenland", Hüpfhäuschen, Fangen und Verstecken spielten. Wir aßen unsere mitgebrachten Butterbrote und wenn wir Durst hatten, hielten wir unseren Kopf unter den Wasserhahn neben der Außentreppe. Das Wort Getränkeautomat hatten wir noch nie gehört und auch Plastikflaschen, aus denen Kinder heute andauernd (weil Trinken ja so wichtig ist) gelbe, rote und grüne Flüssigkeiten nuckeln, gab es nicht.

...hatten wir Kinder Achtung und Respekt vor Eltern und Erwachsenen, besonders aber vor Lehrer und Pastor. Für Missetaten wurden wir bestraft, oft auch mit Ohrfeigen, Schlägen oder gar Stockhieben. Gerecht war es nicht immer, obwohl einige sich durchaus geläutert fühlten, wenn sie es wirklich verdient hatten. Gequatscht wurde natürlich auch - heimlich, leise und von Mund zu Mund, nicht von Handy zu Handy. Wir verabredeten uns auch nachmittags nicht über Facebook, wir mussten gehen. (Für viele heute ein Fremdwort)

...wurden in der Schule staatliche Gesundheitsmaßnahmen durchgeführt. Es gab Reihenuntersuchungen, Impfungen, zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen, und manchmal kam ein riesiges Busfahrzeug, in dem wir „durchleuchtet" wurden, wobei bei manchen Kindern ein Schatten auf der Lunge festgestellt wurde und man sie in Kur schickte. Für viele Kinder waren die Ärzte in der Schule die einzigen, die sie zu Gesicht bekamen. Wenn wir krank waren, wurden wir zu Hause mit alten Hausmitteln gesund gepflegt und nicht gleich mit Antibiotika vollgepumpt. Dass der ein oder andere dafür auch einmal eine Woche lang das Bett hüten musste, nahm man in Kauf.

...wurden die Volksschulkinder nach dem achten Schuljahr entlassen. Nur wenige der Kinder, deren Eltern überwiegend von der Landwirtschaft lebten, besuchten das Gymnasium in der entfernten Kreisstadt. Und wenn, dann waren es eher die Jungen, für die man Schulgeld aufbrachte, das damals noch bezahlt werden musste. Mädchen „heiraten ja sowieso", dachten damals die meisten Eltern. Viele lernten nicht einmal einen Beruf, man schickte sie höchstens irgendwohin, um den .Haushalt' zu erlernen.

...endete mit der Schulzeit auch die Kindheit. Viel früher als heute. Und damals wie heute haben erwachsene Menschen die unterschiedlichsten Erinnerungen an die Zeit, in der sie heranreiften und für das Leben lernten. Erinnerungen an die Schulzeit. Gute, schlechte, wehmütige, freudige, realistische, verklärte, ernste, lustige Erinnerungen.