Großzügig begehbare Wildparks haben ihre Tücken

Gertrud Knobloch, Starnberg

Die Gruppe älterer Damen hatte einen Tagesausflug auf dem Programm. Diesmal ging es in einen Eifel-Wildpark, der als solcher zwar eingezäunt, aber von Besuchern im Innern zu begehen war, da sich überwiegend harmlose Tiere darin aufhielten. Da es Herbst war, gehörten auch die Wildsauen dazu, die nicht mehr so auf ihre kleinen Jungtiere fixiert waren, dass sie den Menschen gefährlich werden konnten, wie es einmal einem meiner Großonkel erging.

Seine Freizeit nutzte er, um ausgedehnte Waldspaziergänge zu machen. Es war Frühjahr und er hatte nicht mit einer kapitalen Bache gerechnet, die plötzlich im Kreise einer Reihe von Frischlingen vor ihm auftauchte. Er war wohl genauso erschrocken wie das Tier, bei dem allerdings augenblicklich der mütterliche Instinkt die Überhand gewann: Erzürnt grunzend setzte es zur Verfolgungsjagd auf den Großonkel an. Der war noch jung an Jahren und die Angst machte ihm zusätzlich Beine, so dass er dem Tier davonlief und auf den nächsten leicht zu besteigenden Baum flüchtete. Dort hätte er mindestens zwei Stunden festgesessen, berichtete er später, während das Tier lange Zeit versucht habe, die Erde unter dem Baum aufzugraben. Da er sich aber mucksmäuschenstill verhielt und ruhig dazu, hätte das Tier schließlich das Interesse verloren und sich endlich getrollt mit den Jungen.

Zeichnung: Kerstin Weinacht, Kerpen

Inzwischen sind die Wildschweine vor allem in den Parks etwas zahmer geworden. Andererseits sind sie draufgekommen, dass von menschlichen Besuchern oft sehr wohlschmeckende Bissen zu erhalten sind und so haben sie sich zu rechten Bettlern entwickelt. Im Nu sah sich die Damengruppe von etwa fünfzig Wildschweinen umringt, und das war ihr nun doch nicht recht. Vielmehr gerieten einige in echte Panik und versuchten, fluchtartig der sie umringenden Meute zu entkommen, was allen Fluchtwilligen auch auf Anhieb gelang. Die weniger Ängstlichen nahmen Reißaus, da man um die gute Kleidung fürchtete, die man keineswegs mit dem ganz speziellen Sauenparfüm imprägnieren lassen wollte. Nur eine der Damen in einem tigerfellgemusterten Pelzmantel blieb seelenruhig im Pulk der Sauen übrig. Und siehe da, plötzlich nahmen vor ihr alle Sauen Reißaus und stoben wie gejagt davon! * Ob es nun stimmt oder nicht, was sie treuherzig von sich gab - die anderen fanden es zum Totlachen, weil man sich etwas Langsameres und Friedlicheres als diese Dame durchaus nicht vorstellen konnte: „Die haben sicher gemeint, ich wäre ein Tiger!