Das „wirklich" erste Freibad im Landkreis Daun?

Lothar Peter Schun, Lissendorf

Im Heimatjahrbuch 2013 findet sich ein Artikel von Helmut Schäfer, Gerolstein, mit dem Titel „Das erste Freibad im Landkreis Daun". Gemeint ist das Freibad in Gerolstein, in dem auch der Schreiber dieser Zeilen nicht nur geschwommen ist, sondern auch das Schwimmen erlernt hat. Sicherlich ein interessanter und informativer Bericht, der lediglich in einem Punkt korrigiert werden muss: Die Ortsgemeinde Lissendorf war ca. 25 Jahre früher Besitzer eines Freibades, damals noch Badeanstalt genannt. Dabei handelte es sich nicht um irgendeine Badestelle an Kyll oder Dümpelbach, sondern um Betonbecken mit Sprungbrett, Umkleidekabinen und einem „Bademeister". Im Rahmen einer weitgehenden Maßnahme, in der Quellen gefasst wurden und der den Ort durchfließende „Dümpelbach" kanalisiert und einige Brücken gebaut wurden, erfolgte auch der Bau der „Badeanstalt". Nach den Plänen des Diplomingenieurs End-ris aus Gerolstein wurde ein vom Bach und einigen Quellen gespeistes Schwimmbecken geschaffen. In der damaligen Zeit ein in der Eifel und für eine kleine Gemeinde im ganzen Regierungsbezirk sicherlich einmaliges Vorhaben. Am 5. August 1928 feierte die Gemeinde die Einweihung mit einem riesigen Fest, dessen Programm die Schulchronik überliefert hat:

Empfang der auswärtigen Vereine am Bahnhof Festzug zum Festplatz - Musik- und Liedervortrag auf dem Festplatz - Begrüßungsansprache durch Bürgermeister Vossen

- Aufmarsch der deutschen Jugendkraft und Freiübungen - Freischwimmen - Wettschwimmen - Ansprachen und Grußworte - Preisverteilung, Überraschungen - Fackelpolonaise auf dem Festplatz, Beleuchtung des Burgberges

- Abmarsch des Fackelzuges zum Bahnhof, Verabschiedung der Vereine - Rückkehr ins Festlokal, Musik und Tanz bis 1 Uhr

Dabei gab es noch einen beinahe sehr schlimm ausgehenden Zwischenfall, den der Lehrer in der Schulchronik wie folgt schildert:

„Ab 19 Uhr gab es Kahnfahrten und Überraschungen selbst unvorhergesehener Art. Der Meeresbeherrscher sollte gerade der Tiefe des Wassers entsteigen, um den im Kahn sitzenden Nörgler und Besserwisser zu belehren, als allzu vorwitzige und unvorsichtige Töchter trotz Warnung meinerseits sich zu nahe der nassen Behausung Poseidons zuwandten und nach Krachen des Geländers eine ungewollte kühle Aufnahme fanden.

Plötzlich teilweise Flucht und Kopflosigkeit! Einige Schwimmer und ich sprangen mit den Kleidern ins Wasser und reichten die „nassen Vorwitz" den wackeren Zugreifern am Rande. Johann Meyer zog ein Schulmädchen vom 2. Schuljahr noch rechtzeitig aus der Tiefe."

Der Autor hat selbst noch mit Augenzeugen gesprochen, die berichteten, dass im Durcheinander des Vorfalls das Mädchen beinahe ertrunken wäre.

Das Schwimmbad diente danach der Bevölkerung, aber auch den Schulen und Vereinen als Freizeit- und Wettkampfstätte. Interessant ist ein Blick in die Badeordnungen und Bestimmungen über Eintritt, Verhalten und Öffnungszeiten.

Dabei muss man berücksichtigen, dass die Moralvorstellungen in dieser Zeit ganz andere waren und auch die Kirche das Vorhaben sehr kritisch sah. Nur von daher sind die Öffnungszeiten zu verstehen, die kein gemeinsames Schwimmen von Männern und Frauen bzw. Jungen und Mädchen vorgesehen hat! Ein Auszug aus der offiziellen Bekanntmachung mag dies verdeutlichen: Sonntags von 12 bis 14 und von 16 bis 19 Uhr nur für männlichen Personen Montags von 11 bis 14 und von 16 bis 18 1/2 Uhr nur für weibliche Personen Dienstags und Mittwochs 16 - 19 Uhr nur für männliche Personen

Donnerstags von 16 - 18 1/2 Uhr nur für weibliche Personen

Samstags allerdings wurde es gefährlich, denn von 11 - 14 Uhr waren weibliche Personen und von 14 - 19 Uhr männliche Personen zugelassen.

Aber da gab es die Anweisung an den Badewärter: „.. insbesondere haben Sie darüber zu wachen, dass beim Baden von Mädchen und Frauen keinerlei männliche Personen innerhalb der Badeanstalt anwesend sind und ebenso umgekehrt..."

Auch die Badestunden für die Schulkinder waren so gelegt, dass keinerlei sittliche Gefährdung auftreten konnte, denn die Mädchen hatten ihre Zeiten Dienstags und Samstags, die Knaben Montags und Freitags. Auch hier gab es eine Anweisung an den Bademeister: „Beim Baden der Schulmädchen haben Sie nicht anwesend zu sein."

Interessant ist auch ein Blick auf die Eintrittspreise, diese betrugen im Jahr 1929: Einheimische 15 Reichspfennig Auswärtige 30 RPfg Sommerfrischler 50 RPfg Es gab also eine Art „Kurtaxe". Offensichtlich bewährte sich jedoch die Preisgestaltung nicht, denn 1934 zahlten Einheimische 20 Rpfg., Auswärtige 20 Rpfg. und auswärtige Kinder unter 10 Jahren 10 Rpfg. Die Schuljugend hat freien Eintritt, wenn sie von einem Lehrer bzw. Lehrerin begleitet werden. Während der Kriegszeit ließ naturgemäß Nutzung und Pflege des Bades nach und so wurde es schließlich unbenutzbar und verlandete. In den 1960er Jahren erfolgte dann die Reaktivierung und das Schwimmbad fand reichlichen Anklang; dieses Mal natürlich mit gemeinsamen Öffnungszeiten für alle Bevölkerungsgruppen gleichzeitig. Um 1970 erfolgte eine Renovierung; das Freibad wurde danach nicht mehr aus dem Bach mit Nachschub versorgt, sondern mit reinem Quellwasser gefüllt.

Die danach stetig steigenden Anforderungen an die Wassergüte, Anwesenheit eines entsprechend ausgebildeten Bademeisters und andere Auflagen machten dann erhebliche Investitionen notwendig.

Dies war trotz aller Bemühungen der Ortsgemeinde letztendlich nicht durchführbar und so musste der Ortsgemeinderat 1981 das endgültige Aus über eine mehr als 50jährige Geschichte des Schwimmbades beschließen. Es wurde in ein Biotop umgewandelt, welches gleichzeitig als Regenrückhaltebecken dient. So wurde in Lissendorf ein Schritt vollzogen, der leider heute auch bedeutend größere Gemeinden oder Städte trifft. Der Vollständigkeit halber sei allerdings berichtet, dass es in früheren Jahren auch schon eine entsprechend eingerichtete Badestelle in Stadtkyll gegeben haben soll, die allerdings nur für Jungen und Männer nutzbar war.