Der Welten Lauf......

Harald Billen, Niederstadtfeld

Wenn man heute mal bewusst über früher nachdenkend durch sein Heimatdorf geht, dann stellt man schon sehr den Wandel der Zeit fest. Bei uns in Niederstadtfeld ist zum Beispiel bereits seit Jahren das kleine EDEKA Geschäft in der Ortsmitte geschlossen. Wie oft ist man als Kind von der Mutter dorthin geschickt worden, um eine fehlende Kleinigkeit einzukaufen. „Lauf noch schnell bei ,Hey's Annemie' was holen!", hieß es dann. Für uns Kinder und später auch als Jugendliche war es der alltägliche Treffpunkt. Draußen auf der Treppe sitzend, kam so manches Gespräch zustande, weil ja immer jemand anzutreffen war. Meist kam auch die ältere und etwas korpulente Frau Lena Scholzen zum Einkaufen. Wir mussten, oder besser gesagt, wir durften immer deren Einkaufstasche zu ihr nach Hause tragen. Dafür gab's 50 Pfennig, die natürlich wieder sofort im Laden umgesetzt wurden. Ich kann mich ebenfalls noch an die BP-Tankstelle unten an der Hauptstraße erinnern. Undenkbar heute, eine Tankstelle in Niederstadtfeld. Am dazugehörigen Gebäude, der späteren „Brückenschänke", hing damals ein kleiner Automat. Man konnte eine Mark einwerfen und sich dann aus verschiedenen Fächern Süßigkeiten aussuchen. Wahrscheinlich ist das der wahre Grund, warum ich mich an die Tankstelle erinnere!
Apropos Tankstelle: Zwei Kilometer weiter in Oberstadtfeld war die nächste Tankstelle, nach weiteren drei Kilometer in Pützborn ebenfalls eine und im nahen Daun deren mehrere! Und das bei erheblich weniger Autos als heute, unglaublich!
Markant für das Dorfleben waren früher auch die kleinen Bauernbetriebe. Die Misthaufen auf dem Hof und auch die durch das Dorf verteilten Kuhfladen gehörten einfach dazu und haben, trotz des Geruchs, kaum jemanden gestört.
Auch während der Herbst- oder Winterzeit ein geschlachtetes Schwein auf einer Leiter vorm Haus hängend, war ein gewohnter Anblick. Manchmal haben wir zugeschaut, wenn „Meddi Albert" ein Tier schlachtete. Ich fand's immer ziemlich gruselig. Vor allem das laute Quieken des Schweines, wenn es mit einem Strick zur Schlachtstelle gezogen wurde, berührte mich sehr.
Im Sommer half man bei der Heuernte. Wir fuhren gern auf dem Ladewagen mit. Später wurde dann das Heu ins Heugebläse geworfen oder die Ballen in der Scheune gestapelt. Für uns Kinder war's mehr Spiel und wir hatten Spaß dabei. Für die Bauern und auch Bauersfrauen war es harte, schweißtreibende Arbeit. Verschwunden sind heute auch die großen Milchkannen an der Straße, die das Milchauto einsammelte. Und auch die kleinen Milchkannen, mit denen die Dorfbewohner ihre Milch beim Bauern holten, dienen heute eher als Dekoration.
Was ist nicht alles in den letzten Jahrzehnten verschwunden: die gelben Telefonzellen, die ortseigene Poststelle, Wirtshäuser. Der alte Friedhof an der Kirche wurde durch einen neue Anlage außerhalb des Ortes ersetzt, und auf der Wiese Schlittenfahren im Winter geht auch nicht mehr, denn dort stehen eine Vielzahl von Neubauten. Selbst ich habe auf der Rodelpiste „auf Bitzen" ein Haus gebaut. Vieles kommt einem in den Sinn, wenn man sich in sein Dorf von früher zurückversetzt. Nicht zuletzt auch die vielen Menschen, die teilweise schon lange nicht mehr da sind und die alle unser Dorf mitgestaltet und geprägt haben.
Oft denke ich auch daran, wenn mein Vater mir von seiner Kindheit erzählte und dann meinte: „Das ist der Welten Lauf!" Recht hat er. Drum ist es auch so wichtig, dass junge Menschen erfahren, wie früher Eltern und Großeltern lebten und was und wie sie es erlebten. Es regt vielleicht in der heutigen Zeit des Konsums und Überfluss mehr zum Nachdenken an.