Krankheit und Beerdigung in früheren Jahren

Maria Ferdinand, Neroth

Jung kann man sterben, alt muss man sterben. Ja, so heißt es im Volksmund. Aber darüber spricht man nicht gerne, denn niemand möchte daran erinnert werden. Obwohl das Sterben genauso wie die Geburt zum Leben gehört. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als Alt und Jung noch alle unter einem Dach wohnten, und zuweilen zwei bis drei Generationen zusammen an einem Tisch saßen. Wir Kinder hörten oft zu, wenn unsere Großeltern für eine friedliche und gute Sterbestunde beteten. Die kranken Menschen wurden, wenn es halbwegs möglich war, zu Hause gepflegt, und es war auch deren Wille. Es war keine Seltenheit, dass das Geburtshaus auch Sterbeplatz war.

Mancher Kranke lebte oft lange unter unerträglichen Schmerzen. Drum wurde sonntags, wenn die ganze Gemeinde zum Gottesdienst vereint war, für den Leidenden gebetet. Ferner ging man zu den Sieben Kreuzen für die Kranken beten. Diese Kreuze umrahmen unser Dorf noch heute und werden vom hiesigen Heimatverein gepflegt und mit Blumen geziert. Wenn dann die Sterbestunde nahte, wurden die Familie, die Nachbarn und der Pastor ans Krankenbett gerufen, um von dem Mitbürger Abschied zu nehmen, Man drückte dem Sterbenden die Hand und nach dem letzten Atemzug schloss man ihm die Augen. Der Tote bekam ein weißes Totenhemd angezogen und wurde auf ein Brett, das mit einem weißen Tuch umhüllt war, wieder in sein Bett zurückgelegt. In die gefaltete Hand gab man ihm ein Kreuz oder wickelte einen Rosenkranz darum. An das Hemd steckte man Palmenzweige und auf den Nachttisch neben ihm stellte man ein Glas mit Weihwasser, ein Kreuz und eine brennende Kerze. Bekannte, die sich noch von ihm verabschieden wollten, war so die Gelegenheit geboten, ihn noch zu segnen. Sogar die Schulkinder kamen, um ihn zu sehen. Als Dank bekamen sie dann ein Heiligenbild geschenkt. Die Fenster des Raumes, in dem der Tote lag, wurden mit schwarzen Tüchern zugehangen. Am folgenden Tag, nach dem Mittagläuten, kündigten die Glocken dann seinen Tod an. Drei Tage mussten die Angehörigen ihren Verstorbenen im Hause behalten und konnten sich auf die Beerdigung vorbereiten. Die Frauen aus der Nachbarschaft hielten Nachtwache. Den Rosenkranz betend oder im stillen Gebet versunken, verbrachten sie die Stunden, und die Hinterbliebenen fühlten sich nicht allein gelassen. An den folgenden drei Abenden traf sich die ganze Gemeinde in der Kirche, um den Rosenkranz zu beten. Die Vorbereitungen und die Besorgungen für den Tag der Beerdigung bereiteten der Familie viel Arbeit. Aber hier war Nachbarhilfe großgeschrieben. Jeder kam ja mal in diese Lage, und die Dorfgemeinschaft festigte sich auch durch dieses gemeinschaftliche Zusammenhalten.

Am Morgen der Beerdigung herrschte große Aufregung im Haus. Der ortsansässige Schreiner, der den Sarg angefertigt hatte, kam zum Aufbahren des Verstorbenen. Der Sarg wurde dann auf dem Hof auf ein Holzgerüst gestellt. Die selbstgebundenen, mit Krepppapierrosen geschmückten Kränze wurden um den Sarg gelegt. Kinder und Jugendliche bekamen weiße Rosen und Verheiratete und ältere Menschen schwarze. Ein Gefäß mit Weihwasser stand vor dem Sarg. Alle Angehörigen versammelten sich noch einmal vor dem offenen Sarg und folgten dann dem Ruf der Glocken, denn um zehn Uhr war ein feierliches Totenamt. Hier nahm immer die ganze Gemeinde dran teil, wobei alle in schwarzer Kleidung erschienen. Vorne in der Kirche stellte man sinnbildlich zum Gedenken des Verstorbenen eine Tumba, bedeckt mit einem schwarzen Tuch, auf.

Mit dem Lied „Wir sind nur Gast auf Erden" verließ man schließlich die Kirche und geleitete in einer Prozession den Verstorbenen zum Friedhof. Vor dem Sarg trug ein Messdiener das Kreuz mit dem gesegneten Krautwisch. Hinter dem Sarg folgten die Angehörigen und dann alle Beteiligten.

Währenddessen hatten einige Frauen viel Arbeit im Haus. Etliche Zimmer mussten geräumt und mit Bänken und Tischen ausgestattet werden. Zudem mussten sie das Essen für die Gäste vorbereiten. Denn es war üblich, dass die ganze Verwandtschaft zum Mittagessen blieb. Obwohl man sich oft das ganze Jahr nicht gesehen hatte, war dieser Tag ein Familientreffen, und die Gastfreundlichkeit wurde großgeschrieben. So gab es auch noch Kaffee und Kuchen am Nachmittag und schließlich Abendessen für alle Freunde und Bekannte. Es war ein Kommen und Gehen. Man hatte sich auch viel zu erzählen. So wurde es oft spät in die Nacht, und obwohl es für die nächsten Angehörigen ein schwerer Tag war, fanden sie doch Trost in ihrer Trauer. Das Grab des Verstorbenen zierte ein einfaches Holzkreuz. Die damals üblichen Kirchhofblumen, weiße Nelken, wurden nach einiger Zeit auf das Grab gepflanzt. Erst im Jahre 1967 bekam Neroth eine Leichenhalle. Heute ist deren Benutzung eine Selbstverständlichkeit und eine Erleichterung für die Hinterbliebenen.