So erlebte ich Hörschhausen

Hiltrud Theisen, Hörschhausen

16 Bewohner des Seniorenhauses Regina Protmann, Daun, trafen sich in der Abendrunde und haben sich über das Thema „Dorf im Wandel" unterhalten und so kam es zu diesem Beitrag.

Früher hatten die Dorfbewohner mehr Kontakt untereinander als heute. Trotz all ihrer Arbeit blieb immer noch Zeit für ein Schwätzchen, und jeder wusste über jeden Bescheid. Damals hatte meist nur der Vorsteher (Bürgermeister) ein Telefon. Dieses wurde nur für wichtige Angelegenheiten benutzt wie z.B. Krankheit oder Todesnachrichten. Wurde man angerufen, so schickte der Vorsteher jemanden, der einem Bescheid sagte, und ging dann mit zum Telefonieren. Anschließend erzählte man, worum es ging, und so wusste es am nächsten Tag das ganze Dorf.

Ähnlich verhielt es sich mit den Geburten. Die „Heffrau" (Hebamme) kannte jeder, denn jede Familie hatte mehrere Kinder. Hatte eine Frau Wehen, so legte sie sich erst ins Bett, wenn sie ihre Arbeit erledigt hatte. Meine Mutter brachte noch die vollen Milchkannen an die Straße, damit das Milchauto sie noch mitnehmen konnte, und legte sich dann ins Bett. Weil die Hebamme auch viel in umliegenden Dörfern tätig war, erfuhr die Verwandtschaft auch gleich von der Geburt. Die Post wurde immer von der gleichen Postfrau gebracht. Sie kam mit dem Moped und hatte nie Urlaub. Falsch adressierte Briefe erreichten dennoch den Empfänger, denn die Postfrau kannte alle Bewohner und auch die Verwandten.

Einige Dörfer hatten einen kleinen „Kramladen", wo man Lebensmittel und alle Dinge, die ein Haushalt brauchte, kaufen konnte. Meine Schwester tauschte dort gerne Eier gegen Süßigkeiten und mein Bruder machte dort mit vier Jahren alleine seinen ersten Einkauf (Brot und Milupa).

Dienstags kam ein Auto mit Backwaren in die Dörfer und donnerstags der „Jesbösch" (Geisbüsch). Er hatte seinen Kombi mit Lebensmitteln voll beladen, und wir Kinder freuten uns schon auf diesen Tag. Denn dann durften wir uns Süßigkeiten aussuchen. Erwachsene erfuhren Neuigkeiten aus den Dörfern. Der „Jes-bösch" hatte auch ein Geschäft im Nachbardorf. Dort war die Kirche, und sonntags nach der Messe machte er sein Geschäft auch auf. Kirmes war ein großes Fest. Da wurden alle Verwandten mit ihren Kindern eingeladen. Das Wohnzimmer wurde ausgeräumt, tagelang gebacken und gekocht und natürlich auch extra dafür geschlachtet. Die Schweinehälften hingen dann - an einer Leiter befestigt - an der Wand. Aus dem Fleisch wurde Wurst gemacht oder es wurde gepökelt, damit es länger haltbar war, weil man ja keine Gefriertruhe hatte. Die Frauen von früher waren ohne Beruf. Sie versorgten das Haus, die Kinder und die Landwirtschaft. Die meisten Männer waren nach dem Krieg die ganze Woche auf der Arbeit und kamen freitags erst nach Hause. In dieser Zeit mussten die Frauen ihren „Mann" stehen. Es war auch eine Selbstverständlichkeit, dass derjenige, der das Elternhaus übernahm, die Eltern/Schwiegereltern, unverheiratete Tanten oder Onkeln, die im Haus lebten, versorgte und pflegte.

Es gab noch keinen Kindergarten. Baby's wurden im Kinderwagen zur Feldarbeit mitgenommen, größere Kinder spielten am Feldrand oder halfen. Wenn meine Mutter die Stallarbeit machte, holte sie meinen Bruder im Schaukelpferd mit in den Stall.

Und wie ist es heute?