Einer sagt es dem Anderen!

Gisela Umbach, Steineberg

Manchmal möchte ich das Rad der Zeit zurückdrehen, bis in meine Kindheit. Fernseher und Telefon hatten wir nicht. Von den heutigen Info-Möglichkeiten ganz zu schweigen. Kommunikation fand da statt, wo sich Menschen begegneten.

Das erste Schwätzjen hielten die Bauern schon morgens früh am Milchbock, einem Holzgestell, wo die Milchkannen zum Abholen gesammelt wurden. Auch an den Dorfpumpen standen die Leute beieinander (siehe Bild). Damals hatten wir noch ein Baackes (Backhaus) und eine Wirtschaft (Gaststätte) im Dorf, wo immer Neuigkeiten erzählt wurden. Egal, wann ich durchs Dorf ging, es war immer Leben auf der Straße.

Auch in meinem Elternhaus wurde stundenlang über Dorfpolitik und Sonstiges diskutiert. Mein Vater war Haarschneider im Ort. Samstags wurden Haare geschnitten. Bis in den späten Abend gehörte die Küche den Männern.

Bild von Gisela Umbach, etwa um 1930-35: Peter oder Jakob Willems und Schwester Barbara. Gertrud Theobald (Mutter von Gisela Umbach) v.l.n.r.

Doch es gab auch Amtliches zu verkünden. Dafür wurde ein Kind mit der großen Schelle durch das Dorf geschickt und rief: „Jemeen, Jemeen." (Gemeinde, Gemeinde). Dann wurde aus jeder Familie eine Person zum dicken Baum bei der Kirche zitiert, wo der Ortsvorsteher wichtige Mitteilungen machte. Besonders oft kam die Schelle im Winter zum Einsatz, sie rief alle Männer zum Schneeräumen herbei, wenn das Postauto oder ein Arzt im Schnee feststeckten. Eine harte Arbeit. Wichtige Informationen bekamen wir täglich durch die Kirchenglocken. Sie verkündeten Freud und Leid. Heute ist vieles anders. Leider nicht alles gut! Die Straße ist fast menschenleer. Viele Steineberger von damals sind nicht mehr. Google, Facebook, Twitter und Internet veränderten das tägliche Miteinander extrem. Heute eilen die Informationen blitzschnell, nicht nur von Einem zum Anderen, sondern um die ganze Welt.

Milchbock und Backhaus sind verschwunden, die Wasserpumpen dienen zur Dekoration, die Gaststätte ist geschlossen. Abends ist Fernsehen angesagt und draußen herrscht Totenstille. Die Gemeindeschelle ist verstummt. Nur die Kirchenglocken läuten noch wie damals und verkünden Freud und Leid.