Die alte Dorfschelle

In den fünfziger und sechziger Jahren
- ich habe es noch selbst erfahren -
gab es kein amtliches Mitteilungsblatt,
was man schon fast vergessen hat.

Der Dorfchef ging mit der Schelle rund
und tat die amtlichen Meldungen kund;
zuvor er die Glocke kräftig schwang -
hier und dort, manchmal minutenlang.

Denn jedes Haus sollte die Botschaft hören,
kein Nebengeräusch das Gesagte stören.
Selbst schon bejahrt und zu seinem Leidwesen
musste Heinrich alles lautstark verlesen.

Schließlich war die Nachricht amtlich-gewichtig,
manches gar melde- und beitragspflichtig.
Und trotz Bürgermeisters Atembeschwerden
durfte nichts missverstanden werden.

Schon lang lebt der alte Mann nicht mehr.
Heut' bringt man uns das Amtsblatt her.
Doch die Glocke kommt wieder zu Ehren,
und zuweilen kann ein jeder sie hören.

Nunmehr hängt diese alte Schelle
in unsrer kleinen Dorfkapelle.
Geschichtsträchtig, alt, läutet dieses Teil
in neuer Funktion für das Seelenheil.

Höre ich dann die Glocke erklingen,
ist's mir, als würde Heinrich sie schwingen,
als er - selbst krank und hoch betagt -
sich noch pflichtschuldigst hat geplagt.

Rita Igelmund, Kleinlangenfeld