Kommunikationsmittel in Finnland im Jahre 1997

Tamara Retterath, Lirstal

Im Frühjahr 1997 absolvierte ich in Finnland ein zweimonatiges Sprachpraktikum, das sowohl einen Monat Sprachkurs in Helsinki als auch einen weiteren Monat Arbeitspraktikum in Forssa, einer Kleinstadt nördlich der Hauptstadt, beinhaltete. Gute Englischkenntnisse waren die Voraussetzung zur Teilnahme an diesem Projekt, denn Arbeitssprache war Englisch.

Finnland ist ein wenig besiedeltes Land, dessen Einwohner, besonders in Südfinnland, fremdspracheninteressiert sind. Die meisten Fernsehserien und Filme werden nicht synchronisiert, sondern nur mit finnischen Untertiteln versehen. Die Finnen lesen auch viel englischsprachige Literatur. So war die Sprachbarriere kein Problem für uns zwölf Teilnehmer.

Überrascht waren wir Deutschen alle von der großen Anzahl der in der finnischen Bevölkerung genutzten Handys. Zu diesem Zeitpunkt waren Mobiltelefone in Deutschland noch äüßerst rar gesät. Bei uns hörte man nur von Ärzten, die für dringende Notfälle mittels Handy erreichbar waren. Die wenigen Leute, die damals in Deutschland ein Handy besaßen und es nicht beruflich brauchten, wurden als Angeber belächelt, denn oft rannten sie bei Anrufen extra hinaus in den Garten oder in die Öffentlichkeit, damit alle deren technische Neuigkeit bewundern konnten. Ich persönlich kannte zu diesem Zeitpunkt in meinem Verwandten-, Freundes- und Kollegenkreis noch niemanden, der ein Mobiltelefon besaß. In Finnland hingegen war das Mobiltelefon schon bei der Allgemeinbevölkerung angekommen. Vorreiter waren die Finnen bei den Handys wohl, weil der ehemals weltgrößte Mobiltelefon-Hersteller Nokia seinen Hauptsitz im finnischen Espoo hatte. Deshalb deckten sich die Landsleute als Erste mit diesem heimischen Produkt ein.

Belustigt stellte ich fest, dass die Finnen ihre Handys überall hin mitnahmen - sogar auf die Toilette. Ich weiß noch, wie ich kopfschüttelnd und schmunzelnd nebenan in der Kabine saß, als es bei meiner "Nachbarin" klingelte, sie ranging und sich unterhielt während sie noch anderes erledigte.

An den freien Wochenenden in Finnland war ich oft mit Fernbussen unterwegs, um Land und Leute zu erkunden. Auch hier klingelte es häufig, so dass - für mich neu - die unterschiedlichen Klingeltöne zu hören waren und anschließend drauflos gequasselt wurde.

Als ich das in Deutschland nach meinem Praktikum amüsiert Bekannten erzählte, meinte einer, man müsse nicht überall erreichbar sein. Nur Personal müsse immer zur Verfügung stehen. Auf diese Stufe wolle er sich nicht begeben. Nur wenige Monate später, als der Boom auch nach Deutschland überschwappte, besorgte er sich sogar zwei, eins für sich privat und ein weiteres für seine Firma. Ich selbst kaufte mir erst 1999 mein erstes Handy.

Bei einer Unterhaltung mit meinen finnischen Kollegen, was mir als Deutsche in Finnland so auffalle, erzählte ich natürlich von meinen Beobachtungen. Da meinte einer der Kollegen, wenn das so sei, dann müsse man Deutsche Telekom-Aktien kaufen, aber gut aufpassen und diese dann abstoßen, wenn alle Bekannten und Verwandten in Deutschland mit einem Handy eingedeckt seien. Diese Aktien kaufte ich mir zwar beim Börsengang 1999, verpasste aber leider den günstigsten Termin, um sie zu verkaufen, so dass ich sie nach gesunkenem Kurs immer noch besitze. Eine finnische Kollegin verglich meine Erfahrungen in Finnland mit ihren eigenen, als sie in den 1950er Jahren ein Jahr in den USA verbrachte. Dort gab es bereits das Farbfernsehen, während in Finnland noch alle schwarzweiß schauten. Auch beim Internet waren die Finnen Vorreiter. Im Frühjahr 1997 hatte ich zwar schon vom Internet gehört, aber noch nie reingeschaut. Bei meinem deutschen Arbeitgeber hatten nur die Computerspezialisten Zugang zum Internet, nicht einmal mein Chef oder der Dezernent waren angeschlossen. Auch privat war mir niemand bekannt, der im World-Wide-Web surfte. In Finnland stand uns kostenfreies Internet sowohl in der Sprachschule als auch in allen öffentlichen Bibliotheken des Landes zur Verfügung. Bei den finnischen Gastfamilien und am finnischen Arbeitsplatz war das Internet selbstverständlich.

Als ich das, wieder zurück in Deutschland, zwei deutschen Vorgesetzten erzählte, konnten sie sich nicht vorstellen, dass für den normalen Büroalltag das Internet notwendig sei. Heute ist das Internet in allen Branchen auch in Deutschland selbstverständlich geworden. Nach meinem Sprachpraktikum war die Begeisterung für das Internet entfacht, so dass ich gleich darauf in Deutschland einen Internet-Kurs belegte und meine in Finnland erworbenen Kenntnisse erweiterte.