Katastrophe in der Eifel -23. September 1954

Helmut Schäfer, Gerolstein

Es gibt Tage im Leben eines Menschen, die er nie vergessen wird. Für Menschen im Bitburger Land, aber auch im weiteren Umland war der 23. September 1954 ein solcher. Noch waren die Menschen beim Wiederaufbau ihrer während des Zweiten Weltkrieges zerstörten Häuser und Anwesen. Auch die schrecklichen Spuren des schweren Explosionsunglücks in Prüm (15. Juli 1949 - 12 Tote und 15 Schwerverletzte) waren noch nicht vollends beseitigt, da versetzte eine neue Katastrophe ungeheuren Ausmaßes die Menschen im Grenzland von neuem in Angst und Schrecken. Es war ein sonniger Tag nach einem verregneten Sommer, so berichten die Chronisten, genau der richtige Tag für das Einholen der Ernte oder auch für eine Funktionsprüfung einer Löschanlage im Tanklager in Niederstedem bei Bitburg. Dieses Lager befand sich gerade im Bau und war ein Glied in der Kette des Treibstoffnachschubs des alliierten Militärs. Insgesamt sollten bis zu 30 Millionen Liter Flugzeugbenzin auf dem Berg zwischen Niederstedem und Bitburg gelagert werden. Weil man sich des Gefahrenpotentials einer solchen Menge hochexplosiven Flugzeugtreibstoffes bewusst war, installierte die Firma TOTAL eine Feuerlöschanlage, die an diesem Tag vorgeführt werden sollte. Die Franzosen, damals die Hausherren in Niederstedem, hatten dazu hochrangige Gäste eingeladen - amerikanische und französische Militärs - Sachverständige des RWE - Vertreter deutscher Baubehörden und der beteiligten Firmen. Gegen 15.00 Uhr wurde dann getestet, wie im Notfall ein Feuer in einem Tank gelöscht werden konnte. Es sollte demonstriert werden, wie die Löschanlage funktioniert. Dazu wurde der Temperaturfühler aus Tank 2 ausgebaut, der bei einer Temperatur von 70 Grad das Ausströmen des kühlenden Gases bewirken sollte, das in Gasflaschen in einem eigenen Unterstand

vorgehalten wurde. Außerhalb des explosionsgefährdeten Bereichs hat man dann den Fühler in einem mit heißem Wasser gefüllten Eimer erwärmt. Der Fühler löste bei 70 Grad aus, und anschließend hörte man das Zischen des einströmenden Kohlendioxids (CO2). Nach erfolgreichem Test begaben sich die Zuschauer der Vorführung sofort auf den Deckel des rund 5000 Kubikmeter fassenden Tanks 2. Wenige Augenblicke später, um 15.58 Uhr explodierten dann die im Tank gelagerten rund 1,35 Millionen Liter Kerosin. Die Personen, die zum Zeitpunkt auf dem Tank oder in unmittelbarer Nähe gestanden hatten, wurden in die Luft gerissen. Über die Ursachen der Explosion gibt es mehrere Theorien. Sie reichen von der Entzün-

dung durch eine brennende Zigarette bis hin zu Schweißperlen, die sich in den Leitungen erwärmt hätten. Nach einem Gutachten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig geht man davon aus, dass es sich um eine Schlagwetterexplosion handelte. Das Gutachten sagt aus, dass es durch elektrostatische Aufladung des einströmenden Kohlendoxidgases zu einer gewitterartigen Funkentladung kam, die das Kerosin entzündete. Gegen 16.15 Uhr wurde im Großraum Bitburg Alarm ausgelöst. Alle verfügbaren Ärzte, das DRK Bitburg, alle Feuerwehren aus der Region waren schon bald am Katastrophenort. Mehrere amerikanische Spezialtanklöschfahrzeuge und Sanitätskraftwagen sowie Fahrzeuge der Feuerwehr Trier, der Feuerwehr aus Luxemburg und von der Air-Base Bitburg trafen ein. Ihre Besatzungen leisteten bei der Brandbekämpfung und Bergung der Toten und Verwundeten Erste Hilfe. Die Männer des THW Trier, die Ärzte, die Geistlichen beider Konfessionen, die Helfer des DRK und die Ange-

stellten in den umliegenden Krankenhäusern waren tagelang im Einsatz. Die Amerikaner setzten zwei Hubschrauber zur Suche und Bergung von Verletzten und Toten ein. Der riesige Rauchpilz, der weithin von dem furchtbaren Explosionsunglück kündigte, war aus einer Entfernung von etwa 25 Kilometer noch deutlich zu erkennen, Von den Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Katastrophe im Bereich des explodierenden Tanks befanden, wurden 29 getötet und neun teils schwer verletzt. Die Toten waren teilweise bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Viele waren durch den Explosionsdruck in die umliegenden Bäume geschleudert worden. Die Verletzten wurden ins Bitburger Krankenhaus und ins Lazarett des Flugplatzes Bitburg gebracht, wo einige der Verunglückten lange Zeit behandelt werden mussten. Unter den Toten waren 21 Deutsche und acht Franzosen.

Die Bekämpfung des Großbrandes war zunächst problematisch. Die amerikanischen Mammut-Löschfahrzeuge wurden hierbei zum

ersten Mal eingesetzt. Jedoch stellte sich bald heraus, dass die Wasserzufuhr unzureichend war. Durch Herstellung einer 2,5 km langen Schlauchleitung konnte Wasser von der Nims bis zum Unglücksort herbeigeführt werden. Gegen vier Uhr des nächsten Tages war der Brand gelöscht. Auch für die Umwelt hatte das Unglück verheerende Konsequenzen. Eine große Menge Kerosin floss über einen kleinen Bach in die nahe Nims - über Kilometer hinweg kam es zu einem kompletten Absterben jedweden Lebens in dem Gewässer, die Wasserentnahme aus dem Fluss wurde für mehrere Tage verboten.

In später einsetzenden Verhandlungen mit den Alliierten konnten weitergehende Schutzmaßnahmen nach deutschen Richtlinien im Tankbau durchgesetzt werden, die dann auch beim

Neubau des zerstörten Großtanks eingehalten wurden.

Ingenieur Joseph Schlagwein (39 J.) aus Neuerburg und Ingenieur Werner Schäfer (38 J.) aus Gerolstein waren die einzigen deutschen Überlebenden. Beide wurden damals im amerikanischen Flugplatz-Militärhospital medizinisch versorgt, sie schwebten wochenlang in höchster Lebensgefahr. Nach vielen Behandlungen, schwersten Operationen, mehreren Bluttransfusionen und Hautübertragungen konnten sie schließlich nach einigen Monaten entlassen werden. Am Unglücksort wurde 1955 für die bei der Katastrophe ums Leben Gekommenen ein Gedenkstein errichtet.

Quellenangaben:

Trierischer Volksfreund / Trierische Landeszeitung / BILD -Zeitung ~ Archiv Helmut Schäfer