Mein Telefon

Hans Gräfen, Darscheid

Kommunikation, gestern, heute und morgen. Die Gedanken zu diesem Thema für das Heimatjahrbuch 2014/15 kamen bei mir zunächst auf keine schlüssige Geschichte, die es wert wäre, im Jahrbuch zu stehen. Bei näherem Betrachten musste ich jedoch für mich feststellen, dass ja gerade ich, Jahrgang 1951, quasi die Kommunikationsrevolution miterlebt habe. Zugegeben, die Kommunikationsepochen mit Rauchzeichen, Fanfarenbläsern oder reitendem Boten haben schon eine geraume Zeit vor mir stattgefunden. Gewisse Grundtechnik war vorhanden, als ich das Licht der Welt erblickte. Was gab es 1951? Radio, in begrenztem Umfang Telefon, Militär und Polizei konnten mit riesigen Geräten funken. Meine bewussten ersten Schritte in die Welt der Kommunikation machte ich so als Sechs- bis Siebenjähriger. Dazu benötigte ich zwei aus Blech bestehende Konservendosen und ein dünnes Seil von zirka 30 Metern Länge. In beide Dosen wurde jeweils im Boden ein Loch gebohrt, sodass das Seil dort eingeführt werden konnte. Innen wurde es geknotet. Eine der Dosen hielt ich bei uns am Küchenfenster, die andere Dose befand sich am Küchenfenster meines Spielkameraden im gegenüberliegenden Haus. Nun konnten wir über diese Verbindung miteinander sprechen. Der eine sprach in die offene Dose, der andere hielt sich die offene Seite der anderen Dose ans Ohr. Perfekt, jeder, der will, kann das auch heute noch ausprobieren. Es funktioniert sogar ohne Strom und ohne Akku. Zugegeben, die Reichweite ist begrenzt, zudem müssen feste Zeiten zur Verbindung ausgemacht werden, denn Klingel oder Rufton gibt es bei dieser Art der Kommunikation nicht. Dann war es soweit - 1959 oder 1960,

Zeichnung: Kerstin Weinacht, Kerpen

das genaue Jahr ist mir nicht mehr erinnerlich, aber die Sensation schon. Die „Deutsche Post", Abteilung Telegraphen, rückte mit einem Bautrupp an. Es wurden Kabel gelegt, ein Haus-anschluss hergestellt und das erste Telefon bereicherte unsere Einrichtung im Haus. Ein Telefon, das den Namen noch wert war. Ziemlich groß, geschätzte drei bis vier Kilogramm schwer, mit einem Hörer, den man durchaus als Totschläger hätte benutzen können. Die Farbe war sehr dezent gehalten - schwarz -etwas anderes gab es gar nicht. Man muss dazu sagen, es war ein Diensttelefon des Energie-versorgers, bei dem mein Vater arbeitete. Von nun an war er für den Arbeitgeber zu jeder Zeit, auch außerhalb der Arbeitszeit, erreichbar. Das ergab natürlich Sinn, vor allem, wenn es im Energienetz zu Störungen kam. Dann meldete sich der Apparat mit einem fürchterlichen Klingelton. Ich möchte sagen, ähnlich der damals bekannten Pausenklingel auf dem Schulhof. Durch dieses Telefon waren wir nun theoretisch mit der Welt verbunden. Allerdings war die Anzahl der möglichen Kontakte sehr begrenzt. Wen sollte ich anrufen? Die wenigsten meiner Schulkameraden waren telefonisch zu erreichen. Und das, was es zu bereden gab, wurde während der Schulzeit besprochen. Mir ist kein Telefongespräch erinnerlich, das ich mit einem Schulkameraden geführt hätte. Dies kostete schließlich Geld. Ich glaube, so 20 oder 30 Pfennige je Ortsgespräch. Dem gegenüber standen Stundenlöhne von einer oder vielleicht zwei Mark.

Der schwarze Apparat war fest an einem Ort aufgestellt. Man bezeichnete es als Telefonbrettchen. Wählen mit der Wählscheibe, Ziffern 1-0, war nicht die einfachste Sache. Konzentration war gefragt. Glücklicherweise waren die Telefonnummern nur dreistellig. Das Abrutschen mit dem Wählfinger machte einen erneuten Wählvorgang erforderlich. Die Eigentumsverhältnisse bezüglich des Telefons waren auch genau geregelt - das Telefon selbst, die Telefonschnur (Kabel) sowie die separate Klingel waren Eigentum der Deutschen Post. Veränderungen oder Austausch war nur mit Genehmigung und durch deren eigene Techniker erlaubt. Die nächsten Jahre änderte sich an der Art der Telefone nicht viel. Die Präsenz in den Haushalten aber wurde größer, das Telefonnetz dichter und die Kosten zum Telefonieren immer höher. Als Monopolist machte die Post mit ihrem Telefongeschäft Millionen an Gewinn. Zum Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre kam ein wenig Bewegung in die Technik. Die Telefonapparate wurden etwas kleiner und man konnte zwischen verschiedenen Farben (orange, grün, creme-weiß) wählen. Das bisher sehr kurze Anschlusskabel entwickelte sich zu einer langen Telefonschnur, nicht zuletzt dank verschiedener amerikanischer Fernsehserien. Nun war es möglich, mit dem Telefon durchs Haus zu gehen und sogar gemütlich im Wohnzimmersessel zu telefonieren. In meinem Leben änderte sich auch etwas. Ich musste zur Bundeswehr. Und da bekam das Telefon einen ganz neuen Stellenwert. Wer jemals an einer Telefonzelle Schlange gestanden hat,

um nur wenige Minuten mit der Familie oder der Freundin zu sprechen, weiß wovon ich rede. Wartezeiten von einer oder zwei Stunden waren keine Seltenheit. Von einem Handy hat man zu dieser Zeit noch nicht einmal geträumt. Nach der Bundeswehr schloss sich bei mir die Gründung einer Familie an. Und meine Frau und ich bekamen 1974 unser erstes eigenes Telefon. Die Telefonnummer, die nun schon vierstellig war, durften wir uns selber aussuchen, sie ist uns bis zum heutigen Tag geblieben. Passend zu den 70er Jahren war unser Telefon leuchtend orange mit schwarzer Wählscheibe. Der Kontaktspeicher befand sich unter dem Telefon in Form eines aus Plastik bestehenden, alphabetisch geordneten Registers. Programmieren ließ sich das Register mit einem handelsüblichen Bleistift, wer einen Radiergummi hatte, war zusätzlich in der Lage zu löschen.

1979 zogen wir in unser neu erbautes Haus. Telefon war mittlerweile in jedem Haushalt Standard. Mit dem Einzug bekamen wir auch ein neues Telefon. Farblich in einem dunklen Grün, hatte es nun einen Nummernblock (!) mit Wähltasten anstelle der Wählscheibe. Das Gewirr der langen Schnur führte so manches Mal zu einem ordentlichen Kabelsalat. Bis in die 90er Jahre änderte sich an diesem Zustand nichts. Mein Arbeitgeber machte es möglich, mir aus einem Auslandseinsatz im Orient ein zu der Zeit hier sehr teures Mobiltelefon mitzubringen. Der Anschluss an unser Telefonnetz war offiziell gar nicht erlaubt. Aber es funktionierte prima. Plötzlich hatten wir keine lange Schnur mehr, konnten uns im Haus während des Telefonierens frei bewegen. Das I-Tüpfelchen dieser neuen Technik waren programmierbare Rufnummern. Das ewig lange Wählen hatte

für die regelmäßigen Anrufe ein Ende. Einen Quantensprung machte ich 1997. Von nun an war ich stolzer Besitzer eines Handys. Gut 20 cm lang, sechs cm breit, zwei cm dick. Von nun an waren Telefonzellen bei Reisen für mich kein Thema mehr. Jederzeit telefonieren und erreichbar sein, daran musste man sich auch erst einmal gewöhnen. Allerdings konnte ich mit diesem Handy nur telefonieren - aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Andere Merkmale waren noch nicht vorhanden. Das sollte sich allerdings bald und mit riesigen Schritten ändern. Heute hat man ein Smartphone mit allen Segnungen der modernen Technik. Telefonieren ist schon fast zur Nebensache geworden. Es ist Fotoapparat, Terminkalender, Diktiergerät, Videokamera, Schreibmaschine, Surfbrett fürs Internet und so weiter. Ich glaube, die Fahnenstange ist da bei Weitem noch nicht erreicht. Mein Haustelefon hat sich ebenfalls zu einem Multitalent entwickelt. Zwei Mobilgeräte mit hundertfachem internen Speicher, Rufnummernerkennung, Rückruffunktion, Babyfon, Freisprecheinrichtung, Anrufliste, Wochen-, Monats-, Jahresübersicht etc. etc. Manchmal weiß man nicht mal mehr, wofür eine Funktion gut ist und ob sie einem überhaupt hilft. Für mich ist das Handy oder Smartphone die Erfindung des letzten Jahrhunderts. Wohl dem, der sich nicht knechten lässt von dieser faszinierenden Errungenschaft. Die kommunikative Revolution geht sicher noch eine ganze Weile weiter.