Feldpost - Korrespondenz zwischen Front und Heimat im 2. Weltkrieg

Matthias Thömmes, Philippsheim

Der Zweite Weltkrieg hat unermessliches Leid über die Familien in Deutschland, Europa und in viele Teile der Welt gebracht. Millionen von Vätern und Söhnen wurden zum Kriegsdienst eingezogen und mussten an allen Fronten ihr Leben einsetzen, während zu Hause die Frauen und Mütter voller Angst um ihr Leben bangten. Einzige Verbindung zwischen den Soldaten an der Front und den Menschen in der Heimat waren die Briefe, die von der Heimat an die Front und umgekehrt gingen. Die Briefe, die von der Front kamen, wurden Feldpost genannt. Als Absender durften keine Standorte genannt werden; sie waren durch sogenannte Feldpostnummern gekennzeichnet. Die Feldpostbriefe sind heute wichtige Zeitdokumente, da sie uns eindruckvolle Einblicke geben sowohl über das Geschehen an der Front als auch das damalige Leben in der Heimat.

1940 wurde mein Vater zum Militär eingezogen. Er kam zunächst nach Frankreich und wurde 1941 mit Beginn des Russlandfeldzuges an die Ostfront verlegt. Während der Zeit, in der mein Vater in Frankreich war, konnte meine Mutter beruhigt sein, denn der Frankreichfeldzug war vorbei und es bestand kaum noch Gefahr. Anders wurde es, als mein Vater nach Russland verlegt wurde. Hier waren die Kämpfe noch in vollem Gange, so dass er ständig in Gefahr war. Vater versicherte zwar immer, dass er in der Etappe als Fahrer eingesetzt sei und daher kaum in Lebensgefahr gerate, doch waren das wohl mehr Aussagen zur Beruhigung. Die Kernaussage aller Briefe war immer wieder der Satz: „Es geht mir gut! Es grenzt jedenfalls fast an ein Wunder, dass er die fünf Kriegsjahre unbeschadet überstanden hat.

Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie Mutter es geschafft hat, mit vier Kindern alleine diese schweren Kriegsjahre zu bewältigen.

Vater auf Heimaturlaub

Abgesehen von der enormen Arbeit, die wir Kinder machten, war doch die ständige Angst um das Leben unseres Vaters das viel schlimmere Übel. Täglich warteten wir fieberhaft auf den Zeitpunkt, wenn die Post ausgetragen wurde, um dann enttäuscht und traurig den nächsten Tag abzuwarten, wenn wieder kein Brief dabei war. Um so größer war die Freude, wenn Vater geschrieben hatte. Er schrieb zwar regelmäßig und schickte ab und zu sogar Päckchen, aber oft waren die Zeitspannen zwischen den einzelnen Feldpostbriefen doch so lang, dass die Angst wieder anwuchs. Was Mutter in diesen Jahren an Ängsten und Sorgen ausgestanden hat, haben wir Kinder erst viel später ermessen können. Fast täglich trafen Gefallenenmeldungen ein und schürten die Angst davor, dass auch Vater einmal dabei sein könnte. Trotz der zahlreichen Gefahren, in denen Vater sich sicher ständig befand, war er dennoch auch in weiter Ferne um unser Wohl besorgt. So war eines Tages meine Freude unbeschreiblich, als er mir zu Weihnachten aus Russland ein paar Schlittschuhe schickte. War doch eine solche Kostbarkeit bei uns schon lange nicht mehr zu bekommen.

Obwohl keine Angaben über Standorte gemacht werden durften, erfuhren wir doch immer wieder, wo er sich aufhielt. Wenn Vater Urlaub hatte, erzählte er, wo er überall war. Manchmal schrieb er auch in seinen Briefen, wo er sich befand, aber das war nicht ungefährlich, denn regelmäßig wurden Feldpostbriefe geöffnet und ihr Inhalt überprüft. Vater hat in den Kriegsjahren fast halb Russland gesehen. Stationen waren u. a. Minsk, Charkow, Kiew, Simferopol, Sewastopol (Krim), Stalingrad bis hinunter zum Kaukasus. Uns Kindern waren diese Namen geläufig und ständig gegenwärtig. Schlimm waren die letzten Kriegsmonate. Die überstürzten Rückzugsbewegungen an der Ostfront ließen keine geregelte Feldpost mehr zu, so dass wir oft wochenlang nichts mehr von unserem Vater hörten. Als dann der Krieg zu Ende war, riss die Verbindung vollständig ab. Die Angst, die wir in dieser Zeit um unseren Vater hatten, kann man heute kaum noch nachempfinden. Es dauerte bis Juni 1945, als plötzlich unser Nachbar Jakob Hermes bei uns in der Stube stand und rief: „Euer Vater ist da! Das meine Mutter vor freudigem Schreck keinen Herzschlag bekommen hat, war alles. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsgefangenenlager in Bad Kreuznach war Vater zu Fuß bis nach Wallenborn marschiert und wurde nun von uns mit übergroßer Freude empfangen. Es dauerte Tage, bis Mutter und wir Kinder dieses freudige Ereignis verkraftet hatten. Leider ist kein Feldpostbrief aus dieser Zeit erhalten geblieben.