Kommt herbei und höret, was es zu berichten gibt

Felicitas Schulz, Hillesheim

Das tägliche Leben spielte sich früher unter der Linde ab. Sie war Mittelpunkt des Dorfes und ein Ort der Geselligkeit, wo man sich traf um Neuigkeiten auszutauschen und auch zu feiern.

Öffentliche Bekanntmachungen wurden immer im Schatten unter der Linde verlesen. So soll bei der Verlesung einer neuen, langen Forstverordnung vom Schultheiß gemurmelt worden sein: „ Ach, lieber Gott, wie viel neuer Geboth, laß es in Güte walten, wer kann sie alle halten". Zugleich war die Linde Gerichtssaal und Richtstätte zugleich. Meist fiel das Urteil unter der süßlich duftenden Linde „gelinde" aus. In vergangenen Jahrhunderten wurde jährlich an Walpurgis und Michaelis ein Land- und Rügengericht gehalten wegen Weidestreitigkeiten und Verzug der fälligen Zehntabgaben. In einer Malefizordnung (älteste deutsche Rechtsprechung) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Gericht „ unter der Linda und nicht anderswo als unter dem heitern Himmel abgehalten werden muss". Denn man glaubte, dass der in früheren Zeiten hoch verehrte Lindenbaum die reine Wahrheit ans Licht bringen könne. Als Dorf- und Hausbaum sollte die Linde der Gemeinde und der Familie Glück, Gesundheit und Freude bescheren. Und so kam es mehrmals im Jahr vor, dass der Schellemann mit einem Schreiben in der Hand durch die Gassen lief und rief: „Kommt herbei und höret, was es Neues gibt von Amtswegen unter der Linde, aus diesem herrschaftlichen Brief."

Die Linde galt als Sammelplatz der waffenfähigen Männer, tratschenden Weiber, trinkfesten Gesellen, und ihre Krone spendete auch dem durchziehenden Spielmann den nötigen Schatten. Oftmals standen Brunnen und Kirche in unmittelbarer Nähe. Die wiederkehrenden Fronarbeiten in den Gemeindewäldern

Foto: Linde, Oberehe-Stroheich

wurden öffentlich im Beisein aller männlichen Bewohner vom Bürgermeister oder einem Vertreter unter der Linde bekannt gegeben. Um bei Mutmaßungen, Verdächtigungen oder Getuschel den genauen Sachverhalt zu erfahren, lief man zur Dorflinde in der Hoffnung andere zu treffen, die Auskunft geben konnten. In Stroheich geht man davon aus, dass die über 400 Jahre alte Linde neben der St. Agatha-Kapelle eine bedeutende Rolle im Dorfgeschehen gespielt hat.