Moderne Kommunikation -Wohltat oder Verhängnis?

Alois Krämer, Bodenbach

Marietheres brach in Tränen aus: „Warum haben wir keine Nachricht erhalten. Nun ist der gute Hubert schon unter der Erde, und wir konnten nicht dort sein!" Ihre Hand krampfte sich um den Brief des Bruders, den sie in der Hand hielt, ließ ihn dann kraftlos zu Boden fallen. Das weiße Stück Papier segelte ein Stück weit und blieb auf dem verschrammten Linoleumboden der Küche liegen. Es war November 1956. Eine Briefmarke kostete damals 10 Pfennig, das Notopfer für Berlin gab es nicht mehr. Sie nahm den Brief wieder in die Hand: ... „Dass Ihr keine Nachricht vom Tode des guten Hubert erhalten habt, konnten wir nicht denken. Die Post von hier war am 11ten November aufgegeben worden. Käthe hatte am gleichen Tage eine Todesanzeige nach dort geschickt. Wo mag doch die Post geblieben sein? Wir hatten mit Eurem Kommen gerechnet. Ja, Ihr Lieben, das ist ein schwerer Schlag für die Lieben aus der Waldstraße. Man kann noch nicht denken, dass der Hubert schon in der Ewigkeit ist ...". So ging der traurige Brief weiter. Schmerzliche Tatsache war, dass der 29-jährige Neffe am 10. November 1956 bei einem entsetzlichen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen war. Die Beerdigung sollte am 18. November stattfinden, und ausgerechnet der Brief mit der Todesanzeige, der die weiteste Entfernung nach Köln zurücklegen musste, hatte nicht früh genug seine Empfänger erreicht. Was für eine Tragik: Käthe, die Mutter, die den bitteren Verlust des Sohnes noch lange nicht begriffen hatte, wartete vergebens auf den Besuch ihrer Schwester, die ihr am Beerdigungstag Beistand und Trost sein sollte. Erst Tage nach der Beisetzung kam die Todesanzeige an und gab Kenntnis vom Unglück. Das geschah, wie gesagt, im Jahre 1956. In den kleinen Dörfern hatte damals kaum jemand Telefon. In den betreffenden Familien gab es ohnehin keinen Anschluss, so dass dieses Kommunikationsmittel nicht zur Verfügung stand. Man verließ sich eben auf den Postweg, rechnete fest damit, dass der Brief frühzeitig seine Empfänger erreichen würde. Gerechnet mit den damaligen Beförderungsmöglichkeiten per Bahn hätte er binnen höchstens drei Tagen aus der Eifel ins Rheinland gelangen und an seine Empfänger ausgehändigt werden müssen. Die Möglichkeit, ein Telegramm zu schicken, hatte man nicht in Erwägung gezogen, aus welchen Gründen auch immer. Aber dieses hätte im Dorfladen, der auch eine Poststelle besaß, aufgeben werden können. Nur ein Brief schien auch in diesem Fall das gängigste Mittel zu sein, Nachrichten auszutauschen und miteinander zu korrespondieren. Weiter heißt es in dem betreffenden Schreiben: ... „Unser Karl kommt am Sonntag zu Euch. Frage ihn bitte alles, was Du wissen willst. Er wird Euch alles erzählen. Mündlich kann man das alles besser als schriftlich ...". Die persönliche Unterhaltung stand im Vordergrund und schien den Menschen das wichtigste Mittel der Verständigung zu sein. Ein Jahr darauf, als die Oma starb, schickte man dann doch ein Telegramm an die Verwandten im Rheinland, aus Angst, ein Brief könne wieder verlorengehen.

Kommunikation früher

Wie kam man an die neuesten Nachrichten, wie tauschte man sich aus? Stadt oder Land waren wohl unterschiedlich weit entwickelt. Telefon, Radio und Fernseher gab es in den 50er-Jahren schon, aber nicht jeder Haushalt besaß ein Radio, geschweige denn einen Fernseher. Ich erinnere mich, dass einer der Onkel in der Mayener Gegend ein Radio besaß, das abends für kurze Zeit an die Steckdose in der Deckenlampe angeschlossen wurde. Vielfach saß man aber am Feierabend beieinander und tauschte Neues und Altes aus, Lokales, Überregionales, plauderte über das, was so in der Welt wieder einmal passiert war. Ich erinnere mich, dass das ganze Dorf sich zusammenfand, als die Nachricht vom Berliner Mauerbau ruchbar wurde. Auf dem Dorfplatz wurde sich intensiv über dieses Ereignis ausgetauscht. Lokale Neuigkeiten wurden auch durch den Ausrufer, den „Mann mit der Schelle", verbreitet. Weitere Kunde kam durch die wandernden Hausierer ins Dorf, die die Häuser aufsuchten, um Kurzwaren für die Hausfrau, vielleicht Tabak für den Bauern und anderes anzubieten. Daraus ergaben sich weitere Gespräche, auch da wurden Informationen, deren der eine oder andere habhaft werden konnte, ausgetauscht. Das Postauto kam ins Dorf und brachte, abgesehen von Briefen und Paketen, mit Zeitungen auch allerlei Wissenswertes aus der Welt mit. Aber wer leistete sich denn damals ein Zeitungsabonnement? So war das in den 50er-Jahren mit den damals zur Verfügung stehenden Kommunikationsmitteln. Was gab es denn überhaupt damals neben mündlicher Übermittlung, neben Briefpost und Telefon sonst noch? Ein probates Mittel, um rasch Nachrichten zu übermitteln, war der Fernschreiber, im geschäftlichen Verkehr auch Telex genannt. In den 50er- bis in die 70er-Jahre war er das gängige Mittel für eilige und termingebundene Kommunikation von Unternehmen, Behörden und Gerichten. Auch Nachrichtenredaktionen nutzten den „Ticker" für Agentur- und Eilmeldungen bis in die neuere Zeit.

Zeit der Veränderung

Dann aber begann der Boom. Erstmals 1971 wurden in Westdeutschland mehr Telefongespräche geführt als Briefe verschickt. In den 80er-Jahren hatten die allermeisten Haushalte in Deutschland einen Telefonanschluss. Die ersten, modernen Tastentelefone gab es ab 1975. Und die Entwicklung ging stetig und immer rascher voran, vom Telefon mit Wählscheibe über Tastentelefone bis zu mobilen Telefonen unterschiedlichster Art, wie sie heute in jedem Haushalt zu finden sind. Die Zeit des Computers ging in den 80er-Jahren erst richtig los mit den modernen Arbeits- und Kommunikationsmitteln. Von Konrad Zuse mit seiner Z 3 aus dem Jahre 1941, der ersten funktionstüchtigen programmgesteuerten binäre Rechenmaschine, bis heute war es zwar ein weiter Weg, aber Hersteller wie IBM, Nixdorf und HP, später Apple, Dell, Panasonic und viele mehr wetteiferten und übertrafen sich gegenseitig mit der Entwicklung ihrer Rechner. In den 60er-Jahren gab es den ersten sogenannten Personal Computer, aber erst in den 70er-Jahren wurden die Computer kleiner, leistungsfähiger und preisgünstiger. Deren Blütezeit begann in den 80er-Jahren; 1990 wurde das Internet zur kommerziellen Benutzung freigegeben und begann immer schneller zu wachsen. 1997 waren immerhin schon rund sechs Millionen Computer mit dem Internet verbunden.

Kommunikation heute

Und heute? Mehr als 80 % aller Haushalte Deutschlands verfügen über einen PC mit In-ternetanschluss. Daneben gibt es ja noch die Smartphones, welche die Funktionen eines PDA bzw. Tablet-Computers mit der Funktionalität eines Mobiltelefons, eines transportablen Medienabspielgeräts, einer Digital- und Videokamera und eines GPS-Navigationsge-räts in sich vereinigen. Eine schnelle InternetAnbindung erfolgt wahlweise mittels einer mobilen Breitbandverbindung über den Mobilfunkanbieter oder per WLAN. Wohl nicht jeder, aber sehr viele Menschen nutzen es, Kinder und Erwachsene, Schüler, Berufstätige jeder Sparte bis hin zu den vielen Rentnern in unserer Republik. Im Jahre 2013 belief sich der Smartphone-Absatz erstmals auf mehr als eine Milliarde Geräte. Allein die beiden Marktführer Samsung und Apple konnten im Jahresverlauf knapp 470 Millionen Smartphones absetzen. Sehr wahrscheinlich wird sich das Wachstum in den folgenden Jahren fortsetzen. (http://de.statista.com/themen/581/smart-phones).

Auf der Erde könnte es schon im kommenden Jahr so viele Mobiltelefone wie Menschen geben. Das geht aus dem jüngsten Entwicklungsbericht der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) hervor. Die Zahl der Handys werde 2014 voraussichtlich die Marke von sieben Milliarden erreichen, sagen die ITU-Experten voraus. Die Weltbevölkerung umfasste nach UN-Schätzungen Anfang 2013 7,1 Milliarden Menschen. Bis 2015 sollen jährlich rund 78 Millionen Menschen hinzukommen. (http://www.rp-online.de/digitales/smart-phones/2014).

Für sich allein betrachtet, ist es ja völlig in Ordnung, diese Geräte zu benutzen. Aber könnte nicht die Gefahr bestehen, dass mancher über dem Umgang mit der modernen Kommunikationstechnik die Realität vergisst? Betrachtet man mit offenen Augen einmal einen Busbahnhof, wenn Schulschluss ist, was sieht man? Fast jeder Schüler hält ein Handy in der Hand, telefoniert damit oder sucht darin herum, betrachtet fasziniert irgendetwas oder spielt eines der tausend angebotenen Videospiele.

Da steht sie. Die ständig verbundene Jugend, hat sich persönlich nichts mehr zu sagen, außer über Mail, Facebook, Twitter, WhatsApp oder eines der anderen Mittel der modernen Technologie. „Boah Ey! Das geht ja voll ab hier ... Immer diese Chicken Talks! Bullshit, das ist nicht wahr! Gehen wir eine chiggen? Ich check das mal eben mit Kati", Jugendsprache in WhatsApp!! Und zu Hause geht's dann sofort an den PC, um zu skypen oder zu spielen! Vom Anfang der modernen Kommunikation, die Samuel F. B. Morse 1837 durch seinen Telegraphen begründete, bis heute sind 177 Jahre vergangen. Eine winzig kurze Zeit, gemessen seit der Erfindung des Rades. Ein Blick in die Zukunft scheint schwierig, doch sind allerlei unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten. Gehen wir doch einfach ins Internet und googlen ein bisschen, Google weiß doch alles ...

Alles auf Anfang?

Zurück in die alte Zeit können wir nicht mehr, eigentlich wollen wir das ja auch nicht mehr, und es ist aus tausendundeinem Grund auch gar nicht mehr möglich. Aber war es nicht doch schön, lange Briefe zu schreiben und sie zu empfangen? Sich darauf zu freuen, wenn der Briefträger einem einen dicken Umschlag in die Hand drückte? Auf schneeweißem oder cremefarbenem reinlichem Papier, vermittels Füllhalter und dunkelblauer Tinte nach vielem Nachsinnen, über das, was man dem anderen sagen wollte, niedergeschrieben? Doch, es war schön. Und manchmal schreiben die Menschen ja sogar noch mit der Hand - wenn auch nur noch ganz selten!