Feldpost, Brud und Grumberre

Mario Kaufmann, Martental

Wie bedeutend die Kommunikation und der Austausch von Nachrichten ist, wird jeder nachempfinden können, der schon einmal in Sorge um das Wohl eines nahen Menschen auf einen Telefonanruf, einen Brief oder eine Mail gewartet hat. In früheren Zeiten, die oft von politischen Veränderungen und Krieg bestimmt waren, war der Brief von Angehörigen ein heißersehntes Lebenszeichen. Wohl deshalb wurden solche Briefe, Postkarten und Feldpostbriefe in unserer Familie sorgfältig aufbewahrt und weitergegeben.

Eifler Soldat Napoleons

Die Grande Armee Napoleons war in Puncto Multikulturalität nicht zu übertreffen. Durch die Annektierung vieler Länder wurde deren Bevölkerung zu Franzosen, hinzu kamen Legionen anderer Nationalitäten und zwangsrekrutierte Regimenter. Entsprechend wurden Wehrfähige aus den deutschen Gebieten westlich des Rheins rekrutiert, u.a. auch aus der Eifel. Unter den älteren Schriftstücken sind drei Briefe unseres Verwandten Johann Gees. Er befand sich zu dieser Zeit als Chasseur à Cheval / Jäger zu Pferde in der Armee Napoleons bei der 8. Companie des 16. Regiments der Garnison Neufbrisach, Departement Haut Rhin. Er wurde wohl nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete von den Franzosen für den Militärdienst verpflichtet oder geworben. In seinen Briefen informiert er über seinen Aufenthalt und seine Tätigkeiten. Manchmal zeigt sich, wie er beim Schreiben mit dem Eifler Dialekt kämpft, wenn er bei der Aufzählung der Rationen von „Brud" und „Grumberre", Brot und Kartoffeln, erzählt. „Liebe Eltern, Brüder und Schwestern! Mit viell Vergnügen berichte ich euch unser ankommen frisch und gesund in unserer Garnison, ich hoffe ihr werdet auch bey guter Gesundheit seyn als wie ich euch verlassen habe; ich tue euch zu wissen, daß mir gelich an unsern ankommens Neun M...? Empfangen haben, mir müßen auch schon zu Exercire alle Tage - zu Pferd und zu Fuß; ich bitte euch mir gleich zu schreiben, mein Gruß an unsere gantze Freundschafft, wie auch an meine Kammeraden; ich küsse euch viellmahl und verbleib Euer getreuer Sohn Johan Gess 17.3.1809 Neufbrisach, Departement Haut Rhin"

In einem zweiten Brief vom 5.1.1812 schreibt Johann aus Uelzen. Er grüßt seine Familie, wünscht allen ein gesegnetes neues Jahr und berichtet davon, dass er in den letzten 18 Monaten noch keinen Brief von der Familie bekommen hat und sich um die Eltern Sorgen macht. Er berichtet aus dem Lagerleben: „mir bekommen alle Tag 1 halb Pund Fleisch und anderthalb Pund Brud, ein klein wienig Grumberre".

Die Eltern bittet er, ihm 2 Carlin Geld zu schicken, weil er es nötig habe, sonst seien er und die Kameraden alle „frisch und gesund". Aus dem dritten Brief vom 23.3.1812, den er aus Stettin / Preußen in die Heimat schickt, wird ersichtlich, dass er in der Zwischenzeit einen Brief als Antwort von den Eltern erhalten hat. Auch das Geld, so berichtet er, sei angekommen. Johan gehört jetzt zum 16. Regiment, 4. Companie, 4 Escadrun Armee du Alemang. Die Situation und Erwartung beschreibt er wie folgt: „Wir ligen in Preußen, wir glauben, es gehet immer weiter, wohl so jarr vor den Feient (Feind) in Rußland. Vergesse meiner nicht, ich vergesse euer auch nicht - euer getreuer Sohn bis in den Tod, Jean Gees, Johannes Gees". Weitere Briefe oder Nachrichten sind keine vorhanden. Vermutlich ist Johann auf dem Russlandfeldzug gefallen.

Auch aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sind einige Feldpostbriefe erhalten. All diese Briefe sind einmalige Lebenszeichen und Ausdruck der Verbundenheit. Wer weiß, was von der heute geübten „Kommunikationsflut der Banalitäten" einmal der Nachwelt erhalten bleibt oder als wertvoll erachtet wird? Vielleicht gilt dann auch der Satz: „Wer schreibt, der bleibt!"