Strohna Schlidde- un Rutschbonne

Helmut Schäfer, Strohn

In Anbetracht der derzeitigen Außentemperaturen fällt es schwer, an Winter zu denken. Wir schreiben mittlerweile Mitte Februar 2014. Für den morgigen Samstag prognostizieren uns sämtliche Wetterdienste zweistellige Plusgrade. Fast alle Gewächse haben schon auf Frühling umgestellt, denn Knospen sind all überall zu sehen. Spinnt denn Mutter Natur? Leider nein. Der Klimawandel zeigt sich immer deutlicher. Man sinnt drüber nach, was man früher „einen richtigen Winter" nannte: von Anfang November bis Ende März richtig viel Schnee und knackig kalt. In meiner Jugend, den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, gab es so etwas noch. Und sehr viel weniger Autos. Ob des wesentlich geringeren Verkehrs wurden die Straßen zwar geräumt, aber nicht so konsequent wie heute. Auf den Nebenstraßen wurde der gefallene Schnee von den wenigen Fahrzeugen festgefahren. Streudienst sah damals so aus, dass ein Lkw mit Streumaterial und Personal beladen durch die Orte fuhr, um die Hauptstraßen befahrbar zu machen. Es wurde Splitt verteilt, heimische feinkörnige Lava. Derart, dass einer auf der Ladefläche des Lkw stand und mit einer Schippe den Sand in weitem Bogen auf die Straße streute. Orte mit weniger Verkehr wurden erst später bedient. Wenn es des Nachts wieder schneite, war alles beim Alten. Es war halt sauglatt. Bei mir zu Hause in Strohn führte das dazu, dass unsere Hauptstraße im Oberdorf, der Hill, meist nur einen Belag aus platt gefahrenem Schnee aufwies. Für uns Kinder ein winterliches Schlaraffenland. Das war eine Schlittenbahn sondergleichen, „oos Schliddebonn". Von ganz oben am Ortsanfang konnte man mit seinem hölzernen Sportgerät der Marke Davos bei guten Bedingungen bis fast zur Brücke hinunterfahren. Anfänger saßen auf ihrem Gefährt, Könner lagen bäuchlings auf selbigem. Und hatte es in der Nacht richtig gefroren, ging es am anderen Morgen noch viel schneller nach unten. Manch einer der Profis landete ob der höheren Geschwindigkeiten ab und an bei Nettjes, dem Gemischtwarengeschäft, an der Hauswand. Das gab dann blutige Nasen und Schrammen im Gesicht. Schlittenfahren allein war aber noch nicht alles. Auf der abschüssigen Straße legten wir, so oft es ging, „en Rutschbonn" an. Der Schnee wurde auf einer bestimmten Länge, so um die zehn Meter waren es meistens, mit Schaufeln richtig verdichtet, festgeklopft. Dann gossen wir einige Eimer Wasser drüber, was über Nacht eine wunderbare Eisfläche ergab. Und am anderen Morgen mit Karacho drüberrutschen; mit beiden Füßen. Sein Gleichgewicht zu halten, war gar nicht so einfach. Oft genug landete man äußerst unsanft auf seinem „Hinnischden", dem Hosenboden. Mann, tat das weh! Machte aber trotzdem unwahrscheinlich viel Spaß. Genau den versuchte uns jemand sehr oft zu vermiesen: Brantzen Lena, die Wirtin aus der Linde. Sie wohnte in ihrem Haus genau auf der Höhe unserer Eisbahn. Wir waren ihr den ganzen Tag über wohl zu laut beim Rutschen. Deshalb streute sie am Abend heiße Asche aus ihrem Herd auf die Bahn. Scheinbar bedachte sie dabei nicht, dass es beständig fror. Drei Eimer Wasser am frühen Morgen über die Bahn, und nach zwei Stunden war alles wieder beim Alten. Trotzdem gab die alte Dame nie den Versuch auf, den Radau vor ihrem Hause zu bändigen. Meist mit wenig Erfolg. Es sei ihr im Nachhinein verziehen. Vielleicht lag es daran, dass sie keine eigenen Kinder hatte.