Unter dem Freiheitsbaum

Werner Schönhofen, Leutesdorf

Im Frühjahr 1997 veröffentlichte die Rhein-Zeitung den Fortsetzungsroman „Unter dem Freiheitsbaum" von Clara Viebig. Seither ist eine regelrechte Clara-Viebig-Renaissance eingetreten. Es hat sich eine Clara-Viebig-Gesellschaft gegründet, die regelmäßig in Bad Bertrich tagt. Die Werke der Dichterin wurden von Arne Houben (Rhein-Mosel-Verlag) wieder neu aufgelegt.

Bekannt wurde die Dichterin mit ihrem sozialkritischen Roman „Das Weiberdorf', der das Leben der Menschen in dem Eifeldorf Eisenschmitt bei Himmerod behandelt, wo die Männer monatelang im Ruhrgebiet arbeiteten und nur zur Kirmes oder zu Weihnachten nach Hause kamen. Wegen dieses Romans wurde die Dichterin seinerzeit hart angegriffen. Heute hat man sich dort mit der literarischen Berühmtheit der Vorfahren arrangiert und sogar einen Brunnen mit Romanszenen aufgestellt. Auch der Roman „Unter dem Freiheitsbaum" behandelt ein geschichtliches Thema und den sozial- und zeitkritischen Hintergrund. Clara Viebig hat ihn in der Zeit um 1800 angesiedelt, als das linke Rheinland für fast 20 Jahre französisch war. Die Zeit des revolutionären Umbruchs ist gekennzeichnet durch eine große Unsicherheit; Räuber machten das Land unsicher. Dabei wird auch heute noch nur allzu gern das Bild des die Reichen und die Juden beraubenden und die Armen schonenden Schinderhannes in historisch falscher Weise glorifiziert. Die entsprechenden Akten wissen von der Grausamkeit aller Banden gegen die gesamte Bevölkerung ohne Ausnahme zu berichten. Es waren mehrere Banden, die ihr Räuberunwesen trieben: die Schinderhannesbande besonders auf dem Hunsrück, die Moselbande an der Mittelmosel und rechtsrheinisch die Bande des Fetzer. Nur allzu vieles wird dem Schinderhannes und seiner Bande untergeschoben, so dass es scheinbar mit dem Teufel zuging, wenn er in einer Nacht an mehreren Stellen sein Unwesen getrieben haben soll. Er hat von allen Räubern die größte

Popularität erlangt. So wundert es auch nicht, wenn er und seine Bande die Handelnden in Clara Viebigs Roman „Unter dem Freiheitsbaum" sind. In Wirklichkeit trieb jedoch die Moselbande im Mittelmoselgebiet und den angrenzenden Gebirgsorten ihr Unwesen. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verfasste der Bücheler Hauptlehrer J. Müller das Manuskript „Die Lutzerather Hochfläche und ihre Randgebiete". Im Kapitel „Durch das Tal der Üß" können wir einiges über die Moselbande nachlesen; dort tauchen auch die Gestalten aus Clara Viebigs Roman, die zur Moselbande und nicht zu der des Schinderhannes gehörten, wieder auf. Die entsprechenden Stellen seien hier wiedergegeben: „Die adligen Räuber auf der Entersburg waren nicht die einzigen, die im Laufe der Jahrhunderte die Gegend an der unteren Üß beunruhigten. Noch leben im Volke fort die Erinnerungen an die Greueltaten der Moselbande, einer Räuberbande, die in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts in dieser Gegend ihr Unwesen trieb, bis ihr von der Behörde, besonders durch den Friedenrichter Adams von Lutzerath, der die Bande umsichtig und energisch verfolgte, das Handwerk gelegt wurde. Einen eigentlichen Hauptmann, wie die gleichzeitige Hunsrückbande unter Schinderhannes, hatte diese Bande nicht. Zu ihr gehörten: der Grobschmied Hans Bast Nikolai von Krinkhof, unweit Bertrich, die Seele der ganzen Bande; ferner Joh. Jak. Krämer, genannt Iltis Jakob, einige Zeit Jäger auf dem Hofe Trautzberg, Richard Bruttig, Metzger in Bertrich, der von sich sagte, ihm sei es einerlei, ob er einen Menschenkopf oder einen Kalbskopf abschneide; sodann Joh. Schiffmann von Reil, Tuchhannes genannt, ein jähzorniger und rachsüchtiger Müller; Niklas Dahm von Ellenz, Christian Hoscheid aus Reil, Lorenz Günther, ein alter Pferdedieb, Niklas Schwarz, Grund-birn-Klos genannt, erst Bettler, dann Dieb und endlich Straßenräuber und Mordbrenner; Matthes Dahm und sein Weib, wandernde

Bänder- und Zünderkremer; Johann Esuk, ein Pole, Deserteur aus österreichischem Dienste, Heinrich und Ernst Simonis, Schuster aus Kinderbeuren.

Diese Bande hat unter anderem in der Nacht auf den 23. August 1796 die ganze Familie des Müllers Krones auf der Sprinker Mühle bei Strohn hingeschlachtet, mit Ausnahme eines Sohnes, der gerettet wurde. Haupturheber dieser gräßlichen Mordtat war der Grundbirn-Klos, der dem Müller den Betrag für ein Pferd schuldete; um den Gläubiger, der ihn einst mahnte, los zu werden, ermordete er ihn mit seiner ganzen Familie. Ein zweites Hauptverbrechen der Bande war die Ermordung des Theodor Mungel aus Waldkönigen (Kr. Daun), in der Nähe von

Bertrich am 15. August 1797. Ein drittes war Brandstiftung, mit gewaltsamem Raub- und Mordversuch an Martin Hornig auf der Lieger Mühle bei Treis, in der Nacht vom 11. bis 12. März 1798. Wegen dieser und 36 anderer Verbrechen standen 13 Mitglieder der Bande, die man ergriffen hatte, im Sommer des Jahres 1799 in Koblenz vor dem Geschworenengericht. Sechs, nämlich Rich. Bruttig, Joh. Jak. Krämer, Nik. Dahm, Joh. Esuk, Nik. Schwarz und Heinrich Simonis, wurden zum Tode verurteilt und am 16. Januar 1800 hingerichtet, sechs wurden zu Kettenstrafen verurteilt und einer freigesprochen. Chr. Hoscheid und Hans Bast. Nikolaus aus Krinkhof, die man später ergriff, wurden am 10. August 1800 resp. am 3. August 1801 hingerichtet."