Der erste Fernseher

Winfried von Landenberg, Mürlenbach

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als in unserem Hause ein besonderes Ereignis Wirklichkeit wurde. Meine Eltern hatten eisern gespart und so konnten mein Onkel und mein Vater nach Bitburg fahren, um dort das lang ersehnte Fernsehgerät zu kaufen. Onkel Josef kannte den Fernsehverkäufer und konnte auch noch ein paar Prozente heraushandeln. Am 21. Juli 1969 um 15.00 Uhr war es dann soweit. Stolz kamen die beiden mit einem riesigen Karton bei uns zu Hause an. Dieser war so groß, dass er nicht durch die Haustür passte. Also wurde der Inhalt mit großem Brimborium einfach auf dem Hof ausgepackt. Ich hörte immer nur die Worte:" Pass auf, sei vorsichtig, mach die Bildröhre nicht kaputt und tritt ja nicht auf die Kabel." Also hielt ich respektvoll Abstand und ließ die Männer mit ihrem neu errungenen Schatz gewähren. Meine Mutter hatte derweilen bereits die Ecke links vor dem Sofa als Standort ausgesucht und frisch geputzt. Ein kleines gesticktes Deckchen auf dem Ecktisch sollte den Standort verschönern.

Als nach dem Auspacken das Gerät zum Vorschein kam, strahlten alle um die Wette. „Das ist aber ein schöner Fernseher, und so groß." war die einhellige Meinung. Vorsichtig, als sei dieser aus Glas, wurde das Gerät an seinen Platz auf dem Ecktisch bugsiert. Jetzt erst mal den Stecker rein und los geht es. Aber das war wohl falsch gedacht, denn an dieser Ecke war überhaupt keine Steckdose vorhanden. Früher war es nicht so wie heute, dass an jeder Zimmerecke mehrere Steckdosen waren. Ein Verlängerungskabel quer durch das Wohnzimmer musste es fürs erste auch tun. Aber mit dieser Maßnahme hatten wir ja noch keinen Empfang und kein Bild. Die mitgelieferte Antenne inklusive Koaxialkabel lag draußen auf dem Hof und da sollte sie auch noch eine ganze Weile liegen bleiben. Wochen später wurde sie dann an einem Mast auf dem Dach des Hauses befestigt. Irgendwie musste die Vorführung unseres neuen Fernsehers aber klappen. Das große Fenster zur Straße hin wurde auf Kipp gestellt und das Kabel ins Wohnzimmer gelegt und an den Apparat angeschlossen. Jetzt noch den Einschaltknopf drücken und dann sollte dem ungetrübten Fernsehempfang nichts mehr im Wege stehen.

Aber denkste. Ein ohrenbetäubendes Rauschen aus dem Lautsprecher und ein blizzardähnliches Schneetreiben auf dem Bildschirm waren alles, was das Gerät von sich gab. Auch ein beherztes Klopfen mit der Faust auf die Holzvertäfelung des neuen Kommunikationswunders half nichts. Dann dämmerte es den beiden Männern und sie mutmaßten, dass es wohl an der Antenne liegen könnte. Ich wurde nun in den Hof geschickt und musste mit der Antenne hin und her wandern und diese in alle möglichen Himmelsrichtungen drehen und wenden. Gut, dass das Antennenkabel mindesten 10 Meter lang war. Aus dem Wohnzimmer erhielt ich meine Befehle:" Etwas höher, etwas niedriger, gehe noch einen Meter vor, nein zwei Meter zurück usw." Zwischendurch hörte ich meinen Vater sagen: „Wir haben es bald. Gleich ist das Bild da. Nein! Mist, es ist wieder weg. So könnte man es jetzt einigermaßen sehen." Aber die ganze Sache hatte nur einen Haken, denn wenn das Bild diffus zu sehen war, stand ich wie ein Ölgötze mit der Antenne in der Hand auf dem Hof und durfte mich nicht bewegen, denn bei dem kleinsten Zucken war das Bild wieder weg.

Ich denke, diese Prozedur dauerte so zirka 2 Stunden und mir taten die Arme schon weh. Ich war immer technisch interessiert und hatte die große Hoffnung, dass ich die erste Mondlandung der Amerikaner im Fernsehen beobachten könnte. Diese wurde heute von der ARD übertragen. Aber bei den Empfangsaussichten?

Ich legte die Antenne enttäuscht auf dem eisernen Hofgeländer ab und hörte im gleichen Augenblick von drinnen einen infernalischen Jubel:" Das Bild ist da, beweg dich ja nicht!" Die kleinste Bewegung der Antenne und aus wäre der Traum.

Mit Draht wurde die Antenne nun, so wie sie dort lag, auf dem Eisengeländer festgebunden, damit sie nicht mehr verrutschen konnte. Als ich mir das Ergebnis im Wohnzimmer betrachtete, hatte ich das Gefühl, dass die gerade laufende Sendung im tiefsten Winter gedreht worden sei. Schemenhaft huschten diverse Gestalten, die an Menschen erinnerten, durch rieselnden Schnee über die schwarz weiße Mattscheibe. Na, ja, aber man konnte wenigstens etwas sehen - den Rest musste man erahnen.

Mein Vater strahlte und meinte:" Das wird noch viel besser, wenn die Antenne erst auf dem Dach ist." Ich hatte so meine Bedenken und sollte Recht behalten, denn unser Haus liegt zwischen zwei Hügeln und die Fernsehwellen erreichten auch die nächste Zeit nicht unsere mickrige Antenne. Bereits jetzt wurde mir klar, was das Wort „Mattscheibe" bedeutet. Als am 21. Juli Neil Armstrong tief in der Nacht (03.56 Uhr MEZ) verkündet, „ The eagle has landed" und danach als erster Mensch den Mond betritt und bewegt sagt:"Das ist ein kleiner Schritt für den Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit", schläft kaum einer, sondern jeder verfolgt gespannt das Ereignis im Fernsehen. Weltweit verfolgen 500 Millionen Zuschauer diese Sensation. Und dank der neuen Kommunikationstechnik bin auch ich einer davon, mit einer Decke auf dem Sofa liegend, denn das Fenster steht wegen dem Antennenkabel ja noch offen.