Die alte Graf-Mirbach-Straße in Hillesheim

Florian Schulten, Gerolstein

Die nachfolgende Anekdote hat sich im Jahre 1950 zugetragen. Hillesheim war damals noch keine Stadt. Die Stadtrechte wurden erst im Jahre 1992 verliehen. Die Hillesheimer mögen mir bitte verzeihen, wenn ich nicht von der Stadt Hillesheim spreche. In meinem Elternhaus stand unter anderem Vaters Klavier. Da mein Vater, infolge Krankheit, das Instrument nicht mehr spielen konnte, hatten meine Eltern beschlossen, dass ich Klavierunterricht nehmen sollte. Mein Klavierlehrer wohnte in Hillesheim in der Graf-Mirbach-Straße im Obergeschoss der Bäckerei Frings. Herr Peter Bohr war Organist und Leiter des Kirchenchores St. Martin, Dirigent des Musikvereins und Schneidermeister. Die Graf-Mirbach-Straße war eine Geschäftsstraße. Hier hatten viele Gewerbetreibende ihre Läden. In der Straße, ansteigend auf der rechten Seite, befanden sich folgende Geschäfte: Bäckerei und Cafe Hans Kloep (hier konnte ich im Sommer für 10 Pfennige ein Eis auf einem Hörnchen bei der schönen Liesel kaufen und draußen auf der Treppe verzehren). Es folgten das Gasthaus Schlösser (Bousch Mathes), das landwirtschaftliche Anwesen Krämer (Tröhlich), das Stammhaus des Konfektionsgeschäftes Hutter, der Metzgermeister Gier, der Obst- und Gemüseladen Daniels, der Dachdeckerbetrieb Vögele, die Bäckerei Peter Frings, die Pfarrkirche St. Martin und hinter der Kirche die Bäckerei Müller. Auf der linken Seite residierten das Möbelhaus Schlösser, die Kreissparkasse, die historische Gaststätte Mirbachhof, das Textilgeschäft Hauth, an der Ecke zur Burgstrasse die Bäckerei Hermann Kloep, die Spar- und Darlehenskasse, der Hutladen der Modistin Marianne Jung (hier roch es immer gut, wenn ich Mutters Hut abholen musste, der dort der Mode angepasst wurde), noch zwei weitere Landwirte und am Ende der Straße das Hutgeschäft der Familie Siegfried. Soviel zu der damaligen Örtlichkeit, allerdings ohne Gewähr für Vollständigkeit. Jeweils am Montagnachmittag fuhr ich mit dem Fahrrad von Berndorf nach Hillesheim (3 km) zur Klavierstunde. Meine Mutter hatte öfter kleinere Aufträge für mich, die ich in Hillesheim mit erledigen konnte. So hatte mein Vater eine Vorliebe für Schwarzbrot. Wie bereits oben erwähnt, gab es in der Graf-Mirbach-Straße auf wenigen hundert Metern vier Bäckereien. In einer wurde damals schon Schwarzbrot angeboten, wirklich eine Rarität zu der Zeit. Hier sollte ich, wie fast jede Woche, ein Pfund Schwarzbrot einkaufen. Der Bäckermeister war ein freundlicher und netter Mann, der mir auch, wenn sonst niemand im Laden war, etwas aus dem Bonbonglas zukommen ließ. Er hatte eine große Frau, die viel redete und sehr sehr neugierig war, ähnlich wohl der Schneidermeistersfrau bei den Heinzelmännchen zu Köln. „So, warst du wieder Klavierspielen, was kannst du denn schon alles spielen, wo fährst du denn jetzt noch hin, was musst du denn dort noch einkaufen?". Und so weiter und so weiter, so die Bäckerin jede Woche. Diese Ausfragerei war mir jedoch sehr zuwider, so dass ich meinen Eltern sagte: „Ich möchte dort nicht mehr einkaufen". Mein Vater gab mir den lustigen Rat, sollte die Bäckersfrau mich noch- mals ausfragen, wo ich denn noch hin wollte, sollte ich sagen: „Nach Afrika Affen fangen!" Frohgemut ging ich am Montag (balim, balim) in den Laden. „Tach, warst du wieder klimpern? Ein Pfund Schwarzbrot?" „Ja, ein Pfund Schwarzbrot bitte." Auf einer alten Brotmaschine säbelte sie mir einige Scheiben samt Krümel ab und dann ging es los: „Wo musst du denn jetzt noch hin?" „Nach Afrika Affen fangen" kam es von mir wie aus der Pistole geschossen. „Bah, was bist du ein frecher Lümmel, du ungezogener Kerl, das sage ich dem Herrn Bohr, deiner Mutter, dem Pastor, dem Lehrer...!" Fluchtartig habe ich den Laden verlassen, bin so schnell ich fahren konnte, nach Hause gerannt und habe meinen Eltern stolz erzählt, was ich angestellt hatte. Wir haben oft und viel darüber gelacht. Heute noch, wenn ich mit meiner Frau durch die Graf-Mirbach-Straße in Hillesheim gehe, kommt mir dieser Streich in den Sinn und wir schmunzeln jedes Mal erneut. Aber Schwarzbrot war für meinen Vater ab sofort gestrichen, denn Strafe muss bekanntlich sein.