„Schleifen" und Pfade aus Sägespänen

Mathilde Gros, Eltville

Nach dem Krieg ließen wir „Broteckenkinder" (Mundart „Brutecke" - Kinder aus dem Stadtteil ab Gerolstein Richtung Pelm) als Jugendliche in Gerolstein die alte Eifeler Tradition des „Schleifens" wieder aufleben. Die Initiatoren waren Heini Schöwer, Alois Poster, Edgar Laroche, Emil Lenzen und Spieß „Männ". Der Heulton beim Schleifen der Räder sollte die Trauer der Junggesellen darstellen, da dem Kreis der Mädchen wieder eins verloren ging.

„Schleifen"

Am Abend vor unserer Hochzeit 1950 erlebten wir das „Schleifen" dann selbst. Vor unserem Haus im Geeser Weg waren meine Familie und Nachbarn versammelt, als meine Freundinnen und Freunde mit viel Spaß mit einem großen hölzernen Leiterwagen, vor den sonst rechts und links der langen Deichsel Pferde oder Kühe angespannt wurden, um Heu, Rüben, Kartoffeln usw. vom Feld nach Hause zu fahren, den Berg hinauf kamen. Sie hatten sich das Gefährt wie auch die Sensen bei Familie Schmitz, einem benachbarten Bauern in der Dellstraße, ausgeliehen. Bei uns angekommen, drehten sie mit Geschick den Wagen um, so dass die Räder nach oben standen. Nun wurden die Holzräder, die der Schmied ja mit Eisenreifen versehen hatte, gedreht und die Sensen in einem bestimmten Winkel dagegen gehalten. Ein fürchterlicher heulender Lärm entstand. Als die Schleifer des Drehens müde waren, luden wir alle zu uns ins Haus zum fröhlichen Umtrunk ein. Danach hieß es, den Leiterwagen wieder zurück zu bringen. Das sollte sich in ein äußerst gefährliches Unterfangen entwickeln. Meine Freunde hatten den Wagen bereits an die abschüssige Straße bugsiert. Hier gingen die beiden Kräftigsten an die Deichsel und zwei an die „Kannick" (Bremse). So versuchten sie, ihn vorsichtig die Straße hinunter zu schaffen. Nach wenigen Metern bekam der hölzerne Wagen, wohl durch sein Gewicht, ein solches Tempo, dass sie ihn loslassen und abspringen mussten. Zum Glück machte das führerlose Gefährt selbst eine kleine Drehung, durchbrach einen Gartenzaun, wo es kurz darauf von einem Baum aufgehalten wurde. Der Zaun war demoliert, konnte aber bald wieder repariert werden. Die Hauptsache aber war, niemand hatte Schaden genommen. Als der erste Schreck vorbei war, brachen wir alle in helles Gelächter aus, und es gab bei uns noch eine Runde auf den glücklichen Ausgang.

Pfade aus Sägespänen

Damals brachten wir so manches Mal beim Schleifen auch eine andere Tradition wieder zu Ehren. Hatte ein Mädchen einmal einen Freund gehabt und heiratete später einen anderen Mann, streuten wir einen Pfad mit Sägespänen vom Haus der Braut bis zur Haustüre des ehemaligen Freundes. So konnte jeder sehen, wer einmal mit wem „poussiert" hatte. Größere Mengen Sägespäne, für eventuell besonders lange oder gar zwei Pfade zu beschaffen, war für uns damals überhaupt kein Problem. In der Nähe des „Broteckens" gab es die Schreinerei Wirtz. Schreinermeister Wirtz war ein freundlicher Mann mit Humor, der uns bei solchen Streichen immer gerne unterstützte.