Pitt Kreuzbergs Vermächtnis

Hartmut Flothmann, Schalkenmehren

Das 50. Todesjahr des Künstlers Pitt Kreuzberg (1888 - 1966), Maler der Eifel, verdient eine Reminiszenz. Sein Leben und Nachleben in seinem Wirkungsort Schalkenmehren hat deutlich sichtbare Spuren hinterlassen. So wie Pitt Kreuzberg kraft seiner Bilder seine Gefühle zum Ausdruck gebracht hat, soll auch an dieser Stelle ein Bild aus seinen letzten Lebensjahren an den Künstler und sein Schaffen erinnern. Das hier abgebildete Gemälde „Frau mit Herz", Mischtechnik auf Sperrholz aus dem Jahr 1964 mit der typischen Signatur unten rechts „Pitt 64" ist aus der Privatsammlung der Gebr. Rau. Es wurde erstmals 2014 in der Pitt-Kreuzberg-Galerie gezeigt - aus Anlass des Eifelvereinsbrunnenfestes in Schalkenmehren. Als Kulturwart des örtlichen Eifelvereins biete ich Führungen durch die Pitt-KreuzbergSammlung an.

„Frau mit Herz", Pitt Kreuzberg, 1964

Wir beschäftigen uns hier mit einem Spätwerk Pitt Kreuzbergs, das zwei Jahre vor seinem Tod entstanden ist. Zur Erinnerung: Die 1960er Jahre waren geprägt vom Vietnam-Krieg und der Ausweitung von Atomversuchen, was, wie wir wissen, nicht ohne Einfluss auf Pitt Kreuzberg blieb. Eine Vielzahl seiner Bilder aus dieser Zeit zeigen verlorene, geisterhaft umherirrende Figuren, denen kaum noch etwas Menschliches anhaftet und die im Betrachter ein Gefühl der Beklemmung auslösen. War dies der Blick von Pitt Kreuzberg in die Zukunft - nach einem Atomkrieg mit nur mehr rudimentären Formen menschlichen Lebens? Wir wissen es nicht. Auch dieses Bild erinnert gewissermaßen an diese Geisterwesen. Und doch unterscheidet es sich wesentlich davon. Obwohl ein Teil der zügig aufgetragenen Konturen (andeutungsweise Kopf, Gesichtsmerkmale, Schultern, Arme, Hände und Füße) in Weiß gehalten ist, schwebt diese Figur nicht bindungslos im Raum, sondern ist fest geerdet und verfügt zweifellos über einen Körper, der auf einem Schemel ruht. Details sucht man vergebens. Sitzfläche und Beine sind mit einem einzigen, fast trockenen Pinselzug in einer Bewegung hingeworfen. Auch der Hintergrund ist mit großzügigen, weit ausholenden Pinselstrichen in Gelb, durchmischt mit Blau, ausgelegt. Um Feinheiten geht es Pitt Kreuzberg längst nicht mehr. Er will auf Wesentliches hinweisen. Was er darunter versteht, hat er uns nicht in Worten mitgeteilt, sondern in der Darstellung dieser Frau. Uns bleibt deshalb nur übrig, uns vorsichtig an eine Interpretation zu wagen. Auch wenn die Farben kühl anmuten - hauptsächlich Gelb - Blautöne im Hintergrund, ein wenig Orange und Weiß als Konturen sowie diverse kräftige Blautöne - geht die inhaltliche Interpretation in eine andere Richtung. Eine freundliche, kräftige Person, wenn auch durch die Farbgebung des haarlosen Kopfes leicht verfremdet, sitzt seitlich nach links gewendet auf einem Schemel und dreht dem Betrachter Kopf und Oberkörper zu. Wie wir von Kreuzberg wissen, handelt es sich um eine Frau. Ihre rechte Schulter ist etwas hochgezogen. Der Oberkörper ist fast vollständig ausgefüllt von einem herrlichen, tiefen Unendlichkeitsblau, schwungvoll in Herzform umrandet von kräftig orangenen bis ins Weiß auslaufenden, schlanken Pinselstrichen. Sie ruht zweifellos in sich selbst. Alle Äußerlichkeiten, denen wir sonst Bedeutung beimessen, sind von ihr abgefallen. Sie lächelt. Sie ist mit sich im Reinen. Ihr großes, offenes Herz deutet darauf hin, dass es bereit ist, sich der Sorgen und Nöte anderer Menschen anzunehmen. Pitt Kreuzbergs Botschaft an uns lautet: Öffnet Eure Herzen, verschließt sie nicht vor Kummer und Leid Eurer Mitmenschen. Begegnet ihnen hilfsbereit und freundlich. In Zeiten wie dieser, in denen verzweifelte Menschen auf der Flucht nach Europa strömen, könnte die Botschaft nicht menschenfreundlicher und gleichzeitig aktueller sein.

„Frau mit Herz", Pitt Kreuzberg 1964,

Foto:Jan Wilbert