Eine tolle Überraschung mitten in der Notzeit

Karl Peter Eis, Köln

Wir waren in Gerolstein ausgebombt, so lebten wir notgedrungen in Büscheich. Derweil wurde Gerolstein weiter bombardiert, so dass wir uns mit dem Kinderschlitten, den wir Gott sei dank noch hatten, nur im Schutz der Dämmerung nach Gerolstein wagten, um aus dem Keller unseres Hauses einen Sack Kartoffeln oder Eingemachtes, das noch nicht von anderen Hungrigen gefunden worden war, aufzuladen und nach Büscheich zu bringen. Wir hofften auch aus unserem Bungert-Gar-ten noch die kräftigen Stangen Winterlauch mitzunehmen, fanden statt diesen zwei neue große Bombentrichter und überall Geröll von den heruntergestürzten Teilen der bombardierten Burgruine. Zwar gab es in Gerolstein in der Bäckerei Ockenfels Brot. Dafür musste man frühmorgens um 5 Uhr dorthin, um sich möglichst vorne in die lange Schlange einzuordnen. Einmal kam meine Schwester mit leerem Rucksack heim, denn eine Frau vor ihr hatte das allerletzte Brot bekommen. Jetzt im Februar 1945 gab es noch keinen Löwenzahn und den wild wachsenden Feldsalat fand man erst auf den abgeernteten Feldern im April. Aber dann dies: Unterhalb des Dorfes, am Michelbach, lag eine Kompanie deutscher Soldaten. Unser Vater hatte einen Schuss gehört. Er ging der Sache nach und erfuhr, dass die Soldaten ein Reh geschossen hatten. Sie hatten außer Öl jedoch nichts, um den Rehbraten zu würzen. Vater lief heim, nahm Salz, Pfeffer, einige Zwiebeln und auch mich Neunjährigen mit. Und weil er wusste, wo in der Nähe ein paar Wacholderbüsche standen, ernteten wir im Nu noch schnell eine Handvoll reifer Beeren. Die Soldaten waren darüber hocherfreut, sie konnten sofort loslegen und ihr Wildbret lecker zubereiten. Und wir erhielten von den dankbaren Männern eine ganze Rehkeule, die Mutter mit Freude für uns briet. Man stelle sich das vor: Mitten in der Notzeit und dann eine zarte Rehkeule auf dem Tisch! Es war die erste in meinem Leben!