Woll-Lust

Eine Annonce in der Zeitung hatte mich erschreckt:
„Die neue Wolllust ward entdeckt!
" Das schien mir doch sonderbar.
Doch mein Blick ging über die Zeilen schnell:
Seit wann schreib man Wolllust mit drei „L"?
Und dann wurde mir alles klar:

Wie ein bunter Faden seit der Kinderzeit,
erfreut mich Wolle und Stricken bis heut',
noch vor dem A-B-C fing es an.
Heute ist Stricken wieder voll im Trend,
wie schön und nützlich, dass man das erkennt,
eine sinnvolle Kurzweil für Jedermann.

Meine Puppenkinder wurden zuerst bestrickt,
und am Anfang ist längst nicht alles geglückt,
doch ich fasste stets neuen Mut.
Kniestrümpfe, Handschuhe, Mützen und Schals,
denn im Eifelwinter schmerzt oft der Hals,
und das Gestrickte war warm und gut.

Wollsocken für Papa, eine liebe Pflicht,
nein, Langeweile, die gab's für uns nicht,
und niemand hat sich beschwert.
Nur in den Nachkriegsjahren sah's düster aus,
da gab es kaum noch Wolle im Haus,
jeder Faden war Goldes wert.

Es gab kaum ein Muster, das zu kompliziert,
dass man grad dieses ausprobiert,
vieles ist heut' wieder ganz „in".
So gingen Kindheit, Jugend, und vieles, was mir lieb,
weil das Leben sein eigenes Strickmuster schrieb,
und ich hatte anderes im Sinn.

Dann kamen unsere Kinder zur Welt,
wir waren nicht arm, doch dünn war das Geld,
doch diese Jahre waren ein Fest.
Vor keiner Mühe haben wir uns gedrückt,
und des Abends wurde fleißig gestrickt,
für die Liebsten, unsere Vöglein im Nest.

Das Leben läuft schneller, als man denkt,
drei Enkelchen wurden mir geschenkt,
das Spielchen nahm neu seinen Lauf.
Ich strickte manch kleines, dann größ'res Gewand,
mit schönster Wolle, mit Herz und mit Hand,
man hob vieles mit Sorgfalt auf.

Meine Enkel wuchsen längst mir über den Kopf,
sie möchten keine Pullis mehr mit Zopf,
das ist auch in Ordnung so.
Heut' stricke ich Decken für bedürftige Leut',
mit viel bunter Wolle, mit Fleiß und mit Freud',
und immer noch macht es mich froh.

Und nun fang ich, dankbar, dass ich's noch kann,
mit Stricken für mein Urenkelchen an.
Ja, so langsam schließt sich der Kreis.
Wobei ich immer meinem Herrgott sag:
„Behüt' mir meine Woll-Lust bis zum letzten Tag,
das wünsche ich mir innig und heiß!"

Thekla Heinzen, Feusdorf