Die Ortsnamen „Oberehe" und „Stroheich"

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Ortsnamen geben meist Aufschluss darüber, wann eine Ansiedlung in fränkischer Zeit entstanden ist. Anhand der Ortsnamen-Endungen kann eine zeitliche Einordnung erfolgen, die sich von der fränkischen Landnahmezeit des 6. und 7. Jahrhunderts bis zur Rodungsepoche des 10. und 11. Jahrhunderts erstreckt. Eine eindeutige zeitliche Einordnung, wann die Siedlungen Oberehe und Stroheich gegründet wurden, ist leider durch die Ortsnamen nicht möglich. Ortsnamen veränderten mehrmals ihre Schreibweise im Laufe der Zeit. Oberehe erscheint in der ersten urkundlichen Nennung von 1218 als „Overehe". Daraus entwickelte sich „Overe", „Over E" oder „Oberee". Niederehe, das die gleiche Endung aufweist, schrieb man als „Ye" oder einfach „E". Interessant ist nun natürlich, welche Bedeutung die Ortsnamen besitzen. Hierzu gibt es einerseits seriöse, wissenschaftliche Namensdeutungen und andererseits den Versuch, die Ortsnamen volkstümlich zu erklären. Diese laienhaften Deutungen stellen zwar schöne Geschichten dar, doch sie sind von der Wahrheit weit entfernt. Beide Ortsnamen, Oberehe und Stroheich, sind etymologisch eindeutig erklärbar.

Oberehe

Der Wortstamm „-ehe" leitet sich vom Althochdeutschen „aha, ahe, ehe" oder „acha" ab, was soviel wie „Wasser" bedeutet. Ebenso sind die Ortsnamen mit der Endung „b(ach)" mit der Silbe „ache" oder „ehe" verwandt. Auch der Begriff „Ahbach" weist eine Verwandtschaft mit diesem Wortstamm auf. Hierbei handelt es sich also eigentlich um eine doppelte Wasserbezeichnung. Auch die „Ache"-Flüsse in den Alpen wie zum Beispiel die „Ötztaler Ache" sind hiervon abgeleitet. Die Vorsilbe „Ober" oder „Nieder" kann sich auf einen Bachlauf beziehen, an dessen Lauf die Siedlung entstand. Die vom Obereher Lehrer Klasen geführte Schulchronik des 19. Jahrhunderts erklärte den Namen so: „Laut früherer alter Tradition sollen die Namen Oberehe und Niederehe ... hergeleitet werden von dem Mühlenbach, genannt die Ah. Was in alter Zeit wie Ach gesprochen worden: dabei sagt man: Die Ober-Ach und die Nieder-Ach. Andere wollen von alters her erzählen gehört haben, es käme her von Ehe." In einem Zeitungsartikel mit dem Titel „Sehenswürdigkeiten in einem Eifeldorf -Volksmund erzählt über den Ortsnamen" wird eine nicht ernst zu nehmende Geschichte zur Ortsentstehung zitiert: „Worauf ist der Name Oberehe zurückzuführen? Der Volkskundler bringt ihn in Verbindung mit der Ah, einem Bach, den die Eifeler auch heute noch Ach nennen. Die Obereher allerdings führen den Namen ihres Heimatdorfes auf eine Episode zurück, die uns ein alter Landwirt erzählte. Danach befanden sich dort, wo heute Oberehe liegt, einst nur zwei Familien, die jede einen Jungen und ein Mädchen hatten. Als die beiden Väter einmal durch die Felder ritten, sahen sie ihre Kinder zusammen spielen. ,Wie wäre es, Nachbar', meinte da der eine, ,wenn unsere Kinder später heiraten würden?' Man besprach den Plan; auch die beiden Hausfrauen waren einverstanden. So wuchsen die Kinder heran und schließlich fand eine Doppelhochzeit statt. Aber wie das so geht, die ,gemachten' Heiraten haben meistens einen Haken und sind nicht immer gut. So war es auch bei der einen Ehe in Oberehe. Da beschlossen die Väter, dem einen Paar im Tale, eine Stunde nördlich von ihrem Besitz, ein neues Daheim zu errichten. ,Dann müssen sie sich plagen und schaffen und die Sorgen lassen ihnen keine Zeit zu Zank und Streit.' Gesagt, getan. Das neue Heim wurde erbaut. Ob die Ehe glücklicher geworden ist? Das weiß heute niemand mehr zu sagen. Aber immerhin nannte man die neue Heimstatt von da ab nur die ,untere Ehe' , woraus sich dann im Laufe der Zeit ,Niederehe' entwickelte, im Gegensatz zur oberen Ehe', die zu ,Oberehe' wurde." In die gleiche Kerbe schlägt die bereits erwähnte Schulchronik. Sie berichtet: „In der Urzeit, wahrscheinlich noch vor der Gründung der Burg, sollen in loco Oberehe nur zwei Häuser, Höfe gestanden haben. Beide waren reich und die ganze Umgegend gehörte ihnen. Nach einiger Zeit hatten beide Häuser zufällig jedes zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen. Nachdem diese groß gewachsen, sprach der Vater zum anderen: ,Was meint Ihr Nachbar, sollen wir mit unseren Kindern zwei Ehen zusammen schließen? Mein Junge und Euer Mädchen und Euer Junge und mein Mädchen?' Dieses Projekt wurde allseitig angenommen; aber die Ehe in dem einen Hause war nicht recht getroffen. Die Eltern sagten daher: ,Wir bauen der jungen Ehe auf unserem Besitztum, nördlich eine Stunde von hier, ein Haus im Tal vom Bache und geben den Kindern Gut genug, da können sie sich dann plagen.' Das alles geschah und nun nannte man hier die obere und dort die untere, niedere Ehe. Also später! Oberehe - Niederehe."

Stroheich

Entgegen weitläufiger Annahme hat der Wortbestandteil „Stroh-" nichts mit dem Wort „Stroh" gemein. „Stroh" leitet sich ab vom Althochdeutschen „Strut" , was soviel wie „wilder, unangebauter Wald" bedeutet. Das mittelhochdeutsche Wort „Strot" kann man mit „Gebüsch" und „Dickicht" übersetzen. Das Westfälische „strut", „strohm", „strohe" stellt ein sumpfiges Gebüsch oder Gestrüpp dar. Hierbei handelt es sich also um eine sumpfige, wenig fruchtbare Siedlungsstelle, die mit Gebüsch und Dickicht bestanden war. Als „Struth" bezeichnet man den Landstrich zwischen Kelberg und Daun, der größtenteils von der Lieser durchflossen wird. Die Struth galt in der Vergangenheit als ärmste Gegend der Eifel. Dass dieses Gebiet nicht gerade als blühende Landschaft galt, beweist die 1844 entstandene Darstellung „Eiflia illustrata" von Friedrich Schannat und Georg Barsch. Hier heißt es: „Die Grenze des Regierungsbezirkes Koblenz zieht sich durch die Struth, ein großes muldenförmiges und sehr unfruchtbares Plateau. Heidekraut bedeckt den Boden und nur stellenweise liegen Ackerfelder um die Dörfer herum oder Wildland in der Heide. Nur mit Mühe werden magerer Roggen, Hafer oder Kartoffeln gewonnen; der Holzwuchs ist verkrüppelt..." Bis um 1900 glich die Struth der Lüneburger Heide. Der Ortsname „Strohn" leitet sich ebenso von diesem Wortstamm ab. Zusammenfassend kann „Stroh" also mit einem rauen Gebiet bezeichnet werden, das mit Gestrüpp, Gebüsch und Sümpfen durchsetzt ist. Der Wortteil „-eich" geht sehr wohl auf den Eichenbaum zurück. „Stroheich" bedeutet also eine sumpfige Stelle, die mit Gebüsch und Eichen bestanden ist. Möglicherweise ist die Siedlung in der fränkischen Rodungszeit entstanden, nachdem seit der Jahrtausendwende ein starkes Bevölkerungswachstum einsetzte. Natürlich hält wieder der Volksmund eine Erklärung bereit. Die Obereher Chronik berichtet: „Das Dorf liegt in einer Mulde, wo vor der Gründung desselben Wald und Sträucher standen. Unsere Urahnen waren bekanntlich Heiden, welche ihre Bürger- und Religionsversammlungen in den Hainen unter alten, schweren Eichenbäumen hielten. Die Bäume, waren sie einmal als solche bekannt, durften nicht gefällt und beschädigt werden. Die Volksversammlungen wurden viertel- und halbjährlich gehalten und zuletzt gingen dieselben in Volksfeste über, wobei des Abends Freudenfeuer angezündet und Belustigungen stattfanden. Man trug Reisig, besonders Stroh um die geheiligten Eichen zusammen, um solche Feuer zugleich anzünden zu können. Nicht bei allen geheiligten Eichen, sondern nur bei einigen, ziemlich großen Entfernungen geschah das Auffahren des Strohs und daher nannte man eine solche Eiche „die Stroheiche". Somit der nachherige Name, Stroheich."

Quellen: Müller M., Ortsnamen im Regierungsbezirk Trier; Sonderdruck aus „Jahresberichte der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 1900/05 und Trierer Jahresberichte II, 1909
Schannat/Bärsch, Eiflia illustrata
Schulchronik Oberehe