Eine 137 Jahre alte Fuhrmannsrechnung

Wilma Herzog, Gerolstein

Der Beruf des Fuhrmanns ist heute ausgestorben. Bis 1963 wurde er in Gerolstein noch von Klaus Feltes ausgeübt. Gezwungenermaßen hatte er ihn als knapp 16-Jähriger nach dem tragischen Tod seines Vaters, Josef Feltes, übernehmen müssen, als dieser am 22. Januar 1945 im Bombenangriff auf Gerolstein umgekommen war. Die Bedingungen für Klaus waren damals extrem schlecht, seine Familie war ausgebombt und nur eines der Pferde hatte überlebt. Es gab jedoch in der Zeit der Trümmerbeseitigung und beim Wiederaufbau für ihn als Fuhrmann Arbeit in Hülle und Fülle. Nebenher war er auch für Kunden in der Landwirtschaft tätig, die weder Pflug, Egge, Wagen noch Zugtiere besaßen. Er pflügte deren Felder, säte Getreide, mähte Wiesen und brachte das Heu ein. Klaus Feltes war auch der Fuhrmann unserer Familie. Mit seinem Pferdegespann Paula und Fritz brachte er uns nicht nur das Heu, sondern auch Holz aus dem Wald heim ins Märloch (heute Mühlenstraße). Trotz des männlichen Namens war Fritz wie Paula eine Stute. Der Fuhrmannberuf verlangte nicht nur von den Zugtieren, sondern auch vom Fuhrmann selbst viel Kraft und großen Arbeitseinsatz, z. B. beim Beladen und Abladen der Fracht. Die abgebildete Rechnung des Gerolsteiner Fuhrmanns Wilhelm Cremer aus dem Jahr 1879 erlaubt uns ein paar Rückschlüsse auf seineTätigkeit, aber auch auf die seines Auftraggebers, des Bäckermeisters Carl Josef Frantz. Dieser hatte seinen Betrieb, der später vom Sohn Josef übernommen wurde, wo früher die Bäckerei Wollwert war. Heute (2015) ist in diesem Haus das „Pub Namak". Helene Frantz, erinnert sich noch an die überdachte Hebevorrichtung am Giebel an der Hauptstraße, womit das für die Bäckerei benötigte Holz auf den Speicher gezogen wurde, das bei ihrem Vater, dem Bäckermeister Josef Frantz, noch ausschließlich den Backofen heizte. Erstaunlich, die große Menge Mehl, die Fuhrmann Cremer am 15. April 1879 anlieferte, dreiundneunzig Sack. Er muss sie von der Bahn abgeholt haben, wohin eine Euskirchener Mühle sie zum Versand gebracht hatte. Er hievte sie auf seinen Wagen und lud sie beim Auftraggeber ab. Vielleicht half er sogar beim Aufziehen auf den Speicher. Für diese Arbeit berechnet er lediglich 9 Mark und dreißig Pfennige. Doch nicht nur Mehl und Kleie fuhr er für „Frantz'es Backstuw" heran. Der Bäckermeister hatte neben seinem Beruf auch noch eine Landwirtschaft. Der Fuhrmann pflügte ihm ein Feld am Weinweg (ein Karrenweg, auf dem man Wein zur nahegelegenen Löwenburg karrte), nahm Kartoffeln (zum Setzen) dorthin mit, pflügte ein Feld „im Kalkesborn", säte dort Gras, fuhr Dünger hin und brachte am 3. Oktober, die wohl mit Hilfe der Familie Frantz per Hacke ausgemachte Kartoffelernte vom „Weinweg" heim. Am 12. September lieferte er einen Wagen „Frucht" (Getreide) „aus der Hostert" an. Aber zwei Fuhren lassen interessante Schlüsse auf die Befeuerung seines Backofens zu: Am 24. April brachte Cremer Herrn Frantz einen Wagen Schanzen (Reisigholz), mit denen in der Eifel bis in unsere Zeit immer noch traditionelle Backöfen beheizt werden. Am 13. und 14. Oktober gab es davon weitere Anlieferungen. In dieser alten Fuhrmannsrechnung steckt in der zweiten Lieferung noch eine interessante Aussage, nämlich die, dass zu jener Zeit der Backofen auch mit Torf beheizt wurde, der noch in der Moss (offenes Quellmoor) gestochen worden war. Das wird belegt durch diese Rechnung von Fuhrmann Cremer, der am 5. August 1879 einen Wagen Torf aus der Moss bei Bäckermeister Frantz anlieferte. Ebenfalls interessant, dass es zur Bezahlung zwei Möglichkeiten gab: 142 Mark und 90 Pfennige oder 47 Thaler und zehn Silbergroschen.

Fuhrmannsrechnung 1879