Heimat als Kategorien der Kulturlandschaftspflege

Drs. Peter Burggraaff, K elberg-Zermüllen

Einleitung

„Heimat" ist ein komplizierter Begriff, der vor allem wegen seiner subjektiv geprägten gefühlsmäßigen Dimension schwer zu definieren ist. Daneben hat „Heimat" auch eine konkret fassbare und sichtbare Seite (Kulisse): die lokale bzw. regionale Kulturlandschaft mit ihren charakteristischen Merkmalen. „Heimat" ist schwer zu übersetzen1 und die vorhandenen Übersetzungen sind bewusst formalisiert worden. Hierbei werden die gefühlsmäßigen und ideologisch geladenen Bedeutungsebenen bewusst weggelassen. Deswegen muss „Heimat" neben der Übersetzung jeweils näher erläutert werden. Dagegen gibt es klare Übersetzungsbegriffe für den Begriff „Heim": wie „heem" (Niederländisch) und „home" (Englisch). „Heimat" und „Heimatschutz" haben sich im ausgehenden 19. Jahrhundert als Reaktion auf die fortschreitende Industrialisierung, technische Entwicklung, Mobilisierung sowie die daraus hervorgehenden dynamischen Veränderungen der damaligen Kulturlandschaft vor allem in den Städten und ihrem Umland etabliert. Der „Heimatschutz" entstand aus einer bürgerlich geprägten kulturellen Reformbewegung. Eines der Hauptziele war die Bewahrung und Schaffung der empfundenen regionalen „Schönheit", die damals von der Romantik geprägt war. Der subjektiv geprägte Begriff „Schönheit" fußte auf der damaligen Empfindung von erhabenen Landschaften und von der Romantik geprägten Landschaftsbildern, die durch die Landschaftsmalerei mit der Darstellung unterschiedlicher Landschaftstypen eine weite Verbreitung fanden. Die Bewahrung von Kulturlandschaften mit Zeugnissen der bebauten und vegetativen Umwelt mit ihren Denkmälern waren Inspirationsquellen. Es wurden nicht isoliert ausschließlich einzelne Bauwerke, die Kulturlandschaft und die Natur zur „Heimat" gerechnet, sondern auch die nicht unmittelbar sichtbaren regionalen Eigenheiten in der Landschaft wie Kultur, Sprache, Brauchtum und Mundart. Die Heimatschutzbewegung hat um 1890 die Denkmalpflege und auch den Naturschutz beeinflusst.

Abb. 1: „Heimatlicher Treffpunkt",die ca. 400 Jahre alte Eiche in Zermüllen (Foto: P. Burggraaff)

Der Begriff „Heimat" hatte damals die Gegenwart im Blick, denn die Bewahrung der als „schön" und „romantisch" empfundenen Landschaft war eine Aufgabe mit Zukunftsfolgen. Er bezog sich auf Natur-und Landschaftsbilder der Vergangenheit als Referenz für die gewünschte zukünftige Entwicklung. Das Bestreben war auf die Schaffung und Stärkung von heimatlich geprägten Landschaftsräumen hin orientiert. Die Umsetzung ging mit der Gründung von vielen auf regionaler und lokaler Ebene tätigen Vereinen einher, die sich vor allem für die Verschönerung der Landschaft, Bewahrung von Kultur- und Naturdenkmälern sowie für sogenannte „Naturräume" einsetzten und deren Zerstörungen entgegentraten. Als eindrucksvolles Beispiel sind die Aktivitäten des 1869 gegründeten Verschönerungsvereins für das Siebengebirge zu sehen, die 1888 schließlich zur Aufgabe der Basaltgewinnung am Nordhang des Petersbergs führten. Dieses Bestreben gilt auch für den 1888 gegründeten Eifelverein.

„Heimat" und „Heimatschutz" seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert

Da „Heimat" eine gefühlsmäßig geprägte Komponente beinhaltet, bestand die Gefahr, dass dieser Begriff relativ leicht für politische und ideologische Zwecke missbraucht wurde. So geschah es nach der nationalsozialistischen Machtübernahme vom 31. Januar 1933. Der „Heimatbegriff" wurde für die national-sozialistische Rassenlehre, die Blut- und Bodenideologie und die Idealisierung des Germanentums gezielt eingesetzt und somit belastet. Diese ideologische Vereinnahmung hat nach 1945 zu einem Umdenken über die Verwendung von „Heimat" geführt. Der „Heimatbegriff" wurde nicht nur im Dritten Reich politisch und ideologisch genutzt. Dies geschah bereits im Deutschen Reich (1871-1918) und in der Weimarer Republik (1918-1933). Hierbei ging es vor allem um folgende Aspekte:

• Romantischer Blick im nationalen Staatsbildungsprozess des 19. Jahrhunderts • Heimatschutzbewegung (Ernst Rudorff)
• Synonym mit dem Vaterlandsbegriff
• Begriff von Eduard Spranger zum Bildungswert der Heimatkunde als Schulfach

Die Entwicklung des „Heimatbegriffes" nach 1945 wird nach Romberg (2005, S. 115ff.) von folgenden Verständnisphasen geprägt:
• Vor allem in den 1960er Jahren war der „Heimatbegriff ' mit Abgrenzung zur „Hei-mattümelei" diskreditiert
• Neue regionale Akteure traten nach 1945 auf: die „Heimatvertriebenen" und ihre Verbände bzw. Landmannschaften
• Die Inhalte von „Heimat" wurden durch „regionale Identität" ersetzt
• Die erste große Medienpräsenz erfolgte mit der Ausstrahlung der Trilogie „Heimat" von Edgar Reitz über die fiktive Gemeinde „Schabbach" im Hunsrück (Erstausstrahlung 16. September 1984)
• Seit den 1990er Jahren setzte eine allmähliche Renaissance und Rehabilitierung des „Heimatbegriffes" ein
• Die Migration mit weiteren Akteuren und deren „Heimatverständnis" beginnt eine Rolle zu spielen

Die Stigmatisierung des Heimatbegriffes hat dazu geführt, dass „Heimat" weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwand und nur in Vereinsnamen fortlebte. Beispiele sind der Westfälische und Niedersächsische Heimatbund. Dagegen hat der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz" 1970 seinen Namen in „Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz" umbenannt. Die eigentlichen Inhalte von „Heimat" wurden nun mehr mit den Begriffen „Wohnort", „Wohnregion" sowie „regionale Identität" umschrieben. Die regionale Identität bezog sich vor allem auf den assoziativen Aspekt. Es ging dann um die Frage: Wie identifiziere ich mich mit meinem Dorf, meiner Stadt, meiner Region als Wohn- und Arbeitsregion, in die man „hineingeboren" (erste Heimat) oder „hineingezogen" (zweite oder neue Heimat) ist. Da ich mich mit der Erfassung und Bewertung des kulturlandschaftlichen Erbes in der heutigen Kulturlandschaft als sichtbare Kulisse der „Heimat" und dem Umgang damit in Raumordnung und Planung beschäftige, habe ich mich mit dem Begriff „Heimat" auseinandergesetzt und zusammen mit Klaus-Dieter Kleefeld allgemein definiert als „emotionale und traditionelle Verbindung mit dem Ort, der Stadt bzw. der Region (d. h. Kulturlandschaft), worin man geboren ist bzw. längerfristig wohnt" (Burggraaff u. Kleefeld 1998, S. 294). Hierdurch wird die gefühlte und erlebte „Heimat" identitätsstiftend und sie bildet gleichzeitig eine komplexe Akzeptanzkategorie für die Belange der modernen Kulturlandschaftspflege. „Heimatpflege" steht für den Schutz, Erhalt und für die Wiederbelebung von regions- und ortsspezifischen Traditionen und Bräuchen sowie die Verlangsamung und behutsame Anpassung von Veränderungsprozessen in der heimatlichen Region. Dramatische Veränderungen in den Kulturlandschaften gehen oft einher mit einer gefühlten Verlusterfahrung von vertrauten Elementen und Strukturen sowie subjektiv geprägten Seh- und Landschaftsbildern. Der „Heimatschutz" bezieht sich auf die lokale und regionale Bevölkerung. Deswegen ist in der Kulturlandschaftspflege mit dem behutsamen Umgang mit dem kulturellen Erbe inklusive der nicht sichtbaren, aber vorhandenen Traditionen, Bräuche, Raumvorstellungen und Mundarten auch das „Heimatempfinden" der Bewohner mit einzubeziehen. Heimatschutz war ursprünglich wie Naturschutz und Denkmalpflege vor 1945 eine anerkannte Schutzkategorie. Dies gibt es heute noch in Bayern mit der Bezirksheimatpflege.2 In der Eifel wird der Heimatschutz ehrenamtlich von Heimat- und Geschichtsvereinen (u.a. dem Eifelverein und dem Rheinischem Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz) wahrgenommen. Seit etwa 2000 erfährt „Heimat" eine Rehabilitierung und findet Eingang in die Öffentlichkeit und erlebt sogar eine Renaissance in den Medien. Darüber hinaus findet der Heimatbegriff Anwendung im Wirtschaftssektor bezüglich der Vermarktung von Regionalprodukten („unsere Heimat", Qualitätsmarke Eifel). Kreissparkassen und Volksbanken haben „Heimat" ebenfalls entdeckt. So wirbt die Volksbank RheinAhrEifel mit dem Slogan „Wir sind Heimat" und lobt jährlich einen Heimatpreis aus. Ein weiterer Indikator ist die Bezugnahme auf den Begriff „Heimat" durch kommunale Körperschaften, die sich aufgrund ihrer landschaftlichen und regionalen Zugehörigkeit umbenannt haben, um ihre regionale Verbundenheit - auch aus Vermarktungsüberlegungen - zum Ausdruck zu bringen. Beispiele sind die Umbenennung der Verbandsgemeinde Mayen-Land in Vorderei-fel (2002), des Kreises Daun in Vulkaneifel und des Kreises Bitburg-Prüm in Eifelkreis Bitburg-Prüm (beide 2007). Mit dem Bewahrungsbestreben und der räumlichen Identifizierung gibt es Anknüpfungspunkte und sogar Gemeinsamkeiten mit der Kulturlandschaftspflege und dem behutsamen Umgang mit dem kulturellen Erbe (Kulturgut) als öffentlichem Interesse in Raumordnung und Planung. Bei der Betrachtung der Bedeutung von „Heimat" als Kategorie und als Ziel der Kulturlandschaftspflege auch im Vergleich früherer Bedeutungen spielen folgende Aspekte eine Rolle:
• „In eine „Heimat" hineingeboren werden" (erste Heimat)
• „In eine neue ,Heimat' ziehen" (Integration, sich heimisch fühlen, zweite Heimat)
• „Heimat" und Romantik (bildliche Verklärung mit den von der Romantik geprägten Bildern von „schönen" Landschaften)
• „Heimat" und die Verklärung der sogenannten „guten alten Zeit"
• „Heimat" in unserer Vorstellung (Landschaften im Kopf, Landschaft als Text)
• „Heimat" mit der Kulturlandschaft als sichtbare Komponente und Kulisse
• „Heimat" als Regionalbegriff (Landmannschaft)
• Verbindung von Heimatpflege mit Naturschutz und Denkmalpflege
• „Heimat" in den Medien (Fernsehfilm „Heimat" von 1984, Heimatbeilagen von Zeitungen)
• „Heimat" in der Kunst (Landschaftsmalerei der Romantik)
• „Heimat" im Vereinswesen (z.B. Schützenvereine mit dem Motto: „Glaube, Sitte, Heimat")
• „Heimat" als Motivation für Alltagsgeschichte und Alltagsforschung
• „Heimat" als Aufgabenbereich (Kreisheimatpfleger)

Abb. 2: Prägende Merkmale der Vulkaneifellandschaft (Foto: Walter Müller, Niederzissen)

Abb. 3: „Heimat" thematisiert im Spiegel Spezial (Nr. 6, Juni 1999) und Geo (Oktober 2005)

„Heimat" in der Berichterstattung

Wichtig für die Rehabilitierung des Begriffes „Heimat" war ein Artikel in der Zeitschrift „Geo. Das neue Bild der Erde" mit dem Titel: „Heimat - warum der Mensch sie wieder braucht". Im Einführungstext des Artikels „Wo Heimat liegt" wird „Heimat" folgend umschrieben: „Heimat - ein ebenso schönes wie bisweilen heikles Wort. Es kann für einen Ort stehen, für eine Erinnerung oder auch nur für die Sehnsucht nach Vertrautem. In den Zeiten von Globalisierung und sozialem Umbruch gewinnt Heimat neue Bedeutung: weil sie Menschen hilft, ihre Warum der Mensch sie wieder braucht Geschichte zu verstehen. Und ihren Platz in der Welt neu zu finden." (Romberg 2005, S. 103). Es gibt einige aufschlussreiche Aussagen in diesem Artikel, die wiederum für den Umgang mit historisch-gewachsenen Kulturlandschaften und dem kulturellen Erbe von Bedeutung sind. „Heimat haben" wird mit der Lust zum Wandern verbunden: „[...] Kein Volk liebt es so sehr, sein Land zu Fuß zu erkunden - und im Kontakt mit der Natur auch sich selbst zu erfahren" (Romberg 2005, S. 104). Dies wird durch die Anlage einer großen Zahl von (Premium-)Wanderwegen (Eifel-, Mosel- und Ahrsteig, Lieserpfad, Hochpanoramaweg usw.), Themenwegen (Geschichtsstraße, Geo-pfad usw.) und Pilgerwegen belegt. Allerdings ist mit „Natur" in unserer Eifelkulturland-schaft vor allem das „Grüne" in der Landschaft (Wälder, Heiden und Wiesen) gemeint. Ein weiterer Begriff, der mit „Heimat" zusammenhängt, ist „Heimweh", das Vermissen der „Heimat" oder das Verlangen nach der „Heimat" nach Wegzug oder Auswanderung. Der Begriff „Heimweh" oder die sogenannte „Schweizer Krankheit" ist seit 1651 belegt und blieb zunächst auf die Schweiz beschränkt. Das „Heimweh" wurde beobachtet bei eidgenössischen Rekruten, die sich im 17. Jahrhundert als Söldner in „fremden" Heeren verdingten. In der Frühneuzeit gab es den regional geprägten Gegensatz zwischen der „Heimat" und der „Fremde", das im Althochdeutschen als „elilenti" (das Elend - die Fremde) bezeichnet wurde. In der Schweiz hat „Heimat" im Gemeindebürgerrecht noch immer eine rechtliche bzw. juristische Bedeutung (Burggraaff u. Kleefeld 2006, S. 33). „Heimat" bildet die Referenz für „Heimweh". Man vergleicht das „Fremde" und das „Neue" mit dem „Vertrauten und Altbewährten" im heimatlichen Herkunftsgebiet. Durch das Kennenlernen und sich Öffnen bezüglich des „Neuen" und des „Fremden" nach einem Umzug oder Auswanderung kann durch gegenseitige Akzeptanz und Integration diese „Fremde Umgebung" sich wiederum zur neuen „Heimat" entwickeln. Das „Unstete" der Gegenwart wird im Geo-Artikel von Romberg (2005) hervorgehoben und gilt gegenwärtig in unserer globalisierten Welt - verbunden mit Flexibilität, Aufbruch, Fortkommen und Ankommen - als Idealbild. Das „Stete" oder die Ortsgebundenheit wird dagegen als Rückständigkeit betrachtet, und Heimweh ist als Wehmut der Erinnerung reduziert worden (Burggraaff u. Kleefeld 2006, S. 33). Dies ist jedoch differenzierter zu betrachten. Denn durch die dynamische Entwicklung der Globalisierung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Verbreitung von Informationen durch Telegraph, Telefon, Rundfunk und Fernsehen und vor allem das Internet ist das „Fremde nicht mehr so fremd" und das „Neue nicht mehr so neu". Das dortige Wohnen und Leben hat anstatt des befristeten Aufenthalts während eines Besuches bzw. Urlaubs mit der Rückkehr in die „Heimat" natürlich eine andere Dimension. Bei Umzügen und Auswanderung bildet die alte „Heimat" eine wichtige Vergleichsreferenz, die neue Wohnumgebung mit der dazugehörigen kulturlandschaftlichen Umgebung zu erkunden, zu verstehen und zu akzeptieren. Nach dem Verlassen der alten „Heimat" bleibt sie immer ein Teil der persönlichen Identität, Erinnerung und Biographie. Die Erinnerung an die alte „Heimat" ist aber auch der Gefahr der Verklärung ausgesetzt. Das „Gute" bleibt in der Erinnerung haften und das „Schlechte" wird allmählich aus der Erinnerung verdrängt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Entwicklung in der alten „Heimat" weitergeht, an der man selber nicht mehr aktiv teilnehmen und teilhaben kann. Nach meinen Erfahrungen und Empfindungen behält meine alte „Heimat" (Brielle, Provinz Südholland, Abb. 4) als Teil der Erinnerung eine große Bedeutung für die persönliche Identität und Biographie. Umso mehr, da die Besuchsmöglichkeiten in der alten „Heimat" im Gegensatz zu früheren Zeiten heute aufgrund unserer Mobilität sich enorm verbessert haben. Ein weiterer Beleg für die Rehabilitierung des Begriffes „Heimat" ist die Tatsache, dass „Heimat" 2004 nach einer Umfrage der Wochenzeitung „Die Zeit" das „schönste" deutsche Wort war. „Heimat" gilt nach dem Geo-Artikel von Romberg (2005) weiterhin als ein Begriff der Poesie und der Kunst im 19. Jahrhundert, die auf den Werken von Friedrich Hölderlin, Joseph Freiherr von Eichendorff, Achim von Arnim und Heinrich Heine und in der Landschaftsmalerei fußt. Die thematischen Schwerpunkte des Geo-Ar-tikels über „Heimat" in einem meinungsbildenden Publikationsorgan mit hoher Auflage sind aufschlussreich und hatten eine große Außenwirkung. Für eine anwendungsorien-tierte bürgernahe Kulturlandschaftspflege, die die Interessen des Bürgers mit einbezieht, sind diese Aussagen von Bedeutung. Um die Aspekte der „Heimat" mit dem der Kulturlandschaft zusammenzuführen bedarf es zuerst der Erläuterung des Kulturlandschaftsbegriffes. Letztlich sind die Begriffe „Heimat" und „Kulturlandschaft" sehr vielschichtig und werden sowohl in der Alltags- als auch in der Fachsprache verwendet und zum Teil überfrachtet.

Abb. 4: Der heimatliche Bezugspunkt des Verfassers der alten Heimat: die St. Katharina-Kirche in Brielle (NL) und der neuen „Heimat" (Foto: P. Burggraaff

Heimat und Kulturlandschaft

Für die Bedeutung der „Heimat" spielt die Landschaft mit ihren naturgeographischen und kulturgeographischen Komponenten eine große Rolle. Sie konkretisiert und macht „Heimat" sichtbar und erlebbar. Trotz der nicht sichtbaren Komponenten und der subjektiv geprägten Verklärung kann „Heimat" über die vorhandene Kulturlandschaft vermittelt werden. Kulturlandschaft ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen naturräumlichen Gegebenheiten und menschlicher Einflussnahme im Verlauf der Geschichte. Dynamischer Wandel war und ist ein Wesensmerkmal der Kulturlandschaft. Von einer historischen Kulturlandschaft ist die Rede, wenn diese von historischen, archäologischen, bauhistorischen oder kulturhistorischen Elementen und Strukturen, die in unterschiedlichen zeitlichen Schichten nebeneinander und in Wechselwirkung miteinander vorkommen, geprägt wird.3 Elemente und Strukturen einer Kulturlandschaft werden historisch, wenn sie heute aus wirtschaftlichen, sozialen, politischen oder ästhetischen Gründen nicht mehr in der vorgefundenen Weise geschaffen würden oder fortgesetzt werden, sie also aus einer abgeschlossenen Geschichtsepoche stammen. Die Kulturlandschaft bildet die konkret fassbare und sichtbare Kulisse der „Heimat". Die Bedeutung der historischen Substanz und Dimension der Kulturlandschaft liegt dabei in folgenden Ebenen (Burggraaff u. Kleefeld 2006, S. 34-35):
• Lebensraum von Flora und Fauna, Biodiver-sität
• Quellenwert, Landschaft als Archiv
• Bildungswert, Landschaft hat Geschichte
• Ästhetischer Wert, Landschaft als Erinnerungsort (Erinnerungskultur)
• Erlebnis- und Vermarktungswert, Landschaft als Kulisse für Naherholung und Tourismus
• Identifikationswert, Landschaft als Stätte der regionalen Identität und „Heimat"

Daraus resultieren u.a. folgende Aufgaben für den Umgang mit der Kulturlandschaft:
• Gesetzlich geregelter Schutz durch Natur-und Landschaftsschutz und Denkmalpflege
• Gleichstellung des kulturlandschaftlichen Erbes der Kulturlandschaft in Raumordnung und Planung mit den öffentlichen Belangen

Für die Erforschung der Kulturlandschaft ist eine Kulturlandschaftsanalyse (Abb. 5) durchzuführen.4 Auf der Grundlage der Kulturlandschaftsanalyse werden dann landschaftliche Leitbilder, Ableitung von Maßnahmen und Bewertung im Sinne eines Kulturlandschaftsmanagements und Bewusstseinsbildung für den Wert historischer Landschaften für Raumordnung und Planung und für die allgemeine Umweltbildung erarbeitet. Die Erkenntnisse können in landschaftsgeschichtlichen Lehrpfaden oder Themenwegen (Geschichtsstraße der Verbandsgemeinde Kelberg), Wanderführern, Karten und mittels kulturlandschaftlichen Führungen vermittelt werden. In der Bewertung muss die gesamte Kulturlandschaft inklusive der regionalen Besonderheiten mit einbezogen werden. Da die Kulturlandschaftsentwicklung ein dynamischer Prozess war und ist, ist die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft ein normaler Prozess. Hierbei ist je nach Charakterisierung und Bewertung das kulturlandschaftliche Erbe im geplanten Entwicklungsprozess mit einzubringen.

Abb. 5: Schematische Darstellung der Kulturlandschafisanalyse (P. Burggraaff)

Das Problem der heutigen Kulturlandschaftsentwicklung liegt in der Art und Intensität des Veränderungs- und Umformungsprozesses, bei dem zunehmend neue Elemente die älteren ersetzen und nicht mehr wie in früheren Zeiten ergänzen bzw. erweitern. Durch Zerstörung anstatt Beachtung der vorhandenen Bausubstanz und durch Vereinheitlichung anstatt Beibehaltung regionaler Bauformen tritt ein Verlust von empfundenen Identitätsund Heimatwerten ein. Die erkennbaren Zeugen der kulturlandschaftlichen Entwicklungsstadien in der Landschaft inklusive ihrer Auswirkungen auf Flora und Fauna sowie regionale Cha-rakteristika, die für „Heimat" und „Heimatempfinden" wichtig sind, werden weiter reduziert. Der Umgang mit historischen Kulturlandschaften zielt auf monetäre und ideelle Wertschöpfung innerhalb einer Regionalförderung wie im Natur- und Geopark Vulkaneifel, der Verständigung mit Trägern öffentlicher Belange und Eigentümern und soll Veränderungen gewachsener Kulturlandschaften mindern oder Substanz erhaltend steuern. Der historische Wert der Kulturlandschaft ist für die „Heimat" ausschlaggebend. Die gegenwärtige Kulturlandschaft weist Strukturen und Substanz aus der Geschichte auf, die bis heute raumwirksam sind. Diese Raumwirksamkeit entfaltet sich
a) in einem öffentlichen Erhaltungsinteresse als kulturellem Erbe
b) als „Ankerpunkte" regionaler Identität und somit der „Heimat"
c) als Wertschöpfung innerhalb eines inte-grativen Kulturlandschaftsmanagements
d) in daraus abgeleitete kulturlandschaftliche Leitbilder für die Stärkung der Eigenständigkeit von Teilräumen unter Anerkennung des kulturgeschichtlichen und regionalen Standortfaktors.

Heimat im europäischen Kontext

Der Heimatbegriff hat auch in der Europäischen Landschaftskonvention (ELK) vom 20. Oktober 2000 Eingang gefunden. Es ist nach Enrico Buergi5 das oberste Anliegen, „unserer Geschichte den gebührenden Tribut zu zollen und die Landschaften aufzuwerten und als Wiege unserer kulturellen Identität, als gemeinsames Erbe und Ausdruck eines vielgestaltigen Europas zu betrachten [...]. Die Konvention gilt auch für jede Art von Landschaft: sie braucht nicht außergewöhnlich zu sein. Dazu gehört die ganz alltägliche Landschaft [.]. Dennoch sollte die Landschaft nicht ausschließlich den Fachleuten überlassen werden [...]" (Buergi 2003, S. 3). Landschaft wird in der ELK definiert „als ein Gebiet, wie es vom Menschen wahrgenommen wird, dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/ oder menschlichen Faktoren ist". Die Kulturlandschaft ist überall und für jedermann zugänglich (Fairclough 2003, S. 5). Die Wahrnehmung der Kulturlandschaft ist Heimat stiftend. In diesem Sinne formuliert die ELK folgende Hauptforderungen:
1. Landschaften sollen als „Ausdruck der Vielfalt ihres (der Menschen) gemeinsamen Natur- und Kulturerbes und als Ausdruck ihrer Identität rechtlich anerkannt werden.
2. Verpflichtungen zur Erfassung und Bewertung unter aktiver öffentlicher Beteiligung.
3. Partizipatorische Planungskonzepte, denn „die Bevölkerung bestimmt, was Landschaft ist!" (Priore 2000).
Landschaft umfasst nach der ELK den wahrnehmbaren und erlebbaren Raum. Kulturlandschaft betont die Wechselwirkung zwischen Mensch, Natur und Raum in ihrer zeitlichen Dimension und unterschiedlicher Dynamik. Die gegenwärtige Kulturlandschaft ist ein Produkt der mehrtausendjährigen menschlichen Nutzung, Bewirtschaftung, Gestaltung und Umgestaltung in der vorgegebenen naturräumlichen Beschaffenheit. Sie ist von der Arbeit vergangener Generationen und der heutigen Generation geprägt worden. Dieses flächenhafte kulturelle Erbe ist als „historische Kulturlandschaft" das räumliche Erbe und Gedächtnis der Gesellschaft, das für ihre „Heimat" und Identität bedeutsam ist und wodurch das „Heimatgefühl" und die „Heimatverbundenheit" gefördert werden kann. Kulturlandschaften bilden die konkret sichtbare Komponente der Heimat, die auch für nachfolgende Generationen zur Verfügung stehen soll. Damit ist ein nachhaltiges Kulturlandschaftsmanagement durch eine behutsame und integrierte Raumordnungspolitik für unsere Nachfahren erstrebenswert.

Schlussbetrachtung

Regionen haben Alleinstellungsmerkmale, die für ihre Einwohner „Heimat stiftend" sind. Diese Merkmale setzen sich zusammen aus kulturlandschaftlichen Charakteristika wie historische Ausstattung, tradierte Nutzungsund Bewirtschaftungsformen, Gewerbe, Industrie und Bergbau. Wichtig sind die weit sichtbaren Landmarken wie Bergkuppen, Höhenburgen (Abb. 6) oder Kirchtürme, die anzeigen, dass man wieder in die „Heimat" heim gekommen ist. Es sind verortbare Phänomene in der Kulturlandschaft und sie verbinden sich zu Identitäten, die die „Heimat" prägen. „Heimat" beinhaltet vor allem die assoziativen Aspekte und dargestellten Bewertungsebenen von Kulturlandschaft (Burggraaff u. Kleefeld 2006, S. 40). Die Bedeutungen von „Heimat" sind sehr vielfältig und sie wandeln sich. Die Wertbestimmung einer Region bzw. eines Ortes oder einer Stadt muss letztlich durch die Einwohner im moderierten Dialog ermittelt werden. „Heimat" ist eine Kategorie mit verschiedenen Maßstabsebenen und bildet eine wichtige Grundlage der Landschaftsqualität im Sinne der ELK. Die Diskussion über den Heimatbe- griff ist nicht abgeschlossen. Auch Migranten sind für ihre Integration mit einzubeziehen. Sie haben auch ihren inneren „Heimatbegriff', obwohl sie nun in der „Fremde" wohnen und leben und mit einer offenen Einstellung mit Unterstützung der heimischen Einwohner dieses zunächst empfundene „Fremde" schließlich als neue „Heimat" annehmen. Dies kann nur gelingen, wenn „Heimat" keine nationalistische und ideologische Dimension hat.

Literatur
Buergi, Enrico: Das europäische Landschaftsübereinkommen. - In: Naturopa Nr. 98, 2003, S. 3.
Burggraaff, Peter u. Klaus-Dieter Kleefeld: Historische Kulturlandschaft und Kulturlandschaftselemente. - Bonn-Bad Godesberg 1998 (Angewandte Landschaftsökologie, 20).
Burggraaff, Peter u. Klaus-Dieter Kleefeld: Heimat und Identität als Kategorien der Kulturlandschaftspflege. - In: Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft und regionale Identität. Dokumentation der Tagung vom 23.-26.1.2006 auf der Insel Vilm, Putbus. Bund Heimat und Umwelt in Deutschland. Bonn 2006, S. 31-40.
Fairclough, Graham: Ein zukunftsweisendes Übereinkommen: Europäische Landschaften für das 21. Jahrhundert. - In: Naturopa Nr. 98, 2003, S. 5-6. Heimat heute. Hrsg. v. Hans Zehetmair u. Helmut Zöpfl. - Rosenheim 2000. Knaut, Andreas: Ernst Rudorff und die Anfänge der deutschen Heimatschutz-Bewegung. - In: Klueting, Edeltraut [Hrsg.]: Antimodernismus und Reform. Zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung. Darmstadt 1991, S. 20-49.
Priore, Riccardo: Die Bevölkerung bestimmt, was Landschaft ist! Zu den Zielen der europäischen Landschaftskonvention. - In: Natur und Mensch. Schweizerische Blätter für Natur- und Heimatschutz 5, 2000, S. 18-25. Romberg, Johanna: Heimat - warum der Mensch sie wieder braucht. -In: Geo. Das neue Bild der Erde. H. 10. Oktober 2005.
Schenk, Winfried: „Landschaft" und „Kulturlandschaft" - „getönte" Leitbegriffe für aktuelle Konzepte geographischer Forschung und räumlicher Planung. - In: Petermanns Geographische Mitteilungen 146, 2002,
H. 6, 2002, S. 6-13.
Schmid, Wolfgang [Hrsg.]: 125 Jahre Eifelverein: Bd. 1: Der Eifelverein auf seinem Weg durch die Geschichte. - Düren 2013. Wiemer, Karl Peter: Ein Verein im Wandel der Zeit. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz von 1906 bis 1970. (Beiträge zur Heimatpflege im Rheinland, Bd. V.). - Köln 2000.

Anmerkungen
1 Es gibt keine niederländische Übersetzung: „Heimat" wird umschrieben mit Geburtsort, -gegend und -land oder Vaterland.
2 „Die Bezirke in Bayern haben nach Art. 48 der Bezirksordnung in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit auch für das kulturelle Wohl der Bevölkerung zu sorgen. Im Rahmen dieser Verantwortung übernimmt die Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Oberpfalz ein breit angelegtes Aufgabenfeld. Auf der Grundlage eines modernen Selbstverständnisses hat die reiche Tradition der Oberpfälzer Kultur einen großen Stellenwert in der Kulturarbeit; die Bezirksheimatpflege möchte dieses Erbe lebendig halten und weiter entwickeln" (http://www.bezirk-oberpfalz.de/desktopdefault.aspx/ tabid-88/85_read-213/. 2.6.2015).
3 Definition der Vereinigung der Landesdenkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland vom Juni 2001.
4 Die Kulturlandschaftsanalyse besteht aus der Erfassung, Beschreibung, Erklärung und Bewertung von Kulturlandschaftselementen, -strukturen und -bereiche. Die Kulturlandschaftsentwicklung wird anhand Landnutzungskarten (Querschnittkarten) auf der Grundlage der vorhandenen Altkarten von 1809 (Tranchotkarte), 1845 (preußische Uraufnahme), 1895 (preußische Neuaufnahme), 1955 (damalige Ausgabe der topographischen Karte) und heute (aktuelle topographische Karte (siehe Abb. 5) und anhand einer Kulturlandschaftswandelkarte als Längsschnittkarte der Periode 1809-heute kartographisch erarbeitet.
5 Präsidenten der Konferenz der Vertrags- und Unterzeichnerstaaten der europäischen Landschaftskonvention.

Abb. G