Der Mensch prägt seine Heimat -die Heimat prägt den Menschen

Heribert Albring, Gulpen/Niederlande

Wir streiften durch Wald und Feld, kletterten auf Bäume, leiteten kleine Feldbäche um in die Rinnen zur Bewässerung der Heuwiesen, bauten kleine Talsperren und gingen schon als ganz kleine Kinder ohne Angst zu den großen Kühen auf der Weide. Es war eine schöne, sorglose Jugendzeit, ohne die Begrenzung durch Häuserreihen und sonstigen Beton. Wir hatten keine Uhr. Die Zeitmessung war das Mittag- oder Abendläuten der Kirchenglocken. Nie kam es vor, dass ein Kind den Mittags- oder Abendtisch verpasste. Wenn das doch einmal passierte, war die Türe zur Essküche verschlossen und das Essen stand daneben auf der Treppe. Es sagte eine Mutter: „Ich habe einen so braven Jungen." Der Mensch prägt die Heimat. Nehmen wir als Beispiel das Leben und Erleben eines Jungen, der durch einen Unfall in den ersten Monaten seines Lebens den Vater verlor. Die Mutter vermittelte ihm ein starkes inneres Verhältnis zu seinem Vater, was ihn sein ganzes Leben begleitete. Er wuchs heran bei den mütterlichen Großeltern, eine intakte Familie, wo das Wort so viel galt, wie eine Unterschrift unter ein amtliches Dokument. Es war in einem alten Eifeler Bauernhaus. Häufig war der Herd mit der „Tak" zur Stube die einzige Wärmestelle in diesen alten Häusern. Jedoch in diesem Haus war auch in der Stube noch ein Ofen. Schon im frühen Kindesalter prägte sich dem Bub die Aussage ein: „Frauen müssen es warm haben". Es war die Aussage eines Mannes, der sich immer seiner Verantwortung für seine Familie bewusst war. Das alles wurde zum prägenden Vorbild für den Jungen und eine Basis, um schwerste Zeiten in seinem späteren Leben zu bestehen. Später wollte er nicht mehr dort wohnen; aber der Ort blieb immer seine eigentliche Heimat. Wir leben heute auf der Basis, die unsere Eltern und Vorfahren geschaffen haben. Es ist die Basis, die sie mit ihrem Mühen und Arbeiten geschaffen haben, oft mit viel Not und Armut; aber immer war es die Sorge und die Verantwortung für die Menschen der Familie. Wenn wir uns heute mit der Geschichte oder Heimatgeschichte befassen, dann ist es immer ein Dank an die, die vor uns waren. Dabei können und sollen wir nicht bei der Generation von Eltern oder Großeltern stehen bleiben. Die Vorstellung, die Menschen wären, je weiter man in der Zeit zurückgeht, immer primitiver gewesen, ist heute durch Tatsachenfunde widerlegt. Die Heimat prägt den Menschen. Wenn wir einmal in der Ahnenreihe zurückrechnen, dann hat jeder in der 10. Generation, das sind acht mal Ur-Großeltern, 1024 Vorfahren nur in dieser Generation. Zeitlich kommen wir dann in die Nähe von 1500. Seit Jahrtausenden haben sich die Völker Europas immer wieder durchmischt. Es entwickelten sich regional verschiedene Lebensformen und Kulturen, wesentlich bedingt durch Landschaft, Klima und Bodenverhältnisse. Vor Jahrtausenden wurden die Menschen sesshaft, begannen mit dem Getreideanbau und der Domestizierung von Tieren. Damit begann die große Mühsal der Landwirtschaft. Allmählich entwickelte sich, durch die Menschen geprägt, die heutige Kulturlandschaft. Es sind die Landschaften, in die wir hineingeboren werden, die wir Heimat nennen. Bei den Menschen gibt es zwei Haupttypen: den Sesshaften, Heimatverbundenen und den - nennen wir ihn - Weltenbummler mit allen Variationen dazwischen. Ein Beispiel hierfür sind zwei Brüder, illegale Söhne eines Adeligen in einem Eifeldorf. Der Letztere hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts seinen Wohnsitz aus dem Eifeldorf in die Nähe von Köln verlegt. Er hatte Schul- und Ausbildung dieser Söhne gefördert. Einer seiner beiden Söhne wurde Förster und blieb zeitlebens seiner Eifelheimat verbunden, der Andere ging mit 22 Jahren weg von zu Hause und weil es seitdem nie mehr eine Nachricht von ihm gab, galt er als verschollen.

Quellenangaben:
Albring, H.: Familiengeschichte - Zeitgeschichte. - Gerolstein, Band 2 Albring, H.: Menschen zwischen Eis und Feuer. - Gerolstein, Band 2 Albring, H.: Zweieinhalbtausend Jahre Eifelwald. - „Zwischen Venn und Schneifel", Heft 3/2005, St Vith
Albring, H.: Ahnenforschung einmal anders. - „ZVS", Heft 3/2014, St.
Vith
Albring, H.: Familienchronik Albring, unveröff.
Lohr, Hartwig: Archäologie und quartärgeologische Beobachtungen am
Gerolsteiner Maar.-Vorläufiger Bericht
Salzburger Landesregierung: Die Kelten in Mitteleuropa. - Salzburger Landesausstellung 1980
Thorbrietz, P.: Blonde Langnasen. Liegt im Westen Chinas die lange gesuchte Heimat der Indogermanen? - Wissenschaft und Technik, 1998 Diverse mündliche Mitteilungen