Von Saigon nach Niederstadtfeld

Die Geschichte von Frau Chavitta Thi Thu

Hiltrud Theisen, Hörschhausen

Frau Chavitta Thi Thu, auch einfach nur Ha genannt, lernte ich als nette, intelligente und weltoffene Frau kennen. Sie ist 32 Jahre alt, nicht verheiratet und kam durch das Bundesfreiwilligen-Jahr in die Weggemeinschaft nach Niederstadtfeld. Seit September 2014 macht sie dort eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin.
Frau Ha war die erste, die durch das Projekt „Bundesfreiwilligen-Jahr" nach Deutschland kam. Bevor sie einen Antrag dafür stellen konnte, musste sie das Programm Al (heute A2) bestehen, d.h., Frau Ha musste Deutsch in Sprache und Schrift lernen und eine Prüfung machen und natürlich bestehen. Alternativ kann man auch über eine Organisation ins Ausland kommen,muss aber vorab schon 5.000 Euro bezahlen für den Deutschkurs und fürs Flugticket, hat aber dann keine Garantie auf eine Arbeitsstelle.
Frau Ha bekam durch eine Freundin, die auf die Uni geht, den Tipp, mittels Internet Kontakt zum Deutschen Bundesfreiwilligen-Dienst aufzunehmen und stellte dann einen Antrag. Sie musste nur zwei Monate warten, bekam dann eine Zusage, am Projekt teilzunehmen und einen Einsatzort zugewiesen. Dann ging alles ganz schnell, innerhalb von zwei Wochen erhielt sie ein Visum für Deutschland. Frau Ha hat immer gearbeitet und war 10 Jahre auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs, meistens 8 Monate auf See und dann 2 Monate frei. Bekam sie anschließend einen neuen Vertrag, musste sie ein neues Gesundheitszeugnis vorlegen und erhielt dann ein Flugticket zum Einsatzort. Wenn kein Vertrag zu Stande kam, arbeitete sie in der Gastronomie. Frau Ha hat noch zwei jüngere Schwestern - eine ist nach Kambodscha verheiratet und die jüngste geht noch zur Schule. Wer in Vietnam eine Schule besuchen möchte, muss dafür bezahlen und macht man ein Praktikum, erhält man kein Geld. Seit drei Jahren ist der Vater von Frau Ha schwer herzkrank und kann nicht mehr arbeiten, seine Medikamente und auch Krankenhausaufenthalte muss er selber bezahlen. Mit dem Geld, das Frau Ha verdiente, hat sie all die Jahre ihren Vater unterstützt und ihrer Schwester den Schulbesuch ermöglicht. Hier in der Eifel hat Frau Ha auch Familien aus Vietnam kennengelernt, die in Steineberg und Daun wohnen. Ich fragte Frau Ha, ob sie auch Heimweh nach ihrer Familie hat, und sie sagte mir: „Ich habe natürlich Heimweh, aber das ist schon in Ordnung. Mir geht es hier sehr gut, ich mache eine Ausbildung und von dem Geld, das ich hier verdiene, kann ich meinen Vater und meine Schwester unterstützen - das ist mir sehr wichtig. Wenn ich „einsam" bin, gehe ich zu meinen Kollegen, die immer für mich da sind, mir zuhören und mich akzeptieren." Im Februar war Frau Ha in Saigon bei ihrem Vater und macht sich seitdem noch mehr Sorgen um ihn. Sie machte ihm den Vorschlag, zu ihr nach Deutschland zu kommen, aber er möchte in seiner gewohnten Umgebung bleiben. Zu ihrer Familie und zu ihren Freunden hält sie Kontakt übers Internet. Heimat ist für sie zurzeit Niederstadtfeld. Sie sagt: „Wenn ich in Darscheid oder Hörscheid arbeite und wohne, dann sehne ich mich nach Niederstadtfeld." Zu ihren Träumen befragt, antwortete sie mir mit einem Lächeln „Ein Restaurant hier in Deutschland oder in Saigon", aber träumen darf man ja. Sie hat ein Ziel: Die Ausbildung bestehen und wenn möglich in der Weggemeinschaft eine Anstellung finden. Was mir sehr an Frau Ha imponierte, war die Aussage: „ Wenn ich in einem fremden Land leben will, muss ich mich anpassen." Auch ihr strukturiertes Leben, das auf ein Ziel gerichtet ist, dass es ihrer Familie gut geht, hat mir sehr imponiert. Ich wünsche Frau Ha, dass alle ihre Wünsche in Erfüllung gehen, bedanke mich für das gute Gespräch und möchte auch weiterhin mit ihr in Kontakt bleiben.