Hugo Reihn, Kelberg
Im Leben gibt es Tage, an denen etwas überraschend in Erfüllung geht,
von dem wir jahrelang geträumt haben. Es geschah am Buß-und Bettag des
Jahres 1976, der damals noch ein Feiertag war. An diesem Tag schenkte
mir eine Glücksgöttin einen Fund, der im Leben eines jeden
Mineraliensammlers nur einmal vorkommt. Für mich bedeutete es allerdings
Jahre erwartungsvollen Hoffens und Bangens, bis dieses Wunder
Wirklichkeit wurde.
Wie an jedem Wochenende war ich auch an diesem
Feiertag mit meiner Frau und unserem Hund Lorchen auf dem Weg zu unserer
Lavagrube „Bellerberg" (Ettringer Bellerberg bei Mayen)(1). Schon früh
morgens waren wir in Hangenmeilingen (Ortsteil der Gemeinde Elbtal im
Landkreis Limburg-Weilburg in Hessen) aufgebrochen. Es sollte - so
schien es - ein sonniger Tag werden.
An der Einfahrt zum Bellerberg parkte ich unseren Wagen und brach mit meinen zwei Spankörben alleine
zur Schatzsuche auf. Doch was war an diesem Tag nur los? Ich konnte es
einfach nicht glauben. Kein einziger Hammerschlag war zu hören. Jeden
Sonnabend traf ich hier am Bellerberg auf viele Gleichgesinnte. Ich
konnte immer auf meine Freunde, vor allem auf Alice und Eugen Rondorf
aus Neuwied und andere zählen. Doch an diesem Tag, einem Feiertag mitten
in der Woche, Mittwoch, den 17. November 1976 war es gespenstisch still
im ganzen Lavabruch. Keine Sammlerseele war weit und breit zu
entdecken. Sollten meine Freunde gedacht haben, es sei kein guter Tag
für Sammler?
Und es war zunächst wirklich kein guter Tag. Ich suchte
über zwei Stunden den großen Lavabruch ab. Mehrmals schlich ich um die
großen Lavabrocken herum. Nichts, aber auch gar nichts konnte ich meinen
Spankörben anvertrauen. Auch meine Frau, die sonst immer mit unserem
Hund vorbeikam, ließ sich nicht blicken. Ich war der Verzweiflung nahe,
denn ich konnte mich an keinen Sonnabend erinnern, an dem ich nicht
fündig geworden war.
Mein Blick fiel auf die Ostwand, links neben der Einfahrt. Von dieser
Wand hieß es immer in Sammlerkreisen: Hier brauchst du nicht zu
klopfen, da gibt's nichts zu finden. Sollte ich es nicht trotzdem einmal
versuchen? Warum blickt mich diese Wand so abweisend und feindlich an?
Diese Wand war meine letzte Chance. Hatte mir damals mein Schutzengel,
der mir mehrmals bei meinen Kletterpartien zur Seite gestanden hatte,
mir einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben?
Gegen besseres Wissen habe ich
dann viele kleine Einschlüsse aus der Wand mit Hammer und Meißel
herausgeschlagen. Doch die Zertrümmerungen brachten kein einziges
Kristall, keine einzige Nadel unter meiner Lupe zum Vorschein. Ich
wollte schon aufgeben. Hatten nicht alle die recht, die mich vor dieser
Wand gewarnt hatten? Ich war schon im Begriff die nutzlose Suche
aufzugeben, als sich dann doch noch ein Hoffnungsschimmer zeigte. Bei
meinem letzten Einschluss, den ich zertrümmerte, konnte ich unter der
Lupe winzigkleine, blau schimmernde Kristalle entdecken. Routiniert
legte ich die kleinen Trümmerteile in einen meiner Körbe, eine mehr als
bescheidene Ausbeute!
Bei meiner Rückkehr schaute mich meine Frau vorwurfsvoll an als sie
in den fast leeren Spankorb schaute: „Wie, dafür bist du die ganze Zeit
in dem Bruch herumgeklettert?" Sie hatte ja so recht! Ich, der immer mit
vollen Körben zurückgekommen war, hatte etwas mitgebracht, was in einem
kleinen Schüsselchen Platz gefunden hätte. Damals ahnten wir noch
nicht, wie einzigartig kleine MM-Stüfchen(2) (Verwachsungen gut
ausgebildeter Kristalle bzw. mehrere einzelne freie Kristalle) sein
können.
Zuhause führte mich mein erster Weg zu meinem „BINO", meinem
Stereomikroskop, das Mittagessen konnte warten. Ich stand vor einem
Rätsel. Solche kleinen, klar bis bläulich schimmernden Kristalle hatte
ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gefunden. Auch meine Mineralienfreunde
wussten nicht weiter. Einer meiner Freunde hielt sie für Roedderit4,
das in der Vulkaneifel als erstes irdisches Mineral gefunden worden war
und am Ettringer Bellerberg häufiger gefunden wurde.br>
Jetzt konnte nur Dr. G. Hentschel, der damalige Leiter des Hessischen Landesamts für
Bodenforschung helfen. Noch nie hatte ich meinen monatlichen Besuch bei
ihm so herbeigesehnt. Aber auch ihm waren solche Kristalle noch nicht
untergekommen. Ich übergab ihm mehrere kleine Stufen, die er an die
Mineralogen an der Universität Bochum weiterleitete. Nun begann für mich
das lange Warten.
Einige Jahre gingen ins Land. Ich hatte meinen Fund schon fast
abgehakt. Im Winter 1980/81, wir waren inzwischen nach Kelberg
umgezogen, sollte ich dann plötzlich weitere Proben nachreichen. Das
Ergebnis konnte ich kaum abwarten. Schon vor der Veröffentlichung in der
Fachpresse erhielt ich die Nachricht, dass mir ein Jahrhundertfund
gelungen war. Ich hatte ein neues Mineral, das den Namen „Eifelit"
bekommen hatte („Eifelite, KNa3Mg4Si12O30 , a New Mineral of the Osumilite Group with
Octahedral Sodium")(4) entdeckt. Das Wunder aller Wunder jeden Sammlers
hatte sich erfüllt. Ein Traum war Wirklichkeit, ein Märchen wahr
geworden. Der Fund hatte sich unter Sammlern schnell rumgesprochen. Ein
Ansturm brach jetzt über die Ostwand am Bellerberg herein. Viele Proben
fanden den Wag zur Uni-Bochum. Doch weitere Exemplare des Eifelit wurden
nicht gefunden. Der einzigartige Eifelit wurde 1980 in die Liste der
IMA (International Mineral Association) aufgenommen, wo es noch heute
als „Eifelite, ein neues mineral der milaritgruppe aus der Eifel, mit
natrium in oktaederposition", verzeichnet ist(5).
Anmerkungen
1 http://www.vulkanpark.com/vulkanpark/vulkanpark-stationen/ route-gruen/ettringer-bellerberg/
2 https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Stufe?lang= de&language=german
3 https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralDa-ta?lang=de&language=german&mineral=Roedderit
4 http://link.springer.com/article/10.1007°/o2FBF01166619#pa-ge-1 mit Abbildung.
5 http://rruff.info/ima/