Sprecht Deutsch!

Das Herzensanliegen der Margarethe Schönberger, geboren in Katharinenfeld/Transkaukasien

Wilma Herzog, Gerolstein

Um Senioren eine Chance zu geben, ihre Erlebnisse zu erzählen, kam mir 1998 die Idee zu einem Erzählkreis. Im Gerolsteiner Erzählkreis blühten die Teilnehmer regelrecht auf. Schnell wurde klar, dass es nicht reicht, in unserem Kreis diese oft dramatischen Erinnerungen aus Krieg, Vertreibung und Notzeit verklingen zu lassen. Als zum Beispiel Frauen unter Lebensgefahr ihren Dienst als Eisenbahnerinnen ausübten, Jaboangriffen ausgesetzt und der Bombardierung von Brücken und Strecken. Andere Frauen waren nach Bombenangriffen als Feuerwehr im Einsatz, auch bei der Post, wie jene Gerolsteinerin, die trotz Jabobeschuss sich durch tiefen Schnee einen Pfad zur Munterley bahnte, dort vereiste Leitern zu den Höhlen erklomm, um dort den Schutzsuchenden die Post zu bringen. Wertvolle, tapfere Männer und Frauen lernte ich kennen und schätzen, wie Margarethe Schönberger, die ehemalige Lehrerin aus Katharinenfeld, das mitten in Transkaukasien, 60 Kilometer südlich der georgischen Hauptstadt Tiflis, also zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer lag. Als sie mich zu einem Nachmittagskaffee einlud, nahm ich ein Sträußchen Bauernrosen aus meinem Garten mit. Sie blickte ungläubig darauf, atmete den süßen Rosenduft ein und sagte unter Tränen: „Rosen wie in meiner Heimat!

Das Herzensanliegen von Margarethe Schönberger im handschriftlichen Original.

Ich ahnte ja nicht, dass es hier Rosen gibt, die auch duften!" Die zwei Stunden in ihrem gemütlichen Wohnzimmer verflogen im Nu mit den dramatischen Schilderungen, so dass ich sie bat, mir möglichst viel zu notieren. Da fielen mir erst ihre verformten Hände auf, die durch die Explosion eines Kerosinofens schwerste Verbrennungen erlitten hatten. Lächelnd versprach sie: „Trotzdem, heute noch fange ich an zu schreiben! Sie interessieren sich wirklich für unser Schicksal!" Sie gab mir viele Seiten. Einige der Episoden erschienen, von mir bearbeitet, ab dem Jahr 2000 in den vier Bänden „Geschichten von daheim". Bislang wartete jedoch das große Herzensanliegen von Margarethe Schönberger auf seine Veröffentlichung. Es lautet:

Sprecht Deutsch! Liebe Leser und Leserinnen! Ich weiß, dass die Deutschen in Russland aus einem multinationalen Land stammen und daher so manche Sprache erlernen mussten, was nicht immer leicht war. Russisch - die Staatssprache; die Landessprachen waren kasachisch, usbekisch, kirgisisch, türkisch, armenisch, grusinisch und andere. Je nachdem in welchem Ort man zu leben hatte - man musste sich anpassen. Unsere schöne Muttersprache hatte darunter zu leiden. So mancher junge Mensch hat sie beinahe ganz vergessen. Diese klangvolle Sprache, lasst sie uns in Acht nehmen und uns besinnen, dass es doch die Muttersprache ist, und sie lässt sich so lieb anhören: Sie strahlet, sie blitzet, sie sauset und brauset, wie auf Geheiß. Lernt sie lieben, unsere Sprache. Fremde Sprachen zu erlernen war doch auch nicht immer leicht. Es war damals ein Muss und heute ist die deutsche Sprache eine Muss-Sprache. Schon der große Dichter Goethe sagte so schön und wahr: „Das Muss ist eine harte Nuss, doch nur beim Muss allein zeigt der Mensch, wozu er fähig ist." Also, wer in Deutschland leben will, muss auch Deutsch sprechen können. Macht Euch Mühe! Es ist zum Nutzen eines Jeden und unser aller Gewinn.

Margarethe Schönberger, geb. Allmendinger, geb. am 31.10.1920, starb am 29.06.2010 in Gerolstein. Im Heimatjahrbuch des Landkreises Vulkaneifel 2011 wurden zwei ihrer Erinnerungen veröffentlicht: „Nur mit Gotteshilfe", Seite 50, darin schildert sie die Vertreibung aus ihrer einstigen Heimat, und „Der Heimat in der Ferne treu geblieben", Seite 58, eine treffliche Schilderung, wie sie im Kaukasus, genau wie ihre Vorfahren, der Sprache, den Sitten und Gebräuchen ihrer schwäbischen Heimat treu blieb.