Wo oder was ist Heimat

Hiltrud Theisen, Hörschhausen

Diese Frage stellte Hiltrud Theisen (Hörschhausen) Bewohnern des Seniorenhauses Regina Protmann in Daun und sich selbst. In einem Lied und einem Sprichwort heißt es „Heimat ist da, wo meine Wiege stand". Heimat ist da, wo ich geboren wurde, wo ich aufgewachsen bin, wo meine Familie und alle, die ich gern habe, sind. Heimat ist ein Gefühl in einem Menschen drinnen, es strahlt Wärme, Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen aus. Manche Menschen können überall eine Heimat finden; sie verbinden dieses Gefühl nicht mit einem Ort oder einem Haus, sondern brauchen dafür nur ihre Familie oder Freunde, die bei ihnen sind. Als junges Mädchen war eine Seniorin in Stellung nach Köln gegangen. Da sie nur einmal im Monat für zwei Tage nach Hause konnte, kochte ihre Mutter für sie immer „Döppe-koche", ihr Lieblingsessen. Wenn sie heute „Döppekoche" macht, denkt sie immer an ihre Mutter und an ihre Freude, die sie jedes Mal empfand, wenn sie von Köln nach Hause kam. Herr K., der sein halbes Leben fern von zu Hause gelebt und gearbeitet hat, bekam im Alter Sehnsucht nach seiner Heimat. Er kam zurück in die Eifel, in seinen Heimatort, wo er mit seinen Verwandten den Lebensabend genießt. Ein Arzt aus Syrien, der in Deutschland lebt und arbeitet, wollte, dass seine Eltern zu ihm ziehen, aber trotz der schwierigen politischen Lage wollen sie in Syrien bleiben, denn da sind sie geboren und da sind alle Menschen, die sie kennen und ihnen vertraut sind. Frau L. kam ins Seniorenhaus, weil sie nicht mehr alleine in ihrem großen Haus leben konnte. Schweren Herzens verkaufte sie ihr Haus. In diesem Haus hatte sich ihr ganzes Leben abgespielt - Freude und Leid, Leben und Tod. Was ihr bleibt, sind Erinnerungen und Bilder. Für mich persönlich wäre der Verlust der Eltern auch ein Verlust der Heimat, ich hätte dann kein „Heim" mehr und könnte nicht mehr sagen: „Ich fahre zu Mama und Papa nach Hause". Auch wenn mein Bruder und meine Schwägerin noch im Elternhaus leben, es wäre nicht dasselbe. Jeder kennt das Wort Heimweh oder hat es selber schon erlebt; es kann einen Menschen richtig krank machen. Ich bekam zum ersten Mal Heimweh, als ich zur Ausbildung nach Mayen musste, das war für mich weit weg. Ich verließ zum ersten Mal meine Eltern und durfte nur alle 14 Tage nach Hause fahren. Auch mein Vater, der mit 17 Jahren in den Krieg ziehen musste, hatte in der Ferne Heimweh. Er hat noch heute die Holzscheibe mit den Glückwünschen zum Muttertag, die er seiner Mutter aus Russland schickte, und hält sie heute noch in Ehren. Die Jugendlichen in der heutigen Zeit wachsen selbständiger und weltoffener auf. Ihnen macht es meist nicht so viel aus, in eine andere Stadt oder ein anderes Land zu ziehen. Sie sind sprachgewandter und finden schneller Kontakt. Für sie hat der Begriff „Heimat" eine ganz andere Bedeutung als für unsere Generation.