Der Gerüstbauer und seine Heimat

Roswitha Gräfen-Pfeil, Mosbach

Geboren in Berlin Mitte, stolz auf seinen Kiez. Über die Zeit vor der Wende hat er keine Erinnerungen mehr, war er noch Kind, sagt er. Verdient prima, hat eine Eigentumswohnung gekauft in seinem Stadtteil, modern, mit Tiefgaragenplatz. Hat er vermietet, weil er kein Auto hat. In Berlin ist ein Auto nur lästig, meint er. Er leiht eins, wenn er es braucht. Seine Freundin wohnt bei ihm, sie studiert Betriebswirtschaft. Heiraten wollen sie irgendwann, aber Kinder in Berlin möchten sie keine. Große Scheiße, wie die Kinder in der Stadt leben, das wollen sie Kindern nicht zumuten. Er fährt aufs Land bei Erfurt zu seiner Oma. Der junge Mann sagt, das sei der Ort, an dem er sich grenzenlos wohl fühle. Voller Vorfreude auf sie und die Verwandten ist er, eine große Familie sind sie dort. Von Politikern hält er nicht viel, wirtschaften doch eher für ihresgleichen, behauptet er. Aber er ist gegen Techniken, die der Umwelt schaden, gegen Atomkraft und Gentechnik. So sitzt er vor mir im ICE: Ein junger Mann von etwa dreißig Jahren, Glatze, große Tätowierungen an den Armen, Smartphone in der Sportweste, auf dem Weg zu seiner Oma. Er hatte mich nur angesprochen, weil er Feuer für seine Lucky brauchte und ich kurz auf sein Gepäck aufpassen sollte beim nächsten Halt. Wenn er von seiner Oma sprach kam soviel Wärme in seine Stimme, dass ich diese Oma beneidete. Und von der Landschaft um das Dorf schwärmte er fast wie die alten Erzähler. Sonst ist er ganz cool. Jemandem in der Stadt zu helfen, findet er unnötig, jeder solle selbst sehen wie er zurechtkommt. Ihm geht es gut, seiner Freundin auch. Und wenn er Zeit hat, fährt er zu Oma, andere Urlaubsziele braucht er nicht. Das ist jetzt so, sagt er, wie es später sein wird, weiß er nicht.