Meine Heimat -Die schöne Vulkaneifel

Kinderzeit in Wallenborn

Matthias Thömmes, Philippsheim

Unter Heimat verstehe ich den Ort, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Dazu gehören das Elternhaus, die Familie, die Schule, die Kirche, das Dorf oder die Stadt und die Landschaft. Aber auch das Leben mit den Menschen in der Dorfgemeinschaft, die Geborgenheit im Elternhaus, Feste, Feiern und Brauchtum gehören dazu. Mein Heimatdorf Wallenborn gehört zu den zahlreichen Dörfern, die die Vulkaneifel attraktiv machen. Eingebettet in einen weiten Talkessel, von hohen Bergen umgeben, liegt es direkt an der B 257 etwa 12 km westlich von Daun. Inmitten fruchtbarer Gärten, die in saftiggrüne Wiesen und Felder übergehen, bietet es vor allem im Frühling, wenn die Obstbäume blühen, ein wunderbares romantisches Bild. Mehrere Bäche durchziehen das Tal, die mit ihren zahlreichen Wassertieren und - pflanzen interessante Aufenthaltsorte und Spielplätze für uns Kinder waren. Im April 1938 wurde ich - wie damals üblich - mit Schulranzen, Schiefertafel, Griffeldose und Fibel eingeschult. Meine Lehrerin Susi Meyer verstand es von Anfang an, in uns Kindern neben Lesen, Schreiben und Rechnen die Liebe zur Heimat zu wecken. Liebevoll machte sie uns auf Besonderheiten unseres Heimatortes aufmerksam, wanderte mit uns in die Umgebung und führte uns so in die Pflanzen- und Tierwelt ein. Im Mai pflückten wir Blumen auf den umliegenden Wiesen und brachten sie zum Heiligenhäuschen in der Nähe des Dorfes, um sie in die Vasen neben der Muttergottesfigur zu stellen. Seit seiner Erbauung 1902 ist das Heiligenhäuschen für Wallenborn von zentraler Bedeutung und Inbegriff des Heimatgefühls. Zu allen Notzeiten, in Unglücks- und Sterbefällen, aber auch zu Bitt- und Dankanlässen haben sich bis heute ungezählte Prozessionen und Einzelpilger hierher begeben, um Hilfe und Trost bei der Gottesmutter zu finden. Vor allem während der Kriegsjahre hörte man regelmäßig abends schon von weitem den Bittruf: „Hilf Maria, es ist Zeit; hilf, Mutter der Barmherzigkeit". Einen besonderen Bezug hatten wir zur Kirche, die wir regelmäßig besuchten, um Gottesdienste zu feiern. Hier stand ein prächtiger Hochaltar mit der Figur des hl. Sebastian, dem Schutzpatron von Wallenborn. Damals war die Kirche noch klein und wir fühlten uns hier heimisch. Erst 1952 wurde sie erweitert. In den oberen Klassen machten wir mit unserem Lehrer Alois Keidel Ausflüge auf die Kasselburg, Neroburg, an die Maare oder nach Himmerod. Seine interessanten Erzählungen über die alten Gemäuer und das Leben der Ritter und Mönche stärkten unsere Liebe zur Heimat und klangen noch lange in uns nach. Ich kann heute mit Recht sagen, dass schon damals in der Schule der Grundstein für mein Heimatbewusstsein und die Liebe zur Vulkan-eifel gelegt wurde. Auch unsere Eltern waren um uns Kinder bemüht, umhegten uns und sorgten dafür, dass es uns gut ging, so dass wir uns immer geborgen fühlten. Bestimmt war dieses Gefühl der Geborgenheit einer der Gründe, warum mir später der Abschied von daheim so schwer fiel. Obwohl die Zeiten damals nicht so rosig waren und wir - im Gegensatz zu heute - auf vieles verzichten mussten, litten wir doch keine Not, im Gegenteil. Wenn wir auch nicht das Spielzeug hatten, wie es heute die Kinder zur Verfügung haben, wir wussten uns zu helfen. Bei gutem Wetter spielten wir draußen Seilhüpfen, Kreisel, Nachlaufen, Fangen, Verstecken oder am Bach mit selbstgebastelten Schiffchen und Wasserrädern; bei schlechtem Wetter konnten wir uns auch drinnen gut beschäftigen mit Spielen und Figuren, die wir uns zum Teil selber gebastelt hatten. Vor allem aber bot der Winter für uns Kinder Spielgelegenheiten ohne Ende. Angefangen vom Schneemann bauen über die Schneeballschlacht war vor allem das Schlitten- und Skifahren ein bevorzugtes Vergnügen. Mit dem Schlitten ging es halsbrecherisch die noch autofreie steile Dorfstraße hinunter, entweder allein oder mit mehreren, wobei einer vorne mit den Schlittschuhen lenkte. Mit den Skiern sausten wir die schneebedeckten Hänge rund um Wallenborn hinunter bis in den Abend hinein. Schön war immer die Advents- und Weihnachtszeit. In der Schule verstanden es unsere Lehrer hervorragend, diese Zeit entsprechend zu gestalten. Frühmorgens, wenn es noch dunkel war, sangen wir Adventslieder, während die Kerzen am Adventskranz brannten. Wir lernten Adventsgedichte und bereiteten ein Weihnachtsspiel vor, das wir dann an einem Elternabend vorführten. Besonders schön war natürlich das Weihnachtsfest. Das geheimnisvolle Weihnachtszimmer, das nicht betreten werden durfte, die Bescherung, Weihnachtsbaum, Tannenduft und Krippe, die Vater selbst gebastelt hatte, und die schönen Weihnachtslieder, die jedes Jahr aufs neue erklangen. Für mich war es besonders schön, wenn Vater während der Kriegsjahre Urlaub hatte und mich in den tief verschneiten Winterwald mitnahm, um einen Weihnachtsbaum zu suchen. Bis heute habe ich diese Gänge in den winterlichen Eifelwald nicht vergessen. Das alles trug dazu bei, uns Kinder an die Heimat zu binden und das Heimatgefühl zu stärken.

Heiligenhäuschen

Heimweh

Die Kriegsjahre brachten auch für meinen Heimatort Wallenborn einschneidende Veränderungen. Viele Männer waren zum Militär eingezogen worden und auch mein Vater bekam bereits 1940 den Stellungsbefehl. Ständiger Schulausfall beeinträchtigte unsere Weiterbildung und schließlich zogen noch drei Bombenangriffe Wallenborn schwer in Mitleidenschaft, die mehrere Tote forderten. Als schließlich 1945 der Krieg zu Ende war, ging es ans große Aufräumen und an den Wiederaufbau. Auch die Schule begann wieder. Ich muss mich heute noch wundern, wie ich es geschafft habe, nach dem vielen Schulausfall die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium zu bestehen. Aber es hatte geklappt. Nun kam das große Abschiednehmen. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mein liebes Heimatdorf verlassen. Die Fahrt ging zwar nur bis Trier, wo ich die Schule besuchte, aber trotzdem merkte ich, wie sehr ich an meinem Heimatort hing. Als ich mit einigen Kameraden nach Birresborn zum Bahnhof ging, war mir richtig schwer ums Herz, und in Trier hätte ich vor Heimweh oft weinen können. Es hat lange gedauert, bis ich diesen Schmerz überwunden hatte. Aber vor allem, als wir nach einem Jahr nach Daun verlegt wurden, besserte sich die Situation bedeutend. Nun war ich ja wieder in der Heimat, in der ich dann auch meine weitere berufliche Laufbahn durchleben durfte.

Wallenborn

Elternhaus